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Materialien, Presseerklärungen von Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Kultur usw


Samstag 15.12.12, 11:40 Uhr
Die Rede von Dr. Volker Steude für das Bürgerbegehren im Rat

Angst vor dem Bürgerwillen?

Das Skript der Rede, die Dr. Volker Steude für das Bürgerbegehren im Rat gehalten hat:*

Übergabe eines Engels aus Platanenholz von der Marienkirche an den Rat.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Ratsmitglieder,

dieser Engel soll sie daran erinnern, dass Sie eine Hundertschaft Polizisten eingesetzt haben, um die Fällaktion von 15 Platanen und 12 weiterer Bäume für das „Musikzentrum“ gegen die Bürger zu verteidigen, noch bevor über den Antrag der Bürger an Stelle des Rates über das „Musikzentrum“ abzustimmen eine Entscheidung gefällt wurde. mehr…


Mittwoch 14.11.12, 21:31 Uhr
Europäischer Streik- und Aktionstag am 14. 11. in Bochum

Rede von Michael Hermund, DGB

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
eine Welle des Protests, aber auch der Solidarität geht durch Europa. „Für Arbeit und Solidarität und gegen eine soziale Spaltung Europas“. Ob hier in Bochum oder Herne, in Berlin, München, Frankfurt, in Kehl auf der Europabrücke,…um nur einige Orte zu nennen. Wir alle zusammen schicken unsere solidarischen Grüße und unsere Unterstützung an alle Kolleginnen und Kollegen, die heute in Madrid, Lissabon, Athen, Rom und vielen anderen Städten Europas auf die Straße gehen. An alle die, die durch die rigiden und unfairen Kürzungen oftmals bis auf „das letzte Hemd“ ausgezogen werden, denen Arbeitnehmerrechte geraubt, und die in Unsicherheit, Verarmung und Perspektivlosigkeit getrieben werden. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise dauert mittlerweile fünf Jahre an.
Vor allem in Südeuropa leiden die Menschen unter einer Krise, die sie nicht verschuldet haben. Es sind in erster Linie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arme, Alte und Kranke, die die Last der Krise zu tragen haben,
während man die Krisenverursacher in den Finanzzentren und die Besitzer großer Vermögen ungeschoren davon kommen lässt.
In den betroffenen Ländern wird ein Experiment fortgesetzt, das in Deutschland mit Agenda 2010 und Hartz IV begonnen wurde und zur Senkung der Löhne und Renten geführt, den Sozialstaat abgebaut und den Arbeitsmarkt dereguliert hat.
Jetzt wird das Modell von Merkel und Co. als deutsche Medizin ins Ausland exportiert.
Aber diese Krisenrezepte helfen nicht.
Wir lehnen sie entschieden ab, für Bochum, für Deutschland und für Europa.
Denn diese fatale Politik spüren wir auch hier in Bochum am kommunalen Haushalt.
Neue Kürzungsrunden sind angekündigt.
So können weder Kommunen noch Volkswirtschaften wieder auf die Beine kommen.
Wer heute in Südeuropa die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine Krise, die sie nicht zu verantworten haben, so zur Kasse bittet, wird morgen in Deutschland das Gleiche versuchen.
Solidarität ist jetzt gefragt, auch um zu verhindern, dass diese falsche Politik auf weitere Länder übergreift.
Ein öffentlicher Haushalt kann und darf nicht geführt werden wie ein privates Unternehmen.
Die beschlossene Schuldenbremse in Deutschland wird die Daseinsvorsorge des Staates einschränken und Investitionen abwürgen.
Damit ist die nächste Stufe der Eskalation wieder bei uns.
Die Ausrichtung, die Banken zu retten und die Vermögenden zu schonen, ist der gänzlich falsche Weg.
Was wir dringend benötigen, ist eine Verteilung der Verantwortung auch auf Reiche und Superreiche.
Durch eine Tobin Tax, eine Vermögensabgabe und die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer könnte Geld abgeschöpft werden.
Denn dieses vagabundierende Geld hat die Krise mitverschuldet.
Das würde für mehr Gerechtigkeit in Deutschland sorgen und den Druck auf die jetzt betroffenen Länder in Europa nehmen.
Die Arbeitnehmer in unserer Region wissen, wie wichtig Exporte für die eigenen Arbeitsplätze sind, nicht nur bei Opel.
Wer jetzt Arbeitsplätze und Kaufkraft im Ausland vernichtet, sägt am Ast unseres eigenen Arbeitsplatzes hier in der Region.
Der DGB hat Solidaritätsadressen an die streikenden Kolleginnen und Kollegen geschickt.
Wir haben ihnen versichert: Die Politik unserer Regierung ist nicht unsere Politik!
Ein Europa, in dem die Wirtschaftsinteressen an erster Stelle stehen und Demokratie und soziale Rechte den Unternehmerfreiheiten untergeordnet werden, ist nicht das Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das widerspricht der europäischen Idee, den Grundwerten Europas
und unseren Interessen.
Für die Bankenrettung sind 500 Milliarden vorhanden gewesen.
Wo sind die Rettungsmaßnahmen für soziale Mindeststandards, die sicherstellen, dass die Menschen nicht ins Bodenlose abstürzen?
In vielen Ländern liegt die Arbeitslosigkeit bei mehr als 20 %, über die Hälfte der Jugend ist ohne Ausbildung und Arbeit.
Wo sind die europäischen „Rettungsschirme für die Jugend?
Wo die Rettungsschirme für Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner?
Wo bleiben die solidarischen Krisenlösungen, ein echtes, ein ernst gemeintes „Programm für Wachstum und Beschäftigung“?
Wir fordern die Staats- und Regierungschefs auf, sofort umzusteuern.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentner erwarten und verlangen zu Recht,
endlich auch diejenigen zur Kasse zu bitten, die die Krise verursacht haben.
Das haben wir hier in Bochum am 29. September tausendfach unter dem Motto umFAIRteilen gefordert.
Die spanischen Gewerkschafter der UGT Catalunya haben mir heute geantwortet:
„ Wir streiken, um diese selbstmörderische Politik zu stoppen“, sagte mir der Pressesprecher der Gewerkschaft UGT in Catalunya, Miguel Ángel Escobar.
„In unserem Land ist inzwischen jeder Vierte arbeitslos.
86 % aller Beschäftigten sind heute im Streik.
Ausgenommen sind nur, für die Bevölkerung lebenswichtige Bereiche.
Um 18.00 findet auf den Ramblas in Barcelona eine große Kundgebung statt.
Vielen Dank für die solidarische Unterstützung aus Ruhr Mark Bochum.“
Ich möchte schließen mit der Losung der spanischen Gewerkschaften:
„Kolleginnen und Kollegen, alle für einen, und einer für alle! Gemeinsam sind wir stärker.“
Glück auf und Solidarität!!


Kundgebung am 4. November vor dem Bochumer Rathaus unter dem Motto
„Das Problem heißt Rassismus“
Sonntag 04.11.12, 19:23 Uhr
Protest-und Gedenktag anlässlich des
1. Jahrestages des Bekanntwerdens der NSU-Morde.

Rede von Cigdem Deniz Sert, BoFo e.V.

Liebe Bochumerinnen und Bochumer,
liebe Freundinnen und Freunde,
heute vor einem Jahr erfuhr die Öffentlichkeit vom Nationalsozialistischen Untergrund, dem sog. NSU. Er wurde bekannt nachdem er über 13 Jahre lang Menschen ermordete und Bombenanschläge verübte. Das ist nur der Teil der Geschichte, der offiziell bekannt wurde. Selbstverständlich fragen wir uns, welche weiteren Taten diesem faschistischen Netzwerk noch anzulasten sind, von denen wir nichts gehört haben bzw. auch möglicherweise – so ist zu befürchten – niemals etwas erfahren werden. Wie kann es sein, dass diese Neofaschisten all die Jahre durchs ganze Land ziehen konnten, töteten, und zugleich völlig „unerkannt“ lebten, ja sogar Urlaub machen konnten; Autos an- und abmelden konnten, Pässe erhielten, ihr Äußeres aber beispielsweise nie verändert haben!
Ich denke, wir sind uns hier heute alle einig darüber, dass ein solcher Untergrund nur funktionieren kann, wenn er sich in Sicherheit wähnt. Und das hat er – rückblickend betrachtet – offensichtlich getan.  Aber niemand will irgendetwas gewusst haben. Seit einem Jahr hören wir von sog. „Ermittlungspannen“, „geschredderten Akten“; „Aussageverweigerungen der Sicherheitsbehörden“.
Es ist einmal mehr eine Schande, zu hören, dass es „nur ein Kommunikationsproblem zwischen den Behörden“ gewesen sein soll. Nein, es war kein Kommunikationsproblem! Das ist eine Verhöhnung der Opfer! Deshalb reicht es auch nicht, irgendwelche Dateien anzulegen, die Kommunikation zwischen irgendwelchen Behörden zu verbessern oder aber einzelnen Personen des Sicherheitsapparates den Rücktritt nahezulegen. Wir brauchen weder Bauernopfer noch lassen wir das Problem auf Kommunikationsschwierigkeiten reduzieren. Vielmehr haben wir in diesem Land ein Problem mit strukturellem Rassismus; ein Rassismusproblem, das so fest verankert ist, dass weder die Verhinderung der faschistischen Morde erfolgte noch die Aufklärung dieser im Nachhinein bisher möglich zu werden scheint.

Liebe Freundinnen und Freunde,
die heutige Kundgebung ist Teil des bundesweiten Aktionstages, der vom „Bündnis gegen das Schweigen“ ins Leben gerufen wurde. In Bochum findet heute die einzige Kundgebung im gesamten Ruhrgebiet statt. Wir sind heute hier um erneut ein lautes und deutliches Zeichen zu setzen; denn ein breiter gesellschaftlicher Aufschrei ist bisher leider ausgeblieben. Um so wichtiger ist es nun, nochmals und weiterhin öffentlichen Druck auszuüben. Diese schrecklichen Taten dürfen keineswegs in Vergessenheit geraten! Das liegt in unserer Verantwortung, der wir AntifaschistInnen uns in einem breiten Bündnis stellen und auch in Zukunft stellen werden.  Im Namen des Bochumer Forum für Antirassismus und Kultur danke ich in diesem Sinne allen, die heute hier sind und die diesen Aufruf mitunterstützen.


Kundgebung am 4. November vor dem Bochumer Rathaus unter dem Motto
„Das Problem heißt Rassismus“
Sonntag 04.11.12, 19:23 Uhr
Protest-und Gedenktag anlässlich des
1. Jahrestages des Bekanntwerdens der NSU-Morde.

Rede von Norbert Arndt, ver.di

Unsere ersten Gedanken gelten heute den Angehörigen der Opfer der NSU-Morde. Sie sind uns in ihrem unsagbaren Schmerz und ihrer Verzweiflung über die erlittenen Verluste und in ihrer Enttäuschung über den anschließenden Umgang mit ihnen, ganz nah. Ihnen gehört unsere Anteilnahme und Solidarität!
Im kommenden Jahr, am 30. Januar 2013 jährt sich zum 80ten mal die Machtübertragung auf die deutschen Faschisten und am 02. Mai die Besetzung der Gewerkschaftshäuser und das Verbot und die Zerschlagung der freien Gewerkschaften.
Heute erinnern wir in zahlreichen Städten an das Auffliegen der sogenannten „NSU-Zelle“; besser, an das Auffliegen von 3 Rechtsterroristen, die dieser Terrorzelle angehörten.
Auch nach einjährigen Ermittlungen ist zum tatsächlichen Umfang des „National-sozialistischen Untergrunds“ nur wenig ans Tageslicht befördert.
Ein Jahr nach dem Auffliegen der 3 Naziterroristen steht die Beantwortung der meisten Fragen noch aus und es ist fraglich, ob diese jemals beantwortet werden.
Darüber sind wir empört, dass ruft unseren Protest hervor und deshalb stehen wir heute hier!

  • Wir hören vom systematischen Wegschauen der Behörden,
  • von Schlamperei,
  • die Ermittlungen zur NSU-Mordserie seien kriminalfachlich stümperhaft geführt worden, usw.

Im Aufruf zur heutigen Protestaktion lese ich vom

  • versagen staatlicher Institutionen“.
  • Andere sprechen und schreiben von Pannen.

Haben Verfassungsschutz,BND, MAD und BKA

  • nur versagt?
  • Haben sie nur weggeschaut?
  • Haben sie schlampig und stümperhaft gearbeitet?
  • Können wir –allen Ernstes- von einer Serie von Pannen ausgehen?

