Die Ergebnisse der kürzlichen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben uns erschüttert, aber leider nicht überrascht, stehen sie doch für einen weiteren Rechtsruck in Deutschland und Europa. Die AFD – eine rechtsextremistische Partei, die keine Lösungen für die multiplen Krisen anbietet und für eine im höchsten Maße unsolidarische Politik steht – wird von einem Drittel der Menschen in Sachsen und Thüringen gewählt, weil sie das Treten nach unten wieder populär macht. Statt Ausbeutung, Kapitalanhäufung, strukturelle Ungleichheiten, Korruption und die Folgen des menschengemachten Klimawandels anzugehen, wird gegen Menschen gehetzt, die ganz unten stehen und keine Lobby haben. In einer Zeit, in der die Herausforderungen der Klimakrise und der sozialen Ungleichheit immer drängender werden, ist es mehr als beunruhigend, dass Hetze und Spaltung so viel Zustimmung erfahren.
Dabei ist gerade der menschengemachte Klimawandel eine der großen Ursachen für globale Fluchtbewegungen. Dürren, Überschwemmungen und der steigende Meeresspiegel zerstören die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen weltweit. Schon jetzt sind Klimaflüchtlinge Realität – Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, weil der Klimawandel ihre Existenz unmöglich gemacht hat. Doch anstatt sich mit diesen globalen Herausforderungen auseinanderzusetzen, zielen die rechtsgerichteten Parteien auf Abschottung und Ausgrenzung ab. Sie verschweigen, dass die industrialisierten Länder, zu denen auch Deutschland gehört, maßgeblich zur Erderwärmung beigetragen haben. Wer, wenn nicht wir, hat die Verantwortung, den Menschen zu helfen, die vor den Folgen dieses menschengemachten Desasters fliehen müssen?
In den Nachwahlbefragungen gaben über 50% der CDU-Wählerinnen an, die CDU gewählt zu haben, um einen zu großen Einfluss der AfD zu verhindern. Die CDU als letzter Ausweg vor einem AfD-regierten Bundesland? Eine Partei, deren führende Vertreter Menschenrechte für veraltet halten (Jens Spahn), deren Vorsitzender regelmäßig durch rassistische Ausfälle auffällt und bei der nicht wenige Politiker*innen pauschal Zurückweisungen von Asylsuchenden bereits an der Grenze fordern, einen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien wollen und von Obergrenzen faseln. Erschreckend! Das neu gegründete BSW punktet ebenfalls mit Populismus und Ressentiments gegen migrantisierte Menschen, statt progressive Politik zu betreiben.
Es bleibt zu hoffen, dass die CDU die 50% ihrer Wähler*innen ernst nimmt, die sie in der Hoffnung gewählt haben, die viel beschworene Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten. Dass sich bereits kurz nach der Wahl mit der ehemaligen Landrätin und Präsidentin des thüringischen Landkreistages Martina Schweinsburg das erste prominente CDU-Mitglied für Gespräche und Kooperation mit der AfD aussprach, zeigt jedoch, wie bröckelig diese Mauer bereits jetzt ist. Wer mit der AfD paktiert oder ihre Politik kopiert, normalisiert sie!
Nicht erst seit dem schrecklichen islamistischen Attentat in Solingen lassen sich die demokratischen Parteien von der AfD vor sich hertreiben. Mit der GEAS-Reform wurde das Grundrecht auf Asyl in der EU weiter ausgehöhlt. Mit dem Asyl-Rückführungsverbesserungsgesetz werden die Rechte geflüchteter Menschen erneut massiv beschnitten, Abschiebungen erleichtert und Abschiebehaft ausgeweitet. Die geplante bundesweite Einführung der diskriminierenden und verfassungswidrigen Bezahlkarte und die Kürzung von Leistungen für Personen in Dublin-Verfahren komplettieren die Bemühung, grenzenlose Härte und Abschreckung zu zeigen. Und erst Ende August hat die Bundesregierung rund 30 Personen nach Afghanistan abgeschoben – in ein Land, das von den Taliban regiert wird und wo Menschenrechte nichts gelten. Fast gleichzeitig hat die Ampelregierung einen Haushalt mit massiven Kürzungen vorgelegt. Von den Kürzungen betroffen ist unter anderem das Bundesaufnahmeprogramm für Flüchtende aus Afghanistan. Menschenrechtler*innen, Demokrat*innen, Frauenrechtler*innen: ihnen wird somit der mögliche Schutz und die Aufnahme verwehrt. Als ob die Härte in der Asylpolitik Islamismus bekämpfen könnte – eine Scheinlösung.