Werden Akten geschwärzt, ja, vernichtet, wird in Untersuchungsausschüssen systematisch vertuscht, verschwiegen und geblockt um das angebliche Versagen dieser hocheffizienten, mit viel Geld und auf das Modernste ausgestatteten Sicherheitsorgane nicht offenbar werden lassen? Ich denke da sind Zweifel angebracht und da verbietet sich jede Bagatellisierung und Verharmlosung!
Wir wissen von den personellen Kontinuitäten der niemals belangten NS-Täter (auch) in diesen „Diensten“, die ihr rassistisches Weltbild niemals aufgegeben haben.
Ein Weltbild das sich dezidiert gegen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und Linke aller Schattierungen richtete.
Sie haben beigetragen und sind mit verantwortlich dafür, dass nach 1945 nie eine breite gesellschaftliche Ächtung faschistischen Gedankenguts in Deutschland stattgefunden hat.
Sie haben die, offenbar bis heute im Sicherheitsapparat wirkende, unsägliche Saat gelegt.
Bert Brecht mahnte nach 1945: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Die faschistische Bestie war niedergerungen aber nicht mit Stumpf und Stiel ausgemerzt, wie es die Überlebenden der Konzentrationslager und der Zuchthäuser gefordert hatten.
Ihr Vermächtnis ist bis heute nicht erfüllt! Nicht wenige Antifaschisten standen schon wenige Jahre nach dem Krieg den gleichen Richtern gegenüber wie nach 1933.
Und damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Wenn wir also im kommenden Jahr auf vielfältige Weise, in Bochum und Herne an den 80ten Jahrestag der Machtübertragung auf die Faschisten erinnern, dann geht es nicht darum unser Entsetzen und unsere Trauer zu konservieren. Dann geht es darum, Lehren zu ziehen für die heutige und die künftigen Generationen.
Dazu gehört beides: Die Kenntnis der Folgen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und die Kenntnis der Anfänge, die oft im Kleinen und Banalen liegen können und die wie ein schleichendes Gift wirken.
Ohne Erinnerung kann es keine befreiende Zukunft geben! Erinnerung muss stets mit dem moralischen Imperativ verbunden sein, dass Erinnern zum Handeln führen muss!
Zum Handeln gegen die nazistischen Terrorakte unserer Tage, aber mehr noch gegen den strukturellen Rassismus in der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft und in willfährigen Medien, der den Nazis letztendlich den Rückhalt für ihre unmenschlichen Taten liefert.
Die Stimme zu erheben allerdings auch gegen staatliche Institutionen die offenbar nicht nur nicht bereit sind, faschistische Strukturen zu zerschlagen, sondern mit diesen kollaborieren und beitragen, diese am Leben zu erhalten.
Im Focus stehen heute die Opfer mit Migrationshintergrund und eine deutsche Polizistin.

  • Wir wissen von mindestens 10 Mordopfern der unsäglichen NSU.
  • Wir wissen aber auch von mindestens 182 Todesopfern rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt seit 1990.
  • Wir wissen von Anschlägen auf Politiker und Parteibüros der Linkspartei.
  • Wir wissen von Übergriffen auf Gewerkschafter.

Wenn wir nicht aufpassen, werden wir bald noch weitere, noch andere Opfer zu beklagen haben.
In Abwandlung der berühmten Mahnung von Martin Niemöller ist man versucht, an diesem 4.November zu sagen:
Als sie gegen Muslime hetzten und Migranten erschlugen, habe ich geschwiegen: Ich war ja kein Moslem und Migrant!
Als sie Politiker und Parteibüros der Linkspartei überfielen und beschmierten, habe ich geschwiegen: Ich war ja kein Mitglied der LINKEN!
Als sie in Dortmund die Teilnehmer/innen der Mai-Demonstration mit Steinen bewarfen, habe ich geschwiegen: Ich war ja kein Gewerkschafter!
Jetzt haben sie mich im Visier und ich habe Angst!
WARUM SCHWEIGEN DIE ANDEREN
? WO BLEIBT DER AUFSCHREI?


Aktionstag umFAIRteilen am 29.9.2012 in Bochum
Samstag 29.09.12, 18:00 Uhr

Rede von Annelie Buntenbach

Es gilt das gesprochene Wort!

umFAIRteilen
Statement zum Aktionstag

Anrede
„Deutschland wird immer reicher“. So titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, als der Entwurf des aktuellen Armuts- und Reichtumsberichts bekannt wurde.
Wohl wahr: Das Nettovermögen der privaten Haushalte hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt – auf 10 Billionen Euro. 10 Billionen Euro, das wären im Schnitt ungefähr 125.000 Euro pro Kopf. Wenn Ihr also nachher nach Hause geht, guckt doch auf Eurem Konto mal nach, da müsste das Geld ja liegen. Und vergesst den Anteil für die Kinder und die Oma nicht – das rechnet sich pro Nase.
Die Wahrheit ist natürlich eine andere. Die Wahrheit ist: „Wer hat, dem wird gegeben.“
Oder – weniger christlich: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“.
Die obersten zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens in Deutschland. Vor allem das eine oberste Prozent schwimmt im Geld – trotz Finanzmarktkrise –, während wir uns abstrampeln müssen, für ein Leben in Würde, für Mindestlöhne, gute Ausbildung oder anständige Renten. Da heißt es dann immer: „Kein Geld.“
Der Kuchen wird größer – nur die Mittelschicht immer dünner. Und für einen immer größeren Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Arbeitslose und viele Rentnerinnen und Rentner bleiben nur ein paar Brotkrumen übrig, während in den oberen Etagen die Champagnerkorken knallen.
Anrede
es ist doch ein Armutszeugnis, dass die untere Hälfte der Gesellschaft gerade einmal über ein Prozent des Reichtums in Deutschland verfügt. Während die Vermögen der Reichsten ins Uferlose wachsen, steht der Staat mit 800 Milliarden Euro weniger da – die Euro- und Bankenrettungsschirme noch gar nicht gerechnet.
Der Staat, das ist nicht irgendein bürokratisches Monster – der Staat, das ist Sozialstaat, das ist öffentliche Daseinsvorsorge! Das sind Schulen, Kitas, Krankenhäuser, Pflegeheime, Schwimmbäder oder Büchereien. Und das sind die Beschäftigten in den Schulen, Kitas, Krankenhäusern oder Pflegeheimen.
Es geht hier also um elementare gesellschaftliche Bedürfnisse. Und wir wissen alle, wie es allein in den Schulen aussieht…
Weil kein Geld da ist? Wer uns das erzählt, will uns schlicht für dumm verkaufen. Das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anders, nämlich das eine Prozent da oben. Und das können wir uns einfach nicht mehr leisten!
Was ist das für eine Gesellschaft, in der die einen nicht mehr wissen, mit welchem von ihren vier Lamborghinis sie zum Shoppen fahren sollen, während andere ihr Kinder hungrig in die Schule schicken müssen?
Es ist Geld genug da, aber es muss anders verteilt werden – es muss gerechter verteilt werden.
Passiert ist in den letzten Jahren aber genau das Gegenteil –
• Umnehmenssteuern – wurden gesenkt.
•  Erbschaftssteuern – wurden gesenkt.
• Spitzensteuersatz – wurde gesenkt.
• Vermögenssteuer – gibt’s gar nicht erst.
•  Und den Finanzmarktspekulanten wurden Tür und Tor geöffnet, das brandgefährliche Roulette geht trotz Riesencrash ungehindert weiter,
•  und oben drauf kommt noch dieses unselige, milliardenschwere Mövenpick-Steuergeschenk für Hoteliers, das sollten wir nicht vergessen.
Kein Wunder, dass in den öffentlichen Kassen zig Milliarden fehlen, die dringend gebraucht werden. Hätten wir die Steuergesetzgebung der 90er Jahre (und die war nun wirklich nicht sozialismusverdächtig), würden jedes Jahr 50 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse fließen. Geld, das dringend gebraucht wird, wenn Schulen verrotten und wir bei der Bildung nicht vorankommen.
Es wurde umverteilt – und zwar in die völlig falsche Richtung, eine gigantische Umverteilung von Unten nach Oben. Und genau das wollen wir ändern, dafür streiten wir, dafür stehen wir heute hier in Bochum und an vielen anderen Orten in der Republik auf der Straße.
Umverteilung heißt auch Rückgewinnung von Demokratie. Wer sagt, es ist kein Geld da, meint eigentlich, es gibt nichts zu diskutieren und erst recht nichts zu entscheiden. Der sagt, es gäbe keine Alternative.
Diesen Satz hasse ich seit Maggie Thatcher – er ist grundfalsch und setzt die reine Arroganz der Macht als angebliches Naturgesetz.
Dem setzen wir entgegen: Doch, es gibt Alternativen, es gibt auch mehr als genug Geld, um sie zu bezahlen – versteckt Euch nicht hinter Naturgesetzen, wenn es um politische Richtungsentscheidungen geht!
Das gilt auch für das, was im Moment in Europa geschieht – was uns aus vielen Gründen sehr besorgt machen muss. Immer neue „Rettungsschirme“ werden für die Banken aufgespannt, aber der Spekulation über den Finanzmarkt nicht der Boden entzogen.
Und zahlen sollen das Ganze die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa.
Die Armut in Griechenland wächst sprunghaft, die Hälfte der Jugend steht in Spanien, Portugal, Griechenland ohne Arbeit und Perspektive auf der Straße.
Dabei führt der Kurs von Merkel und Co., von Troika und IWF nicht aus der Krise, sondern nur immer tiefer rein! Sie behaupten, es gäbe keine Alternative zu Sozialkürzungen, Lohn¬drückerei, Schleifung von Kündigungsschutz und Arbeitnehmerrechten – als würde man mit der Senkung des Mindestlohns in Griechenland den Euro retten!
Die Menschen in den Krisenländern brauchen endlich neue Perspektiven. Wir fordern Respekt vor Löhnen und Sozialsystemen, aber auch Investitionen in die Zukunft, bezahlt über eine Vermögensabgabe der Reichen in Europa! Die müssen hier in die Verantwortung!
Gerade wir hier in Deutschland wissen doch nur allzu genau, zu was die falschen Rezepte der Agenda 2010 geführt haben – inzwischen haben wir hier den größten Niedriglohnbereich in ganz Europa und eine tief gespaltene Gesellschaft. Diese falschen Rezepte dürfen nicht ganz Europa aufgedrückt werden – deshalb von hier aus unsere solidarischen Grüße an die Kolleginnen und Kollegen in Griechenland, in Spanien, in Italien und Portugal!
Anrede
„Leistung muss sich lohnen“ – diesen Satz hören wir seit Jahren immer wieder.
Nur: Was heißt das eigentlich? Was soll das zum Beispiel für eine Leistung sein, die ein Manager-Jahresgehalt von 17,5 Millionen Euro rechtfertigt? Ein Jahresgehalt, für das Normalverdiener weit über 500 Jahre arbeiten müssten, und die viel zu schlecht bezahlte Krankenschwester, der Altenpfleger, die Erzieherin noch viel länger.
Mit Gerechtigkeit oder gar Anstand hat das nichts mehr zu tun – solche Managergehälter sind einfach unanständig.
Ich nenne das genauso unanständig wie Hartz IV-Sätze, die nicht armutsfest sind, Armuts¬renten, die in Zukunft selbst Durchschnittsverdiener zu erwarten haben und Hungerlöhne, mit denen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgespeist werden.
Das schreit doch nach Umverteilung – das heißt nach fairer Verteilung!
Anrede
ob Minijob, Leiharbeit oder befristete Jobs – der Arbeitsmarkt ist auf die schiefe Bahn geraten. Die Löhne kommen den steigenden Preisen nicht hinterher. Jeder Fünfte muss zu Niedriglöhnen arbeiten. Die Armutsquote ist auf 15 Prozent gestiegen.
Hier in Bochum muss jedes sechste Kind von Hartz IV leben – von einem Hartz IV, das vorne und hinter nicht zum Leben reicht, das haben wir ja vom Bundesverfassungsgericht sogar hochamtlich.
Aber diese Kinderarmut ist Elternarmut – und in aller Regel Arbeitsarmut. Arm trotz Arbeit – ja, das ist bitterste Realität für Millionen von Beschäftigten. Und auch daran wollen und daran müssen wir etwas ändern.
Da gibt es Arbeitgeber, die zahlen Hungerlöhne, und weil die zum Leben nicht reichen, lassen sie die aus Steuermitteln aufstocken – das ist der eigentliche Missbrauch von Hartz IV, dem muss die Politik endlich einen Riegel vorschieben! Und das geht:
• Als erstes brauchen einen existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohn, und zwar flächendeckend, da darf nichts mehr drunter gehen!
• Wir brauchen gleiches Geld für gleiche Arbeit.
• Wir brauchen einen Weg aus der Armutsfalle Minijob.
Ein Drittel aller Beschäftigten ist inzwischen in prekäre Beschäftigung abgedrängt worden. Mit einer solchen Spaltung der Gesellschaft werden wir uns nicht abfinden – wir wollen eine Gesellschaft, an der alle auf Augenhöhe teilhaben!
Und auch stimmt es einfach nicht, dass „kein Geld“ da ist. Geld ist genug da, die Unter¬nehmensgewinne sprudeln, bei den Lohnnebenkosten liegen wir auf Platz 16 in Europa – hinter Litauen oder Rumänien.
Nur liegen wir auch bei der Sozialen Sicherung und beim Schutz vor Armut weiter unter dem Durchschnitt der OECD. Und warum? Weil jahrelang das Credo galt, die Lohnnebenkosten müssten gesenkt werden. Was nichts anderes heißt als: Die Arbeitgeber sollten weniger bezahlen müssen – wir dann zwar mehr, aber privat obendrauf.
Und so sieht das Ergebnis auch aus:
• Sonder- und Zusatzbeiträge und hohe Zuzahlungen in der Krankenversicherung.
• Kaum noch Schutz bei Arbeitslosigkeit – 10 Prozent der Arbeitslosengeld-Bezieher müssen mit Hartz IV aufstocken.
• Wir haben eine Rente, die schon jetzt kaum zum Leben reicht – und die für die heute Jungen noch mal um knapp 20 Prozent gesenkt werden soll.
Nehmen wir nur die Durchschnittsrente von Männern: Das sind heute 867 Euro – bei einem Rentenniveau von 43 Prozent wären es nur 745 Euro.
Und was will Frau von der Leyen? Eine Rente zweiter Klasse für Normalverdiener – Bedürftigkeitsprüfung inklusive? Bei einem Einkommen von 1.800 Euro müsste man künftig 45 Jahre durcharbeiten und hätte trotzdem nur eine Rente auf Sozialhilfeniveau. Soll das unsere Zukunft sein?
All diese harten Einschnitte, weil es der Wirtschaft in Deutschland ja angeblich so schlecht geht. Unsinn – Deutschland macht jedes Jahr neue Rekordhandelsüberschüsse. Deutschland wird immer reicher? Nein. Die da oben werden immer reicher.
Und statt einer anständigen Rente, die im Übrigen spielend finanzierbar ist, sollen wir dann in eine Riester-Rente einzahlen. Ja, wovon denn – von 5 oder 6 Euro Stundenlohn? Damit man dann allein 87 Jahre alt werden muss, um nur das eingezahlte Geld wieder herauszu¬bekommen? Das kann es einfach nicht sein – und schon gar nicht in einem der reichsten Länder der Erde – rein statistisch, versteht sich.
Es braucht einen neuen, großen Entwurf – für eine gerechte Gesellschaft. Kein allgemeines Geschwätz und Sonntagsreden, sondern mit ganz konkreten Maßnahmen, die was verändern, und zwar in die richtige Richtung:
Wir brauchen eine Bankenregulierung, die den Namen auch verdient.
Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer und ein Ende der Zockerei.
Wir brauchen eine Vermögenssteuer, eine Vermögensabgabe, die niemanden arm machen wird, aber entscheidend hilft, um Armut zu vermeiden.
Wir brauchen Ordnung auf dem Arbeitsmarkt durch einen gesetzlichen Mindestlohn, Equal Pay in der Leiharbeit und eine Reform der Minijobs.
Wir brauchen eine bessere solidarische Sicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege und fürs Alter.
All das lässt sich machen, all das lässt sich bezahlen. Aber nur dann, wenn endlich Schluss gemacht wird mit der Privatisierungsorgie, Schluss gemacht wird mit dem Lohndumping und Schluss gemacht wird mit der Umverteilung von unten nach oben.
Anrede
machen wir uns nichts vor: Die Wirtschaftskrise kommt auch wieder nach Deutschland zurück – die ersten Anzeichen sind längst erkennbar.
Da höre ich schon die Neoliberalen sagen, wir müssten den Gürtel mal wieder enger schnallen. Noch enger geht nicht. Wir brauchen keinen Gürtel, sondern eine gerechte Verteilung.
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“
Das ist kein Restposten des rheinischen Kapitalismus, sondern Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Grundgesetz gilt für alle.
Viel zu viele wissen gar nicht, was Eigentum ist. Und die Reichsten der Reichen wissen vermutlich gar nicht, wie viel sie an Eigentum besitzen oder was sie damit machen sollen.
Helfen wir ihnen! Helfen wir unserer Verfassung zur Geltung. Dann kommt auch unsere Gesellschaft in eine bessere Verfassung.
Glückauf!


Aktionstag umFAIRteilen am 29.9.2012 in Bochum
Samstag 29.09.12, 18:00 Uhr

Rede von Dr. Kemal Bozay

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich darf Sie alle recht herzlich im Namen der IFAK – dem Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe / Migrationsarbeit – zur heutigen Auftaktkundgebung und Demonstration in Bochum begrüßen. Ich freue mich sehr, dass Tausende aus dem gesamten Ruhrgebiet, aber auch aus Ostwestfalen-Lippe bis hin nach Siegen dem Aufruf von Gewerkschaften, Sozialverbände, Einrichtungen, Parteien und Verbände so zahlreich gefolgt sind und hier im Bochum ein gemeinsames Zeichen setzen!
Heute sind in ganz Deutschland Hunderttausende auf der Strasse, in Frankfurt, Köln, Berlin, Hamburg und anderswo. UmFAIRteilen für eine gerechte und solidarische Gesellschaft ist unser Motto! Wir verstehen uns als eine breite Bewegung! Eine Bewegung für eine solidarische Erneuerung und für ein soziales und gerechtes Land! Unsere Botschaft: Es reicht!
Fehlende Kita-Plätze, Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit, Kürzungen im schulischen Bereich, Kahlschlagpolitik gegen Sozialverbände und Vereine, geschlossene Bibliotheken, fehlende Mittel für Kultur, mangelhafter Nahverkehr… – dass ist die Realität vor der wir heute bundesweit stehen.
Seit Jahren die gleichen Märchen: Es muss erst schlechter werden, damit es besser werden kann! So ein Blödsinn! Seit mehreren Jahrzehnten wird Politik nach dieser Melodie gemacht. Die Folgen:
•    Weniger Arbeitslosengeld!
•    Eintrittsgeld beim Arzt und Zuzahlungen bei Medikamenten!
•    Soziale Kürzungen im schulischen Bereich!
•    Soziale Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit!
•    Rotstiftpolitik gegen Kultur- und Migrantenarbeit
•    Anhebung des Rentenalters auf 67
Und vieles mehr!
Und auf der anderen Seite:
•    Steuerentlastungen in Milliardenhöhe.
•    Kürzung betrieblicher Sozialleistungen.
•    Abbau von Arbeitnehmerrechten.
•    Die Managergehälter explodieren, auch wenn die Betriebe am Boden liegen.
Wir haben genug von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, von stagnierenden Löhnen und explodierenden Managergehältern! Und wir haben die Nase voll von angeblichen Reformen, die wir bezahlen und die den anderen nutzen!
Es kann doch nicht sein, dass mehr als 62 % des Nettoprivatvermögens in Deutschland die reichsten 10 % der Bevölkerung besitzen. Die ärmsten 10% der Bevölkerung besitzen schlicht weg nichts, sondern tragen stattdessen eine private Schuldenlast von über 13 Milliarden Euro. Dass sind die Tatsachen hierzulande!
Es muss endlich Schluss sein mit einer Politik,
•    die Arbeitslose abstraft statt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen,
•    die die sozialen Werte und das soziale Netz hierzulande weiter demontiert statt den sozial Schwachen unter die Arme zu greifen
•    die in der Kinder-, Jugend-, Kultur-, Migration- und Gemeinwesenarbeit weiter spart statt die Menschen aus sozial benachteiligten Lebenslagen weiter zu stärken und Armut zu bekämpfen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
diese Politik ist nicht nur sozial ungerecht. Sie ist auch wirtschaftlich unsinnig. Diese Politik löst auch keine Probleme, sondern verschärft sie weiter. Sie führt die Gesellschaft und Wirtschaft nicht aus der Krise heraus, sondern weiter hinein.
Fakt ist: Die Schere zwischen Arm und Reich reißt immer weiter auseinander! Viele Arbeitslose, Kranke, Alleinerziehende und kinderreiche Familien wissen kaum mehr, wie sie über die Runden kommen sollen. Und eine kleine Schicht von Super-Reichen weiß nicht wohin mit den Millionen, die sie durch Steuerprivilegien, Aktiengewinne oder Vermögenszinsen kassieren.
Der Staat kürzt soziale Leistungen und öffentliche Investitionen, um zu sparen. Aber Stagnation und Arbeitslosigkeit reißen immer größere Löcher in die öffentlichen Haushalte. Und in Kindergärten, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Universitäten und Krankenhäuser soll weiter gespart werden.
Lassen sie mich das mal am Beispiel der Menschen mit Migrationshintergrund festmachen: Gerade der aktuelle Bericht zur Lage der Migrantinnen und Migranten macht deutlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund dreimal häufig auf Hartz IV angewiesen sind. Sie sind doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und Sozialkahlschlag betroffen. Hinzu kommt, dass die Politik der sozialen Ausgrenzung durch Sozialraub und Privatisierungen, Lohndumping und Leiharbeit Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Gesellschaft stärker in die Armut drängt. Durch die Logik einer Teile- und Herrsche-Politik werden Migrantinnen und Migranten zu Sündenböcken für soziale Notstände gemacht. Wir sagen ohne uns!
Verhindern müssen wir die gesellschaftliche Spaltung, Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund: denn je stärker sich die Migrantinnen und Migranten in der Einwanderungsgesellschaft bedroht und unsicher fühlen, desto stärker zeigen sie Rückzugstendenzen in eigene kulturelle Abgrenzungen. Diese Situation hemmt das Miteinander und Füreinander. Migrantenselbstorganisationen, die auch heute an diesem Aktionstag vertreten sind, fordern Partizipation und solidarisches Miteinander. Das ist auch unser Motto auf dem heutigen Aktionstag!
Auch die PISA-Studien haben gezeigt: In der Bildungspolitik ist längst die Klassenspaltung vergangener Jahre zurück gekehrt. In keinem hochentwickelten Land hängen Bildungschancen so stark von der sozialen Herkunft der Menschen ab wie in Deutschland. Bildung droht wieder zum Privileg gesellschaftlicher Eliten zu werden. Das ist ein Skandal.
Und deshalb sage ich: Redet nicht immer nur über Bildung und Wissensgesellschaft, sondern gebt den jungen Menschen endlich eine faire Chance, unabhängig von Nationalität und Hautfarbe. Auch in der schulischen und beruflichen Ausbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
Wir erwarten, ja wir fordern: Macht endlich Schluss mit dieser ungerechten Politik der sozialen Spaltung und der sozialen Kälte! Ja, auch wir wollen Veränderungen. Aber nach vorne und nicht zurück in den Frühkapitalismus. Wir benötigen eine Perspektive für eine solidarische und soziale Zukunft.
Wir wollen eine aktive und solidarische Gesellschaft. In der alle füreinander einstehen. Die Jungen für die Alten, die Reichen für die Armen, die Gesunden für die Kranken. Das ist machbar, das ist gerecht und das ist zumutbar.
Dieser bundesweite Aktionstag ist eine Bewegung aus sehr unterschiedlichen Initiativen und Organisationen. Aus Jungen und Alten. Aus Menschen unterschiedlichster Herkunft. Uns verbindet der Forderung nach einer besseren Gesellschaft. In der Gerechtigkeit, Solidarität und Menschlichkeit auf der politischen Agenda stehen. Wir fordern „UmFAIRteilen und Reichtum besteuern!“. Wir fordern daher eine gerechte Verteilung, in Form von Besteuerung des Reichtums und der Vermögensteuer.
In diesem Sinne wünsche ich der heutigen Demonstration und Kundgebung einen erfolgreichen Verlauf!