Die verheerenden Folgen des Klimawandels verschärfen nicht nur Armut und Konflikte, sondern zwingen Millionen Menschen zur Flucht. Statt Lösungen zu bieten und sich den globalen Herausforderungen zu stellen, schüren rechtsgerichtete Parteien Angst und Rassismus. Das führt dazu, dass viele die Augen davor verschließen, dass wir alle Teil der globalen Krise sind, die diese Menschen in die Flucht treibt. Es ist ein absoluter Trugschluss zu glauben, dass sich die Klimakrise und die daraus resultierende Migration einfach ignorieren oder an nationalen Grenzen stoppen lassen. Die Antwort auf die Klimakrise muss global sein – genau wie unsere Solidarität.
Keine der demokratischen Parteien kommt auf die Idee, Migration positiv zu besetzen, um eben NICHT AfD-Positionen in vorauseilendem Gehorsam zu bestärken. Wenn der Appell, Menschenrechte zu wahren und Hilfesuchende solidarisch zu unterstützen, nicht ausreicht, könnte man immer noch auf positive Aspekte von Migration hinweisen: Was wären Krankenhäuser ohne migrantische Pflegekräfte, Reinigungspersonal, Ärzt*innen? Oder im Handwerk oder in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen? Straßen würden nicht gebaut werden, Felder nicht abgeerntet, Essen nicht gekocht, Restaurants und Kneipen müssten schließen.
Und glauben wir im Ernst, dass Migranten nicht genauso entsetzt sind über islamistische Angriffe wie in Solingen und in Mannheim? In Mannheim hat eine migrantische Person sogar als erstes geholfen, den Angreifer festzuhalten. Dass die AfD solche Tatsachen nicht erwähnt, ist schon klar. Aber dass auch all die anderen Parteien, trotz emotionaler Betroffenheit, nicht wenigstens versuchen, Sachlichkeit in die öffentliche Diskussion zu bringen, führt zu verstärkter Hetze und Spaltung und dazu, dass viele sich nicht solidarisch fühlen mit Menschen in Not.
Auch vermeintlich progressive Parteien und linksliberale Journalist*innen sprechen in Bezug auf das Menschenrecht Asyl nur noch über Wege, mehr Abschiebungen zu ermöglichen. Dass hier ein Menschenrecht abgebaut wird, scheint aus der öffentlichen Wahrnehmung völlig zu verschwinden.
Wir haben es sehr begrüßt, dass Anfang des Jahres Abertausende Menschen mit uns auf die Straßen gingen, um gegen die AfD zu protestieren. Es waren die größten Massenproteste seit der Wiedervereinigung. Doch wurden wir gehört? Werden unsere Sorgen genauso ernst genommen wie die (vermeintlichen?) Sorgen von Pegida und Co? Gleichzeitig hätten wir uns gewünscht, dass auch der GEAS-Reform mit solchen energischen Protesten begegnet worden wäre. So wurde die Reform ohne wesentlichen Protest auf der Straße durchgewunken. Was ist denn bitte gelebter Antifaschismus und Antirassismus, wenn wir uns nicht für den Erhalt universell gültiger Menschenrechte einsetzen?
Auch ist es an der Zeit, AfD-Wähler*innen mal in die Pflicht zu nehmen, statt immer neue Entschuldigungen vorzubringen. Sie haben die AfD gewählt WEGEN ihrer antidemokratischen und rassistischen Agenda. Mit der Wahl der AfD werden Demokratie und Menschenrechte gefährdet – jede und jeder Einzelne, der hier sein Kreuz gesetzt hat, ist mitverantwortlich. Da gibt es nichts zu entschuldigen! Es zeigen sich hier die Früchte eines über Jahrzehnte entstandenen und trotz vorliegender Studien immer wieder ignorierten Rechtsradikalismus der sogenannten Mitte der Gesellschaft, und nicht ein simpler Protest gegen die Ampel-Regierung.
Wir sind alle so erschöpft und desillusioniert – wahrscheinlich ebenso wie die Menschen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung … Haben wir vor einigen Jahren noch gedacht, wir könnten progressive Ideen voranbringen, befinden wir uns nur noch in Abwehrkämpfen und versuchen, weitere Verschlechterungen für geflüchtete Menschen zu verhindern. Aber es hilft nichts! Wir können und dürfen nicht aufgeben! Deshalb steht auf für Demokratie und universell gültige Menschenrechte! Lasst nicht zu, dass die schwächste Gruppe in unserer Gesellschaft weiterhin für Krisen verantwortlich gemacht wird! Solidarität muss wieder unsere Waffe werden! Solidarität mit Menschen auf der Flucht, Solidarität mit migrantisierten Menschen, Solidarität mit marginalisierten Menschen, aber auch Solidarität mit den Genoss*innen in Ostdeutschland!