Redemanuskript für die Demonstration gegen die NPD am 21. 07. 2012 auf dem Husemannplatz
Sonntag 22.07.12, 16:25 Uhr

Christian Leye,
Sprecher DIE LINKE. Bochum

Liebe Bochumerinnen und Bochumer,
ich freue mich sehr, dass es geklappt hat, so schnell unsere Netzwerke in Gang zu setzen und heute mit so vielen Menschen gegen die Kundgebung der NPD in Bochum zu demonstrieren. Denn gerade in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise dürfen wir den Faschistinnen und Faschisten unsere Straßen und Plätze nicht überlassen. Zeiten der Krise sind Zeiten der Umverteilung, im Moment der Umverteilung von Unten nach Oben. Es sind Zeiten der Unsicherheit für viele Menschen, die eh schon unter Leiharbeit, Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung leiden. An diese Unsicherheiten und berechtigte Ängste versuchen die Faschisten anzuknüpfen mit nationalistischen, völkischen und rassistischen Antworten auf die Krise. Hier dürfen wir den Faschisten unsere Städte, Straßen und Plätze nicht überlassen und müssen entschlossen Widerstand leisten wenn sie versuchen, ihre Hetze in unsere öffentlichen Räume zu tragen.
Aber die Faschisten stehen nicht im luftleeren Raum: sie versuchen anzuknüpfen an einen Rassismus, der bis tief in die Mitte der Gesellschaft reicht. Und dieser Rassismus wurde verstärkt im Rahmen der so genannten „Integrationsdebatte“, die eng mit dem Namen Sarrazin verknüpft ist. Während ein Drittel der Gesellschaft vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen ist, während das nächste Drittel Angst hat, nach unten zu rutschen, und während die oberen Zehntausend immer reicher werden und nicht mehr wissen wohin mit all dem Geld, so dass sie es an Finanzmärkten verspekulieren, während dieser Zeit mussten wir dringend über angebliche „Integrationsverweigerer“ sprechen und wer alles angeblich Deutsch lernen will und wer nicht, als wäre das unser Problem. Und diese Debatte wurde dankbar aufgegriffen von Teilen der herrschenden Politik und Teilen der Medien. Denn die „Integrationsdebatte“ diente ganz klar dem Zweck, von den echten Problemen in unserer Gesellschaft abzulenken. Statt über die sozialen Probleme zu sprechen gab es rassistische Hetze als Ablenkung von den wirklichen Problemen. Und die gleiche rassistische Ablenkungsdebatte läuft auf europäischer Ebene, wenn gegen die „faulen Griechen“ gewettert wird. An diesen Rassismus der Mitte versuchen die Faschisten anzuknüpfen, wenn sie heute auf dem Husemannplatz stehen. Und hier brauchen wir alternative Antworten auf die Krise, und in Zeiten der Krise ist auch das Antifaschismus, liebe Bochumerinnen und Bochumer! Und die Antworten der LINKEN sind: die Konflikte verlaufen nicht zwischen Deutschen und Griechen, sie verlaufen nicht zwischen Bio-Deutschen und den Nachbarn mit Migrationshintergrund, die Konflikte verlaufen zwischen Arm und Reich, zwischen Oben und Unten, zwischen den Lohnabhängigen und dem Kapital.
Lasst uns den Faschisten unsere öffentlichen Räume nicht überlassen, lasst uns den Rassismus der Mitte bekämpfen, um den Faschisten den Nährboden zu entziehen, und lasst uns eigene Antworten auf die Krise geben, damit die Antworten nicht von der NPD kommen!

Die Rede wurde nicht gehalten. Siehe: Ungehaltene Reden


Redemanuskript für die Demonstration gegen die NPD am 21. 07. 2012 auf dem Husemannplatz
Sonntag 22.07.12, 15:24 Uhr

Dr. Ralf Feldmann,
Bochumer Bündnis gegen Rechts

Liebe Bochumer Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Freundinnen und Freunde!
Vor 77 Jahren wurde Fritz Husemann im Konzentrationslager Esterwegen ermordet.  Die politischen Erben seiner Mörder wollen uns heute hier auf „seinem“ Platz ihren nationalistischen, rassistischen Überlegenheitswahn als Antwort auf die europäische Krise nahe bringen. Da kommen die, die Saat legten für die Mordbrenner von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen, Hünxe, für hundertfachen Mord an Fremden, Schwachen und politisch Andersdenkenden. „Gute Heimreise“ war die Parole auf ihren Wahlplakaten, dort zeigten sie Vertreibungsbilder von Juden auf dem Weg ins KZ, diesmal mit muslimischen Frauen auf ängstlicher Flucht. „Das Plakat ist der Renner“, konnte man auf der Internetseite der Volksverhetzer aus Wattenscheid lesen. Es ist klar, welche Heimreise sie meinen. Wir wissen: NSU und NPD sind zwei Seiten derselben Münze.
Die kommen nicht mehr nur als hässliche Glatzköpfe, sondern auch mit Schlips und Kragen und hätten gern den Schulterschluss mit jenen konservativen Talkshow-Rechten von Sarrazin bis Sinn, die meinen, der Rückzug in die nationale Trutzburg mit Schlagbäumen und Deutscher Mark sei die Lösung der ökonomischen und demokratischen Krise Europas. Wir in Bochum wollen weder die einen noch die anderen.
Ein Menschenleben nach dem Ende der Nazibarbarei, die Millionen Menschen vernichtete und große Teile unseres Kontinents in Schutt und Asche legte, wollen wir, dass ein friedliches, demokratisches Europa weiter zusammenwächst. In dem wir uns nie wieder als Feinde, ja Todfeinde die Schädel einschlagen, sondern uns als Freunde begegnen – wie oft erleben wir das im Austausch, in den Ferien – und uns solidarisch helfen, wenn ein Schwächerer in Not gerät.
Rassistische Überheblichkeit von Nationalisten – seien sie neofaschistisch oder konservativ-nationalistisch – lenken von der Ursache der europäischen Krise ab und tragen zur Lösung nichts bei. Die Krise ist nicht der Gegensatz zwischen überlegenem, tatkräftigen nordischen Fleiß und südländischem Schlendrian minderwertiger Müßiggänger. Sie ist entstanden, weil die Reichen und das ihren Reichtum organisierende Finanzkapital ihren Beitrag zum Gemeinwohl partout nicht beisteuern wollen und sich in neoliberal entfesselter Gier nach noch größerem Reichtum massivst verspekuliert haben. Für die Verluste ihrer Gier sollen jetzt alle aufkommen.
Europa leidet nicht an einem Konflikt zwischen Nord und Süd. Es ist vielmehr der uralte Kampf zwischen Oben und Unten, zwischen Reich und Arm. Er geht quer durch alle Gesellschaften  – in Nord und Süd, er spaltet sie in Glück und Unglück. Die wahrhaft Mächtigen weltweit, die Herrschenden des entfesselten Finanzkapitals treiben die atemlosen Akteure der staatlichen Demokratien vor sich her. Bis diese alternativlos – in Wirklichkeit besinnungslos – unbegrenzte Hilfen in Billionenhöhe beschließen. Hilfen für Banken, nicht für Menschen in Not. Nicht für die Menschen in Griechenland, die sich Gesundheit nicht mehr leisten können und deshalb früher sterben, zunehmend von eigener Hand, nicht für die jungen Leute in Spanien, die zu Zehntausenden um Ausbildung und Arbeit anstehen. Geholfen wird Banken, damit die Profite der Reichen keinen Schaden nehmen.
Das Bundesverfassungsgericht sucht zur Zeit nach Rettungsringen für das Überleben unserer staatlichen Demokratie. Damit sie sich nicht in Europa verflüchtigt und auflöst. Etwas genauer formuliert geht es um die Rettung von Ansätzen demokratischer Entscheidungsprozesse in einer kapitalistisch herrschaftlich verfassten Gesellschaft. Diese Rettung der staatlichen Demokratie, über die das Verfassungsgericht nachdenkt, ist nicht belanglos. Denn nach dem Grundgesetz ist Staatsgewalt kein Produkt alternativloser Technokratenweisheit – produziert von den Mietmäulern des großen Geldes, sondern geht vom Volke aus. Aber Demokratie wird erst, wenn die  Machtstrukturen unserer Gesellschaft nicht mehr kapitalistisch bestimmt sind, sondern wir selbst unser Wirtschaftssystem demokratisch organisieren und kontrollieren. Wenn unsere Gesellschaften auf dem Boden der Menschenrechte – auch der sozialen Menschenrechte – sozialistisch und frei werden, europaweit, weltweit. Daran wollte ich in diesen Krisenzeiten erinnern.

Die Rede wurde nicht gehalten. Siehe: Ungehaltene Reden


Redemanuskript für die Demonstration gegen die NPD am 21. 07. 2012 auf dem Husemannplatz
Sonntag 22.07.12, 15:23 Uhr

Wolfgang Dominik,
Mitglied der VVN-BdA Bochum

Ich begrüße alle Antifaschistinnen und Antifaschisten zu dieser Veranstaltung!
Mein Name ist Wolfgang Dominik, und ich bin seit Jahrzehnten Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Übrigens: Das Wort Faschismus habe ich erst als Student in der 68er-Bewegung  gehört.. Unsere Lehrer, Professoren und alle anderen benutzten den demagogischen Propagandabegriff der Faschisten: Nationalsozialismus, der ja weitgehend bis heute unreflektiert benutzt wird. Die Faschisten waren weder national noch sozialistisch! Die NPD nennt sich nationaldemokratisch. Sie ist weder das eine noch das andere!
Nachdem die NPD 1964 gegründet worden war, hatten Alt- und Jungfaschisten endlich eine Partei mit allen ihren Privilegien. Entsprechend des Art. 139 des GG hätte die Partei sofort verboten werden müssen. Ihr Parteiprogramm, ihr Gedankenungut, ihre Mitglieder machten aus ihrer Rechtfertigung des Faschismus kaum ein Hehl. „Man“ wünschte sich solche Zeiten wieder!
Die Kritiker der NPD kamen vor allem auch  aus der VVN, der Organisation, die  1946/47 von überlebenden antifaschistischen Widerstandskämpfern  gegründet worden ist. Die VVN hatte und hat das Ziel, über die Ursachen des Faschismus aufzuklären, diese zu beseitigen und auch den letzten faschistischen Verbrecher vor demokratische Gerichte zu bringen.
Selbst das Ahlener Programm der CDU von 1947 hat den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus und der Notwendigkeit einer anderen Wirtschaftsordnung erkannt.
Das hatte aber auch der 1950 gegründete Verfassungsschutz erkannt:
Die ganze Wucht des sog. Verfassungsschutzes richtete sich nach links oder das, was der Geheimdienst dafür hielt..  Da dieser Inlands-Geheimdienst (wie die anderen Geheimdienste der BRD auch) vor allem mit ehemaligen GeStaPo-Leuten, SA-, SS- und SD-Leuten gegründet wurde mit dem Auftrag, die kapitalistische Gesellschaft vor ihren radikalen Kritikern zu schützen, sollte auch die VVN 1959 verboten werden. Das misslang, weil internationale antifaschistische Beobachter herausfanden, dass zwei hochrangige ehemalige Nazi-Richter uns verbieten wollten und sollten.
Dennoch: Zahlreiche VVN-Mitglieder, unter ihnen der euch allen bekannte langjährige VVN-Vorsitzende in Bochum, Klaus Kunold, wurden z.T. mehrmals wegen ihres antifaschistischen Engagements in die Gefängnisse gebracht, z.T verurteilt von den gleichen Staatsanwälten und Richtern, die schon 1933 und danach Unrecht gesprochen hatten.
In diesem Klima konnte sich die NPD ziemlich ungestört entfalten und eilte von Wahlsieg zu Wahlsieg, obwohl oder gerade weil sie sich sofort nach ihrer Gründung durch die Beteiligung an zahlreichen, damals vor allem antisemitischen, Verbrechen, auszeichnete.. Aber bis heute wird die die NPD – so nannte das einmal Ralf Giordano – von den wichtigsten politischen Repräsentanten wie ein etwas ungezogener Verwandter behandelt. Aber als Verwandter!  Exemplarisch: Ein Kollege von mir, Geschichtslehrer, hoher NPD-Funktionär, blieb immer unbehelligt! Als Antifaschist musste ich mir so manche Nachfrage gefallen lassen.
Das politische Klima damals können sich die Jüngeren unter euch gar nicht mehr vorstellen!
„Es waren damals harte Zeiten!“, sagten meine Eltern mir als Kind, wenn ich nach der Herkunft der Trümmern und Ruinen  in der Vereinsstraße (hier in Bochum) fragte, in der ich die ersten 10 Jahre meines Lebens verbrachte.
„Es waren damals harte Zeiten!“ , sagten meine fast durchweg männlichen Lehrer auf der Goethe-Schule hier in Bochum, hinter deren Namen oft noch 1954/1955 die Buchstaben z.Wv. standen, zur Wiederverwendung. Erst viel später habe ich erfahren, dass das Ex-Nazis waren, die kurzfristig ihres Amtes enthoben worden sind und mit dem Grundgesetzartikel 131 alle wieder in Amt und Würden übernommen werden mussten. Im Unterricht haben wir gelernt, dass Hitler doch ziemlich schlimm gewesen ist. „Auschwitz, das war ein bisschen zu viel!“, sang später Franz Josef Degenhardt.
„Es waren damals harte Zeiten!“ Und eigentlich waren alle dagegen, dass der Krieg verloren worden war und Bochum ein Trümmerhaufen war!
Als wir 68ger uns umblickten, fragten wir nach der Vergangenheit unserer Eltern und Großeltern, unserer Lehrer und Professoren, unserer Pfarrer, unserer Bundeswehr-Offiziere und natürlich unserer Politiker und Wirtschaftsführer und Geheimdienstchefs.. Das löste bei den Befragten meist nachhaltiges Entsetzen aus und wir wurden sofort „radikal“, damals ein Schimpfwort, genannt! Bei uns löste es nachhaltiges Entsetzen aus, als wir rausbekamen, dass das die Verursacher der „harten Zeiten“ waren!
Und ich wurde dann irgendwann Mitglied der VVN.
Dass die Geheimdienste sich seit den fünfziger Jahren wenig verändert haben, zeigen die Untersuchungsausschüsse zur Thüringer Heimatfront und zur NSU der letzten Wochen.
Die NPD war bei allen diesbezüglichen terroristischen Aktivitäten z.T. durch Funktionäre immer dabei.
Wer weiß, was inzwischen so alles geschreddert worden ist?
Die VVN fordert, die Inlandsgeheimdienste abzuschaffen! Ein NPD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht scheiterte 2003, weil in den Chefetagen der NPD sich Dutzende von V-Leuten des sog. Verfassungsschutzes tummelten.
Was der Faschismus  an Verbrechen angerichtet hat, zeigt exemplarisch dieser Platz, der zum Gedenken an einen ermordeten Bochumer Antifaschisten Husemann-Platz heißt. Es ist eine weitere Verhöhnung und Schändung des Gedenkens an einen  ermordeten Antifaschisten, auf diesem Platz die neuen und doch so alten Faschisten reden zu lassen!
Alle faschistischen Organisationen müssen verboten werden, damit auch so etwas nicht mehr passiert!!
Ich wünsche der heutigen Veranstaltung und uns allen auch in Zukunft  im Namen der ältesten antifaschistischen Organisation VVN-BdA  einen langen Atem!

Die Rede wurde nicht gehalten. Siehe: Ungehaltene Reden


Redemanuskript für die Demonstration gegen die NPD am 21. 07. 2012 auf dem Husemannplatz
Sonntag 22.07.12, 15:23 Uhr

Thorsten Kröger,
stellvertr. SPD-Vorsitzender Bochum:

Ungebetenen Besuch, sehr geehrte Damen und Herren, den hält man der Höflichkeit wegen irgendwie aus, und hofft, dass er bald wieder nach Hause geht. Irgendwann geht der Besuch dann auch und im Rückblick war es dann meist gar nicht so schlimm.
Den ungebetenen Besuch, den wir heute hier erleben bzw. erwarten, kann man nicht so leicht aushalten und wenn wir dem ungebetenen Besuch nicht sagen würden, dass wir ihn nicht haben wollen, würden wir das hinterher sicher sehr bereuen.
Denn so harmlos, wie die NPD tut, die uns heute eher heimsucht als besucht, ist sie nicht. Diese als Sommerreise scheinbar harmlos daherkommende Deutschlandtour hat die alten, bekannten Parolen im Gepäck.
Da geht es um ein menschenverachtendes Bild von Asylbewerbern und es geht um die einfachen Antworten in einer sehr komplizierten Wirtschaftskrise, in der wir uns derzeit in Europa befinden.
Es kann doch wirklich nur ein äußerst schlechter Witz sein, dass ausgerechnet die Nazis über den kompetenten Sachverstand verfügen sollen, um Deutschland und Europa aus der Krise zu führen. Darüber hinaus kann keine Wirtschaftskrise rechtfertigen, braunen Rattenfängern auf den Leim zu gehen. Das ist eine der Lehren aus der Geschichte des letzten Jahrhunderts.
Dass es der NPD an sozialer Kompetenz fehlt, die Fragen des Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen richtig zu beurteilen, ist gemeinhin bekannt.
Liebe Bochumerinnen und Bochumer, was will die NPD dann hier?
Sie will provozieren, so wie es Pro-NRW im Landtagswahlkampf vor den Moscheen gemacht hat. Wir werden uns aber nicht provozieren lassen. Wir werden laut und deutlich und gewaltfrei demonstrieren, dass wir sie in Bochum nicht haben wollen. Schon gar nicht auf unseren Plätzen in der Innenstadt, die wir nach aktiven Widerstandskämpfern aus der Nazizeit benannt haben.
Da wäre zuerst Fritz Husemann zu nennen, auf dem nach ihm benannten Platz die NPD heute ihre Kundgebung abhalten darf. Husemann war SPD-Reichstagsmitglied bis 1933 und Bergarbeiterführer, er ist von den Nazis im KZ Esterwegen ermordet worden.
Oder gehen wir ein paar Meter nach Westen, auf den Springerplatz. Benannt nach Karl Springer. Er war Mitglied im Bochumer Stadtrat, ein aktiver kommunistischer Antifaschist. Springer ist von den Nazis in Bochum zu Tode gefoltert worden.
Oder gehen wir in die andere Richtung, auf den Dr.-Ruer-Platz. Dr. Otto Ruer, war parteiloser Oberbürgermeister in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Bochum, von den Nazis abgesetzt, drangsaliert und in den Tod getrieben.
Oder nehmen wir unseren Rathausplatz, den Willy-Brandt-Platz, benannt nach dem sozialdemokratischen Bundeskanzler, der in der Nazizeit außer Landes ging und sich dem norwegischen Widerstand gegen das Hitlerregime anschloss. Dem einzigen Bundeskanzler, der bislang für seine spätere Politik mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Liebe Bochumerinnen und Bochumer, die warnenden Stimmen kommen allerdings nicht nur aus der Vergangenheit. Wer dieser Tage aufmerksam die Tageszeitungen liest, kam um die Meldung nicht herum, dass die politischen Straftaten aus dem rechten Milieu in Bochum zunehmen. Und dabei geht es nicht nur um vermeintlich harmlose Schmierereien an Häuserwänden, sondern vermehrt auch um rechte Gewalt an politisch Andersdenkenden und auch an völlig unbeteiligten Bürgern.
Und wenn man dann die bundesweite Berichterstattung über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und die neun Morde liest, die das Trio der sog. Zwickauer Zelle begangen hat, dann weiß man, dass man gar nicht früh genug aufstehen kann, um gegen rechte Umtriebe zu demonstrieren und ihnen die Stirn zu bieten.
Ich bin daher sehr froh, dass es das Bündnis gegen Rechts in Bochum gibt und dass wir aus diesem Bündnis heraus mit allen beteiligten demokratischen Parteien und Organisationen, Gewerkschaften und antifaschistischen Gruppen diese Gegendemo kurzfristig auf die Beine stellen konnten.
Ich bin sehr froh und es ist für Bochum beruhigend, dass wir durch die Netzwerkstruktur dieses Bündnisses sehr früh von nationalen Umtrieben in unserer Stadt erfahren und angemessen reagieren können, wenn es um die Aufdeckung von nationalen Umtrieben geht, die beginnen, sich zu bilden.
Und ich bin froh, dass Sie heute hier sind und als Bochumerinnen und Bochumer ebenfalls Flagge zeigen gegen rechts und ihre Stadt nicht den Nazis überlassen wollen. Unser aller Engagement ist gefragt, und deshalb ist es gut, dass wir hier sind.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Die Rede wurde nicht gehalten. Siehe: Ungehaltene Reden

 


Mittwoch 18.07.12, 22:00 Uhr

Eine verschwundene Meldung

Die auf bo-alternativ.de zitierte Meldung der Polizei wurde aus dem Presse-Portal der Polizei entfernt. Die Meldung sah folgendermaßen aus:


16.07.2012 | 10:20 |Polizei Bochum
POL-BO: Bochum/“Böhser Onkel was here“ – Hakenkreuzschmiererei am Kriegerdenkmal

Bochum (ots) – Am 13.7.2012 wurde durch einen Passanten eine Hakenkreuzschmiererei an einem Kriegerdenkmal in der Parkanlage an der Ahbachstraße in Bochum festgestellt. Der Mann informierte gegen 15 Uhr telefonisch die Polizei. Das Ehrenmal liegt an einem Fußweg, der neben dem Wohnhaus Ahbachstraße 28 beginnt und in das Grüngelände führt. Unbekannte Täter hatten mit roter Farbe auf der Bodenpflasterung vor dem Denkmal ein Hakenkreuz geschmiert. Auf dem Denkmal wurde mit gleicher Farbe der Schriftzug, „Böhser Onkel was here“, aufgebracht. Der Bochumer Staatsschutz (KI ST) hat die Ermittlungen aufgenommen und bittet unter der Rufnummer 0234/909-4505 (-4441 außerhalb der Geschäftszeit) um Täter- und Zeugenhinweise.


Die von der Polizei gelöschte Meldung ist noch (18. 7. 2012, 22.00 Uhr) zu finden unter: http://regionales.t-online.de/bochum-boehser-onkel-was-here-hakenkreuzschmiererei-am-kriegerdenkmal/id_57969994/index

 

 


Ratsbeschluss vom 09.03.2011
Dienstag 12.06.12, 21:38 Uhr
Entwicklung des ViktoriaQuartierBochum

Realisierung des „Musikzentrum Bochum“ 2

1. Der Rat beschließt die Realisierung des „Musikzentrums Bochum“, als Bestandteil und Schlüsselprojekt für die Entwicklung des kulturell-städtebaulichen Entwicklungsprojekts ViktoriaQuartierBochum, das einen Bochumer Beitrag zum regionalen Entwicklungskonzept „Kreativ.Quartiere RUHR“, zum „Konzept Ruhr“ bzw. zur Erfüllung des anstehenden regionalen „Masterplans Kulturmetropole Ruhr“ des Regionalverbandes Ruhr für die Städte des Verbandsgebietes darstellt.
Dieser Beschluss gilt unter folgenden auflösenden Bedingungen:
Zum einen, dass die Finanzierungsanteile aus EU-/Bundes-/Landesförderung über insgesamt 16.528.000 Euro und der Spenden-Mittel durch die „Stiftung Bochumer Symphonie“ (ggf. ergänzt durch Sponsorenmittel) i. H. v. mindestens 14.300.000 Euro rechtssicher zur Verfügung stehen und die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für den städtischen Finanzierungsanteil vorliegen und dass zum anderen ein Raumprogramm entwickelt, ein Wettbewerbsergebnis erzielt und eine Planung vorgelegt wird, die im vorgegebenen Kostenrahmen zu realisieren sind.

Die planungs- und baurechtlichen Voraussetzungen sind unmittelbar zu schaffen.

2. Für die erforderliche Planung und die anschließende Realisierung stellt die Stadt Bochum einen kommunalen Eigenanteil in Höhe von 2.400.000 Euro bereit. Die unter PSP Element 1.25.09.02.01 etatisierten und priorisierten investiven Mittel für die Verwirklichung des ehem. Projekts „Marienkirche“ der Haushaltsjahre 2011 und 2012 werden dem Projekt „Musikzentrum“ zugeordnet. Es ist sicher zu stellen, dass auch die Ingenieur- und Architektenleistungen förderfähig und im Finanzvolumen abgedeckt sind.

3. Die gebäudebezogenen Kosten des Musikzentrums in Höhe von 650.000 € jährlich sind innerhalb der für die Marienkirche konsumtiv veranschlagten Betriebskosten in Höhe von 500.000 € jährlich sowie Einsparungen bei den Betriebskosten der Bochumer Symphoniker in Höhe von 350.000 € jährlich sicherzustellen.

4. Das kulturelle Nutzungskonzept für das Musikzentrum auch als Spiel- und Probenstätte der Bochumer Symphoniker und als „Forum für musikalische Bildung“ der Bochumer Musikschule und weiterer kultureller Anbieter und Produzenten wird Grundlage des Betriebs. Das Zentrum dient der gemeinnützigen Förderung von Musik, kultureller Bildung und Wissenschaft.
Im Rahmen des Gesamtkonzeptes ist der künstlerische Betrieb des großen Saales durch die Bochumer Symphoniker sicher zu stellen.
Darüber hinaus bietet der multifunktionale Saal weiteren Raum für unterschiedliche kulturelle und Bildungsangebote. Im Übrigen soll geprüft werden, ob es möglich ist, dass auch kommerzielle Veranstaltungen zur Kostendeckung vorgesehen werden können.

5. Zur Realisierung dieses Projekts erwirbt die Stadt Bochum entsprechend dem Beschluss aus April 2009 durch den Haupt- und Finanzausschuss (Vorlage Nr. 20083225) die Liegenschaft „Marienkirche“ zu den bereits vereinbarten Konditionen.

6. Für den Bau des Musikzentrums führt die Stadt Bochum einen EU-weiten Realisierungswettbewerb mit begrenzter Teilnehmerzahl mit Ankündigung eines anschließenden VOF-Verhandlungsverfahrens zur Vergabe des Planungsauftrages durch.

7. Mit diesem Beschluss hebt der Rat die bisher gefassten Beschlüsse zur Realisierung eines Kammermusiksaals in der Marienkirche sowie zur Errichtung einer Spielstätte für die Bochumer Symphoniker auf.

8. Für die Realisierung des Musikzentrums ist ein Verfahren festzulegen, das sicherstellt, dass im gegebenen Kostenrahmen für diese Zwecke vollständig ausgestattete Gebäude entstehen.

9. Da das Musikzentrum auch in hohem Maße als eine Einrichtung der kulturellen Bildung fungiert, legt die Kulturverwaltung im Verlauf des Jahres 2011 einen Bericht über die Aktivitäten zur kulturellen Bildung in Bochum sowie ein „Handlungskonzept kulturelle Bildung“ als Strategierahmen mit Darstellung der Zukunftsperspektiven und Handlungsoptionen für diesen Bereich zur Beschlussfassung vor.

10. Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob es möglich ist, einen Betreiber für das „Musikzentrum Bochum“ zu suchen, der wie z.B. die Bochumer Veranstaltungs- GmbH, über genügend Erfahrung im Veranstaltungsbereich verfügt, um das Bochumer Musikzentrum bestmöglich zu vermarkten und so den Zuschussbedarf zu den Betriebskosten zu minimieren.


Montag 09.04.12, 14:41 Uhr
Ostermarsch in Bochum Werne am 9. 3. 2012:

Rede von Wolfgang Dominik, VVN-BdA

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Entweder schaffen wir die Rüstung oder die Rüstung schafft uns ab!
Mir sind für meine Rede 5-7 Minuten gegeben worden. Das sind 300 bis 420 Sekunden. In jeder Sekunde, die ihr mir zuhört, werden allein von dem Land, dessen Präsident Friedensnobelpreisträger ist, 250.000 Dollar für Rüstung ausgegeben. Wenn ich hier fertig bin, werden ca. 10 Millionen Dollar für die Kriege und Kriegsvorbereitungen der NATO, also für die Vernichtung von Mensch und Natur, ausgegeben worden sein.
Ich möchte  eine Rede meines großen Lehrers Helmut Gollwitzer aktualisieren..
(Für die Jüngeren unter euch: H.G. ist 1993 gestorben, er war evangelischer Theologieprofessor und einer von denen, die gegen die Remilitarisierung der BRD und gegen die Notstandsgesetze kämpfte, er war ein radikaler Antimilitarist und selbstverständlich Antifaschist.)
Im Jahre 2020 oder vielleicht auch 2030 oder erst 2040  werden vernunftbegabte Lebewesen aus irgendeinem fernen Sonnensystem auf unserer Erde landen. Und diese Erde wird wüst und öde (hebr.: Tohu wa bohu, so in 1. Mose 1, 2a) sein.
Archäolog_innen der Gelandeten werden aber bald viele Spuren finden, die auf die ehemaligen Bewohner des zerstörten Planeten Erde verweisen. Und sie werden feststellen, dass ein Teil dieser Bewohner Lebewesen waren, die sich Menschen nannten. Die Menschen hätten alle Möglichkeiten gehabt, auf diesem ehemals fruchtbaren Planeten ein gutes Leben zu führen. Die Besucher_innen aus dem Weltall werden fragen, warum  die Menschen sich kollektiv ausgerottet haben und alle Lebensmöglichkeiten auch anderer Lebewesen offensichtlich völlig bewusst zerstört haben.
In verschütteten Zeitungsarchiven, Uni- und Stadtbibliotheken, in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, vielleicht auf euren Computern,  werden die neugierigen Fremden noch unzerstörte Dokumente finden, die beweisen, dass allein im Jahre 2012, als die Erde noch von den sog. Menschen bewohnt war, 1,5 Billionen Dollar,  für Vernichtungsinstrumente ausgegeben worden sind. Das ist eine Zahl mit 12 Nullen:1.5 000.000.000.000. Allein ein Land, das USA hieß, hat zusammen mit einem Kontinent, der Europa hieß und zu dem ein Land mit Namen Deutschland gehörte,  75%  davon zur Vernichtung von Menschenleben ausgegeben, also grob gerechnet 1,1 Billionen Dollar. Die nannten sich westliche Wertegemeinschaft oder Freie Welt oder einfach internationale Gemeinschaft und Hüter der Demokratie und Freiheit.  Hingen die Kriege und Kriegskosten  eigentlich mit der wachsenden Armut in allen Ländern zusammen? Hunger, Unbildung, Hass sogar auf die Nachbarn wuchs mit jedem Euro oder Dollar, der für Kriege ausgeben wurde. Manche der Nachbarn im eigenen Land wurden von Neofaschisten – unter dubioser Beteiligung von Inlandgeheimdiensten – umgebracht. ..

Und jede(r)  wusste das!
Experten der Lebewesen aus dem Weltall  rechneten aus, dass 2012 ca. 20.000 einsatzbereite Atombomben bei den Atommächten lagerten.
Dazu kamen unübersichtlich große Mengen an biologischen und chemischen und sog. konventionellen Waffen.
Damit konnte jeder der ehemaligen Erdenbewohner 5000 Mal getötet werden. Aber das war nicht genug, „man“ rüstete“ kräftig weiter!
Und in einer großen Tageszeitung, damals WAZ genannt, konnte „man“ am 3. 4. 2012 lesen, dass die USA „gute Chancen sehen, Atomangriffe zu überleben“. Würde es doch bei einem Angriff auf ihre Hauptstadt nur 45.000 Tote und 300.000 Verletzte geben!
Die Forscher-innen aus dem Weltall konnten sich nicht erklären, dass ein Land namens Bundesrepublik Deutschland ohne jemals danach gefragt worden zu sein von einem anderen Land namens USA eine Kommandozentrale für Atombombenerstschläge, genannt Raketenabwehrschirm, mitten ins Land gesetzt bekam. Damit machte die damals sog. Bundesregierung das eigene Land im Kriegsfall zum Angriffsziel Nr. 1.
Die Menschen in dem Land wussten das alles, verfügten sie doch  damals mit dem Internet  über durchaus  moderne Mittel, um alles erfahren zu können. Allein in den Reden, die jedes Jahr zu Ostern in Bochum-Werne vor dem Brühmann-Haus gehalten wurden, waren doch unheimlich viele Informationen enthalten. Und im weltweiten Netz konnte man unter dem Link Friedensplenum bei www.bo-alternativ.de nicht nur diese Reden, sondern auch ganz viele andere erschreckende Tatsachen über Kriege und Kriegsplanungen nachlesen. Auch auf den Seiten www.vvn-bda-bochum.de kann „man“ vieles nachlesen. Aber es stand auch alles einfach in den Zeitungen oder wurde im Fernsehen mitgeteilt. Oder in den kostenlosen Weißbüchern der Bundesregierung zur damals sog. Verteidigungspolitik.
Waren diese sog. Menschen alle von einem Selbsttötungswahn besessen?, fragten die Forscher_innen aus dem Weltall.
Ja, war ihre Antwort, denn in sog. freien Wahlen wählten die damaligen Menschen seltsamerweise in allen Ländern die Parteien, die noch mehr Kriege versprachen, die damit auch noch mehr Armut versprachen. Und oft genug predigten sie den Hass auf die Nachbarn, nebenan oder nebenan in anderen Ländern.
Genau diese Lebewesen damals in den USA und Europa glaubten meist an eine Religion, die sich Christentum nannte und dessen Gründer, ein gewisser Jesus von Nazareth war. Der predigte  Nächstenliebe und den Frieden als höchstes Gut  und dass keiner den anderen töten oder mit dem Tode bedrohen sollte. Was hätte dieser Jesus eigentlich zu seinen später lebenden Gläubigen gesagt, wenn er die  gerade genannten Fakten gehört hätte?
Damals hungerten auf der Erde  mindestens 2 Milliarden Menschen, 1 Milliarde hatte überhaupt keinen Zugang zu einem Lebensmittel genannt „sauberes Wasser“. Überall auf der Erde herrschte Armut, aber ganz wenige  besaßen fast alle Reichtümer. Und alle anderen Menschen wussten das! Und so genannte christliche Politiker, die z.T. sogar in Parteien organisiert waren, die sich christlich nannten, predigten jeden Tag im Fernsehen: Menschenrechte, Menschenrechte, Menschenrechte und sorgten gleichzeitig dafür, dass jede Sekunde 2 Kinder verhungerten und 10.000 Menschen allein in kurzer Zeit auf Kommando der christlichen Politiker_innen im Mittelmeer verhungerten oder ertrinken mussten, nur weil sie ihre von den  Staaten des westlichen Wertesystems verwüsteten Länder verlassen wollten.
Forscher-innen aus dem Weltall fragen: Allen Menschen wurden alle Kriegskosten und Kriegsfolgen dauernd im Fernsehen, im Internet, in den Zeitungen mitgeteilt, nichts war geheim!. Dass  andauernd damals auf der Erde, auch wenn kein Krieg war, durch die sog. freie Marktwirtschaft viele Millionen Menschen zum Hungertod verurteilt wurden, störte offensichtlich auch  niemanden „in der westlichen Wertegemeinschaft“ ernstlich. Und die Forscher-innen aus dem Weltall fragten sich: Was waren eigentlich die Werte der Wertegemeinschaft? Krieg? Rüstung? Andere Menschen  im Kriege vernichten? Und eine ausschließlich auf die Profite ganz weniger angelegte Wirtschaft?
Auf alle diese Fragen fanden die klugen Lebewesen aus dem Weltall nur widersprüchliche oder gar keine Antworten.
Ihr könnt jetzt auf dem Ostermarsch nach Dortmund versuchen, die Antworten euch gegenseitig zu geben und diese Rede ergänzen, der Gollwitzer die Überschrift gegeben hat:
Entweder schaffen wir die Rüstung ab oder die Rüstung schafft uns ab.
Ich danke euch!


Montag 09.04.12, 14:36 Uhr
Ostermarsch in Bochum Werne am 9. 3. 2012:

Rede von Elke Koling, IPPNW

Wie schon bei vorangegangenen Ostermärschen  interessiert mich das Thema Computerspiele und ihre friedenspolitische Bedeutung weiterhin.  Während ich mich sonst eher damit beschäftigt habe,  was Computerspiele mit und in den Köpfen der Menschen machen, dass bringt mein Beruf als Neurolgin auch eher mitsich, möchte ich heute mehr darauf eingehen, wie  virtuelle Spiele ganz konkret zur Kriegsvorbereitung genutzt werden und wie Armee und Spieleproduzenten, ja selbst die Rüstungsindustrie voneinander profitieren. Ich wurde durch das neueste Dossier  der  Zeitschrift Wissenschaft und Frieden dazu angeregt,  besonders der Artikel von  Michael Schulze von Glaßler hat mir so gut gefallen, dass ich ihn schwerpunktmäßig  für meine Rede  nutzen möchte.
Da ich Mutter von 5 Kindern bin, bekomme ich drastischer die Auswirkungen und die Normalität von Computerspielen mehr mit, als viele von Euch. Nach ganz normalen Silvesterfeiern mit wirklich netten Freunden und deren Kindern, stellen wir plötzlich fest, dass diese Kinder den ganzen Abend Battlefield, darauf gehe ich gleich noch ein, gespielt haben, wahrscheinlich wegen des brauchbaren Arbeitsspeichers unseres Laptops.  Wirklich korrekte Freunde unserer Söhne statten ihr Schüler-VZ Profil mit Call of duty Logos aus.
Dazu muss man sich klar machen: In Deutschland wurde 2010 1,86 Milliarden Euro für virtuelle Spiele ausgegeben, das sind 3% mehr als im Vorjahr.  Etwa 22 Millionen Deutsche spielen diese Spiele. Das neu entwickelte Spiel Batterfield 3, ein so genanntes Ego-Shooter-Spiel, auf das ich gleich noch einmal zu sprechen komme,  wurde von seinem Erscheinen am 28.10.2011 bis zum 11. November in der Bundesrepublik 500.000 Mal verkauft.
Was ist aber das Problem an solchen Spielen. Vielfach wurde in den Medien zu Recht, die in den meisten Spielen dargestellte Gewalt angeprangert, insbesondere war dies immer wieder  Thema im Zusammenhang mit Amokläufen. Was bisher wenig diskutiert wurde ist die politische Aussage und der politische Zusammenhang, in dem solche Spiele stehen Das  ist aber mindestens ebenso besorgniserregend.  Dazu werde ich im folgenden ein paar Beispiele nennen.

1. Westliche Spiele mit westlichen Feindbildern
Michael Schulze von Glaßer bezeichnet  die Hersteller der Spiele als westliche Hersteller , alternativ könnte man zu westlich auch Spiele produziert in Europa und den USA sagen.
Video- und Computerspiele werden überwiegend von westlichen Firmen und fast ausschließlich für den westlichen Markt entwickelt und erzählen ihre  Geschichten fast nur aus dieser Sicht.
Ein Beispiel  dazu ist das Spiel Batterfield 3, was ich bereits oben erwähnte. Hier wird der Spieler in einen US-Soldaten im Jahre 2014 versetzt, der im Irak gegen dort einmarschierte paramilitärische  iranische Truppen kämpft. Im Verlauf des Spieles stürmen dann US-Soldaten u.a. Teheran.  In der Wüste vernichten, US-Panzer iranische Truppenverbände usw. Das  Spiel  erschien  im Herbst letzten Jahres.  Politische Zusammenhänge zur Weltpolitik ergeben sich leicht.

2. Propaganda und Nutzung zukünftiger Waffensysteme
Bei den Computerspielen benutzen die Entwickler reales Militärgerät, wobei auch deutsche Waffen, einschließlich entsprechender Firmenlogos, z. B. von Rheinmetall immer wieder im Einsatz sind. Bekommt der Bürger sonst große Kampfgeräte wie Kampfflugzeuge, Panzer etc. kaum zu sehen, darf er in den Spielen direkt ins Cockpit einsteigen.  Die Begeisterung oder zumindest fehlende Kritik an High-Tech Waffen lässt sich leicht ableiten. Im Luftkampf-Spiel  „H.A.W.X:2“ zum Beispiel  ist  auch der Eurofighter der in der Nähe von München bei der Eurofighter Jagdflug GmbH produziert wird im Einsatz.

3. Software für Soldaten
„Gute Videospiele“ liefern als Nebeneffekt auch ideale Übungssoftware für Soldaten.
Die inzwischen in Frankfurt angesiedelte Crytek GmbH hat bereits 1999 sogenannte EgoShooter Spiele entwickelt. Besonders gelobt (einschließl. entsprechender  Auszeichnungen)  wurden sie für ihre virtuelle akustische, physikalische und optische Darstellung. Diese Software wird inzwischen u.a. von den US-Militärkonzernen Lockeed Martin und Intelligent Decision genutzt. Die Schlachtfelder im Trainingssimulator werden mithilfe der oben genannten Firma entworfen. Das Projekt kostet etwa 57 Millionen US Dollar.
Es gibt weitere zahlreiche ähnliche Beispiele.

4. Die Bundeswehr in virtuellen Spielen.
Seit die Bundeswehr zunehmend an Kampfhandlungen und Auslandseinsätzen beteiligt ist, kommt sie auch zunehmend in virtuellen Spielen zum Einsatz.
Im Jahre 2011 erschien das Spiel „ Ace Cobant: Assault Horizon“ . In diesem Spiel kann der Spieler mit Eurofighter Kampfjets samt Bundeswehr-Logo auf die Jagd  nach Feindlichen Flugzeugen gehen.
Im Strategiespiel „Wargame-European-Escalation“, was 2012 erscheinen soll, wird der Spieler mit Leopard-Kampfpanzern und Marder-Schützenpanzern der Bundeswehr in einen Krieg geschickt.
Müssen wir als Friedensbewegung in diesem Zusammenhang nicht ganz neu und vehement fordern „Kein Kriegsspielzeug in Kinderhände“ und müssen wir vielleicht sogar fordern „kein Kriegsspielzeug in Erwachsenenhände“, damit der Gedanke von Frieden und Versöhnung als Normalität weiter tragfähig bleibt?

Frohe Ostern!


Montag 09.04.12, 14:32 Uhr
Ostermarsch in Bochum Werne am 9. 3. 2012:

Rede von Felix Oekentorp, DFG-VK NRW

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

es ist schön, dass sich auch heute wieder dem Wetter zum Trotz so viele hier versammelt haben. Nicht nur hier und heute wird an Ostern für den Frieden demonstriert, an vielen Orten in Deutschland wird zu Ostern für den Frieden marschiert. Auf zwei Ostermärsche möchte ich heute gern verweisen: Der Ostermarsch in Jülich steht unter dem Motto „Nie wieder Krieg – nie wieder Atomkraft!“. Die TeilnehmerInnen in Jülich treten ein:

– Für die Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!

– Gegen zivile und militärische Nutzung der Atomkraft!

– Und sie fordern: Westcastoren absagen!

Ich denke, hinter diesen Forderungen stehen wir hier auch.

Und wer erinnert sich nicht an letztes Jahr, wo die Anti-AKW-Bewegung am Ostermontag zum 25. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl eine Demo in Gronau an der Urananreicherungsanlage vorbereitet hatte und ungewollte Mobilisierung durch die Katastrophe von Fukushima erhielt.

Dort, in Gronau ging es letztes Jahr um die Beendigung der Urananreicherung, den Stopp der Atomtransporte, um das Stilllegen der Atomanlagen und um das Vernichten der Atomwaffen wie es der Aufruf benannte. Wir haben selber an den beiden ersten Tagen des Ostermarsch Rhein Ruhr noch Bustickets für die Fahrt nach Gronau verkauft, um auch dort zum Gelingen beizutragen.

Es braucht weiterhin, auch nach dem Lippenbekenntnis der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Atomenergie nach wie vor den Druck der Straße. Mitte März, zum ersten Jahrestag der Katastrophe von Fukushima gab es eine mächtige Demo in Gronau, aber auch in anderen Bundesländern so in Brokdorf, Grundremmingen, Neckarwestheim – um nur einige zu nennen – wurde für den Ausstieg demonstriert.

Warum ist der Widerstand gegen die „zivile“ Nutzung der Kernenergie ein originäres Thema für Friedensbewegte? Sind die Friedensfrage und der Atomausstieg nicht völlig verschiedene Themen die unzulässigerweise miteinander verknüpft werden? NEIN, das ist nicht der Fall! Zivile und militärische Nutzung von Kernenergie sind zwei Seiten der selben Medaille.

Und so ist es auch das Anliegen der Demo in Jülich, darauf hinzuweisen, dass in Jülich neben dem Atomforschungsreaktor eine weitgehend unbekannte Firma ETC an Zentrifugentechnologie forscht und Zentrifugenteile fertigt. (http://www.enritec.com)

Zentrifugen, wir haben das spätestens bei den massiven Vorwürfen, ja Kriegsdrohungen gegen den Iran gelernt, dienen der Anreicherung von radioaktivem Uran auch zum Zweck der militärischen Nutzung. Je höher angereichert das Uran ist, desto waffenfähiger ist es. (Ab einem Anreicherungsgrad von 20% ist es grundsätzlich zwar möglich, damit Kernwaffen zu bestücken, aber eigentlich spricht man erst ab einem Anreicherungsgrad von 85 % von Kernwaffenfähigem Uran.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

mit der Entscheidung der Bundesregierung, des Bundesrats und des Bundestages vom Sommer letzten Jahres, aus der zivilen Nutzung der Kernenergie auszusteigen und die Laufzeitverlängerung rückgängig zu machen ist ein kleines Zeichen gesetzt, wenn auch nur in Deutschland. Wirklich entschieden ist bislang letztlich noch gar nichts. Dieser Ausstieg muss schnellstmöglich, also nicht mit einer Verzögerung von weiteren 10 Jahren und unumkehrbar erfolgen und so vorbildlich dass sich auch andere Staaten daran orientieren können und wollen.

Nicht nur aus der zivilen sondern auch aus der militärischen Nutzung wollen wir aussteigen. Hier in Deutschland werden noch immer Atomwaffen gelagert. In Büchel, RLP, ca 150 km von hier im Fliegerhorst befinden sich unter US-Aufsicht etwa 20 Atomwaffen mit einer Sprengkraft die einem vielfachen der Bombe von Hiroshima entspricht. Diese müssen abgezogen und vernichtet werden.

Heute findet deshalb auch ein Ostermarsch an diesem Fliegerhorst in Büchel statt. Dieser fordert von der Bundesregierung

– sich für die weltweite Ächtung aller Atomwaffen einzusetzen und einen verbindlichen Abrüstungsvertrag zu unterstützen,

– einer Modernisierung der in der Bundesrepublik gelagerten US-Atomwaffen nicht zuzustimmen,

– sondern den Bundestagsbeschluss zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland endlich umzusetzen.

Ich denke, auch diesen Forderungen schließen wir uns gerne an!


Offener Brief an die gewählten Parlamentarier*innen der Grünen Hochschulgruppe im 45. Studierendenparlament (SP) der Ruhr-Uni Bochum
Freitag 17.02.12, 11:40 Uhr
Bochum, den 17. Februar 2012

Liebe Freundinnen und Freunde, 4

wir schreiben euch als Studierende der Ruhr-Uni, und als Kandidat*innen der Grünen Hochschulgruppe bei den vergangenen Wahlen zum Studierendenparlament. Wir sind auf der Liste der GHG angetreten und haben sie im Wahlkampf unterstützt, um die bestehende AStA-Koalition aus Grüner Hochschulgruppe, Linker Liste (LiLi) und der Liste Schöner Wohnen in Bochum (SWIB) zu stärken, und um dazu beizutragen, dass sie ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen kann. Wir haben uns im Bewusstsein dessen für eine Kandidatur entschieden, dass die Mitgliederversammlung der Grünen Hochschulgruppe beschlossen hat, dass die Fortsetzung des bestehenden Bündnisses angestrebt wird. Als wir am Abend der Wahlauszählung erfahren haben, dass die Wähler*innen die Arbeit der Koalition mit deutlichen Gewinnen der AStA-tragenden Listen belohnt haben, haben wir mit euch gefeiert.
Mit sehr großer Verwunderung haben wir nun allerdings erfahren, dass die Grüne Hochschulgruppe bis heute, drei Wochen nach der Wahlauszählung, noch immer keine Koalitionsverhandlungen mit ihren bisherigen Bündnispartnerinnen aufgenommen hat – und zwar, weil es in den Reihen der Grünen Hochschulgruppe offenbar Mitglieder gibt, die darüber nachdenken, die bestehende Zusammenarbeit aufzukündigen. Über diese Entwicklung sind wir mehr als bestürzt.
Solltet ihr, die das betrifft, jetzt tatsächlich darüber nachdenken, das Weiterbestehen eines grün-linken AStAs mit euren Stimmen im Parlament zu verhindern, und stattdessen der Liste NAWI und Juso HSG in den AStA zu verhelfen, dann hättet ihr das vor der Wahl sagen müssen.
Dann wären wir nicht mit euch gemeinsam angetreten. Wir hätten euch nicht im Wahlkampf unterstützt, und wir hätten auch nicht unseren Mitstudierenden und unseren Freund*innen empfohlen, diese Liste zu wählen. Hättet ihr euer jetziges Verhalten angekündigt, wären wir nicht auf die Idee gekommen, Leuten zu empfehlen, unserer gemeinsamen Liste ihre Stimme zu geben, wenn sie verhindern wollen, dass Gruppen wie die NAWI Einfluss auf die Ausrichtung der Studierendenschaft gewinnen.
Wir haben uns auf die Aussagen im Vorfeld der Wahl und die Beschlussfassung der Grünen Hochschulgruppe verlassen. Solltet ihr nun trotz alledem das bestehende und in unseren Augen gut funktionierende AStA-Bündnis aufkündigen – und zwar sogar noch bevor ihr ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit LiLi und SWIB geführt habt – dann wäre das nicht nur eine massive Täuschung der Wählerinnen und Wähler. Es wäre auch ein massiver Vertrauensbruch uns gegenüber. Es wäre ein politisch untragbares Verhalten, sich auch mit unserer Unterstützung in Ämter wählen zu lassen, und dann das Gegenteil von dem zu tun, wovon im Vorfeld aufgrund der Beschlüsse und Informationslage alle ausgehen mussten. Ihr würdet dem Ansehen der Grünen Hochschulgruppe, allen mit uns verbundenen Gruppen und Initiativen sowie der Glaubwürdigkeit von Hochschulpolitik an der Ruhr-Uni insgesamt nachhaltig schaden.
Deswegen fordern wir euch eindringlich auf: Nehmt endlich Koalitionsverhandlungen mit unseren bisherigen Bündnispartnerinnen LiLi und SWIB auf, und verhandelt im Sinne der Studierenden und unserer inhaltlichen Wahlkampfaussagen. Sorgt mit dafür, dass es weiterhin einen grünen, linken, emanzipatorischen und internationalistischen AStA gibt. Alles andere hättet ihr im Vorfeld ankündigen müssen. Die Täuschung unserer Wähler*innen, unserer Wahlkampfhelfer*innen und nicht zuletzt auch die Irreführung von uns als euren Mitkandidierenden ist keine Option. Ihr habt es in der Hand.

Chantal Stauder, bsz-Redaktion, Listenplatz 23
Nadine Hemgesberg, bsz-Redaktion, Listenplatz 35
Antje Westhues, AStA-Sozialberaterin, Wahlausschussmitglied
Hauke Hoth, Interessengemeinschaft behinderter Studierender, Listenplatz 22
Deniz Bulan, Autonomes Schwulenreferat, Listenplatz 28
Dennis Paliga, Autonomes Schwulenreferat, Listenplatz 14
Anne Reisenweber, studentische Gleichstellungsbeauftragte, Listenplatz 31
Rita Thiessen, ehm. studentische Gleichstellungsbeauftragte, Listenplatz 27
Judith Schwittek, Haushaltsausschussmitglied, Listenplatz 25
Sophia Heinrich, Listenplatz 13
Benedikt Wildenhain, Listenplatz 58
Linda Dembowski, Listenplatz 57
Alexander Fall, Listenplatz 88
Ingmar Wichert, Listenplatz 44
Thorben Pelzer, Listenplatz 54
Lasse Wichert, Listenplatz 68
Tobias Müller, Listenplatz 70
Hendryk Hollbeck, Listenplatz 78
Ursula Dreier, Listenplatz 69
Nico Berg, Listenplatz 42
Daniel Paeben, Listenplatz 60
Patrick Behr, Listenplatz 56
Andrea Schaumlöffel, Listenplatz 63


Stellungnahme des ver.di-Fachbereichs Handel zu Sonntagsöffnungen 2012
Dienstag 24.01.12, 08:00 Uhr

Bedenkliche Umgehensweise

Sehr geehrter Herr Wendt,
vor fast genau einem Jahr haben wir eher unaufgefordert in unserem Schreiben vom 04.03.2011 an Frau Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz unsere Position zu verkaufsoffenen Sonntagen dargestellt. Wir schrieben von der bedenklichen Umgehensweise mit dem LÖG NRW. Weder der Antrag noch der Ratsbeschluss wurden dem Schutz-und Einschränkungscharakter des Gesetzes gerecht. Möglichkeiten der Begrenzung wurden nach Umdeutung zur Ausweitung von Sonntagsöffnungen verwendet.
Auch in 2011 wiesen wir auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Handel hin. Diese waren und sind geprägt von Existenzangst und Angst die eigene Meinung zu sagen (es sei denn, sie stimmt überein mit den Arbeitgebern und deren Vertreter).
Die Existenzangst ist nach wie vor begründet. Die immer mehr abgeforderte Flexibilität bringt für viele, vor allem weibliche Beschäftigte, die Angst Leben und Beruf nicht mehr „unter einen Hut“ zu bringen. Die Leittragenden sind Kinder und Familien.
Existenzangst erzwingt auch Zustimmung. Zustimmung zu immer mehr prekären Arbeitsverhältnissen. Verzicht und Mehrbelastung für den vermeintlichen Erhalt des Arbeitsplatzes, Verzicht auf Arbeitsstunden (immer mehr Teilzeitbeschäftigung, immer mehr Minijobs), Verzicht auf tarifliche Bezahlung und die Anwendung anderer  tariflicher Standards. Nur eine Spitze des Eisberges ist bekannt, wenn wir von Armut bei Vollbeschäftigung reden. Es ist obsolet Dumpinglöhne bis zu 3,50€ zu hinterfragen. Es gibt sie nicht nur bei Tankstellen und Trinkhallen sondern auch kleine und mittlere Unternehmen bis zu großen Konzernen machen vor derartiger Ausbeutung nicht Halt (dies alles unter unseren Augen, „Kunde König“ interessiert dies schon gar nicht).
Existenzangst erzwingt auch immer mehr befristete Arbeitsverträge. Es ist keine Seltenheit, dass Menschen weit über 10 Jahre befristet beschäftigt werden. In vielen Fällen könnten Betroffene sich wehren. Die Existenzangst verhindert dies. Nicht nur Altersarmut ist eine zwangsläufige Folge.
Schon heute, bei Vollzeitbeschäftigung geraten Menschen so in die Nähe der Armutsgrenze.
Seit zwölf (12)  Jahren sind die Tarifverträge des Einzelhandels und des Großhandels nicht mehr allgemein verbindlich. In dieser Zeit öffnete sich die Schere zwischen noch tarifgebundenen und nicht gebundenen Beschäftigten bei den Löhnen um mehr als 17%. Urlaubs- und Weihnachtsgeld entfielen ganz oder wurden nur noch anteilig gezahlt. Rechnen wir noch die nicht mehr gezahlten Zuschläge für Nachtarbeit, Spätöffnungsarbeit, Mehrarbeit und Feiertags- und Sonntagsarbeit, vermögenswirksame Leistung und tarifliche (Zusatz)-Altersversorgung hinzu, liegen wir bei über 20% niedrigerem Verdienst.
Existenzangst ist auch die Ursache, wenn einerseits dringend erforderliche Betriebsräte gewählt werden müssten, die erforderlichen Menschen aber den Mut nicht aufbringen, initiativ zu werden. Zwar kann ein Arbeitgeber letztlich nicht wirklich was tun, aber schon die Angst vor Repressalien reicht aus, um auf demokratische Rechte zu verzichten. Es wird immer wieder auch davon berichtet, wie Vier-Augen-Gespräche verlaufen. Danach will niemand mehr was.
Arbeiten um zu leben, gut arbeiten um gut zu leben. So sollte es sein. Die Realität sieht sehr oft sehr anders aus. Sehr viele Menschen leben offensichtlich um zu arbeiten. Es bleibt keine Zeit mehr für Familie, Freunde, Vereine, für Kultur und Spaß und schon gar nicht für das so viel gepriesene Ehrenamt. Die Beschäftigten „funktionieren“ nur noch. Sie funktionieren, bis sie ausgesaugt sind. Und wenn dann die Kräfte nachlassen und früher oder später Krankheiten folgen, wird rausgemobbt, krankheitsbedingt gekündigt (auch mit anerkannter Schwerbehinderung) oder es werden Arbeitsverträge so geändert, dass die Menschen von allein gehen.
Natürlich gibt es auch Betriebe mit Betriebsrat, mit Tarifbindung oder vereinzelte Betriebe mit akzeptablen Arbeitsverträgen, aber auch hier ist zu spüren, wie dramatisch sich die Situation im Handel verändert hat. Existenzangst hinterlässt auch hier Spuren, auch in Vorzeigebetrieben. Viel Negatives hinnehmen, auf seine Rechte verzichten, nicht den Mund aufmachen, nicht auffallen). Dumpinglöhne stellen wir vereinzelt auch hier fest, Ausbeutung von Auszubildenden ist auch hier nicht immer fremd. Eher die Regel ist das Hineinzwingen in Arbeitszeiten (auch bis hin zu Verstößen gegen Schutzgesetze). Gemeinsam mit unseren Betriebsräten müssen wir immer öfter gegen solche Auswüchse von Willkür ankämpfen.
Das ist der Hintergrund vor dem wir eine Bewertung abgeben zu der Frage nach verkaufsoffenen Sonntagen.
Verkaufsoffene Sonntage verstärken alle hier dargestellten Umstände und Missstände.
Es muss, auch gerade vor diesem Hintergrund, die Frage beantwortet werden, welches öffentliche Interesse denn eigentlich eine Sonntagsöffnung rechtfertigt.
Eine irgendwie geartete Versorgungsfrage, kann nur mit „nicht erforderlich“ beantwortet werden. Kein einziger verkaufsoffener Sonntag ist auf dieser Grundlage erforderlich, auch nicht bezogen auf die Besucher eines Festes. Ein Fest versorgt seine Besucher selbst.
Auch die verschiedenen Feste können dafür kein Grund sein. Wie das Fest auch heißt, ein öffentliches Interesse an einer Sonntagsöffnung … ? Die Beschäftigten im Handel haben weder eine Unterhaltungsfunktion, noch dürfen sie ausgeschlossen werden von der Möglichkeit an diesen Festen selbst teilzunehmen. Alle diese Feste sind wunderschöne Veranstaltungen und sehens- und besuchenswert.
Das berechtigte Bedürfnis der Bevölkerung (und dazu gehören doch wohl auch die Beschäftigten des Handels) ein schönes Fest zu besuchen und zu erleben, muss und wird von dem jeweiligen Fest selbst befriedigt werden.
Wir sehen uns durchaus im Einklang mit einigen Mitgliedern des Rates, die schon lange mit uns gemeinsam bemerken, dass Sonntagsöffnungen keinen Sinn machen. Auch Einzelhändler haben dies, wenn auch nicht laut und öffentlich, kund getan. Bei der Anhörung zur LÖG-Evaluation, vor wenigen Tagen im Landtag, war sogar ein Arbeitgebervertreter nicht allein, der Betriebsaufgaben und Insolvenzen auf zusätzliche Ladenöffnungen zurückführte.
Zusätzliche Ladenöffnungen, so auch Sonntagsöffnungen, nutzen nur den ganz Großen. Die suchen zu heutigen Zeiten, wo der Markt aufgeteilt ist, wo Flächenexpansion an seine Grenzen gelangt, die Nischen in die sie hinein expandieren können. Diese Nieschen entstehen, wenn immer mehr Klein- und Mittelbetriebe aufgeben müssen.
Zusätzliche Öffnungszeiten erhöhen den Konkurrenzdruck, verändern die Kosten-, Nutzenrechnung. Der Euro, der heute ausgegeben wird, kann morgen nicht noch einmal ausgegeben werden. Und wer sich am Sonntag mit einer Ware versorgt hat, tut dies nicht am nächsten Tag noch einmal.
Die großen Unternehmen und Konzerne haben andere Kalkulationen und halten bei zusätzlicher Ladenöffnung (Sonntagsöffnung) und damit einhergehender geringerer Wirtschaftlichkeit länger durch.
Diese Konkurrenz der Großen gegen die Kleinen gilt auch für ganze Städte. So wie kleine und mittlere Händler sagen, man wolle ja eigentlich nicht, aber aus Gründen der Konkurrenz bliebe einem ja nichts anderes übrig, so machen auch ganze Städte den Sonntagsöffnungsreigen mit, ohne oder obwohl klar ist, dass tendenziell der Größere gewinnt. Die Zentralität des Bochumer Einzelhandels in Bezug auf Herne wird im Laufe der Zeit immer mehr zu Lasten von Herne gehen. Das gilt auch Richtung Süden. Aber was ist mit Bochum Richtung Osten oder Westen. Da ist Essen und Dortmund wohl eher der Mühlstein und Bochum das Korn. Aber man muss ja mitmachen. Wenn nicht, machen ja die anderen ein Zusatzgeschäft. Niemand betrachtet die Tendenz. Die Augen verschließen, ändert aber nichts an den Realitäten. Gerade im Ballungsraum Ruhrgebiet wird es Zeit diese Konkurrenz zu beenden. Besuchen wir uns gegenseitig. Feiern wir große Feste. Aber bitte nicht zu Lasten von Minderheiten wie kleine und mittlere Kommunen, kleine und mittlere Betriebe und nicht zuletzt … nicht zu Lasten der Beschäftigten im Handel.
Es muss auch mal wieder daran erinnert werden, dass der absolut größte Teil der Menschen in den Einzelhandelsbetrieben Frauen sind. Alles oben Beschriebene, alle Angst, alle Ungerechtigkeit und alle Notwendigkeit eine Veränderung herbei zu führen, bezieht sich besonders auf diesen Teil unserer Gesellschaft. Familie als soziale Einheit und Gesamtaufgabe, Erziehung im Besonderen, Buchhaltung, Gesundheitsdienst und nicht zuletzt die Tätigkeiten einer Reinigungskraft, einer Köchin, einer „Taxifahrerin“ … usw., ach ja, und dann noch der Job im Einzelhandel. Da fehlt auch noch die praktizierte Partnerschaft. Für viele unserer Kolleginnen ist der Sonntag der einzige „freie“ (natürlich nur auf den Job bezogen) Tag in der Woche. Da darf im Jahr nicht einer fehlen.
Diese freien Sonntage dürfen nicht wirtschaftlichen Interessen oder dem Wunsch nach unbeschwertem Vergnügen der Bevölkerung geopfert werden.
Der Rat unserer Stadt sollte auch dieses Jahr wieder daran denken, dass wenige Wochen später, nämlich am 08. März, zum internationalen Frauentag, das eine oder andere Ratsmitglied wichtige Dinge sagt und schreibt. Für den Ratsbeschluss erhoffen wir Konsequenzen im Sinne unserer Darstellung, erhoffen wir eine authentische Entscheidung, denn die Worte und Sätze zum 08.März werden gut und richtig sein.

Wir verbleiben mit freundlichem Gruß

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Bezirk Bochum-Herne

Helmut Süllwold
Gewerkschaftssekretär
Bezirksfachbereich Handel


Zum Polizeieinsatz am 1.1. 2012 in den Asylbewerberwohnungen in der Emilstraße
Dienstag 17.01.12, 08:30 Uhr

2. Brief von Dr. Ralf Feldmann 1

Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt
Bernd Schulte

Frau Polizeipräsidentin
Diana Ewert

Bochum

Staatsanwaltliche Ermittlungen und Polizeieinsatz nach versuchtem Tötungsdelikt am 1.1.2012 in Bochum-Wattenscheid Emilstraße 46-48
Ihre Schreiben vom 9. bzw.10.1.2012

Sehr geehrter Herr Schulte,
sehr geehrte Frau Ewert,

Ihre Weigerung, die Fragen aus meinem Schreiben vom 5. Januar zu beantworten,
lässt sich nicht mit dem lapidaren Hinweis auf § 475 Strafprozessordnung begründen. Gemäß § 475 Abs.4 können auch Privatpersonen Auskünfte aus Akten erteilt werden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Auskünfte sind nur zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat (§ 475 Abs.1 Strafprozessordnung) oder – bei laufenden Verfahren – der Untersuchungszweck gefährdet würde (§ 477 Abs.2 Strafprozess-
ordnung).
Die öffentliche Diskussion des Geschehens auch in Medienberichten konzentriert sich bisher auf die Durchsuchung der Asylbewerberwohnungen selbst durch Spezialkräfte der Polizei. Meine in den Fragen zum Ausdruck kommenden Bedenken richten sich dagegen, dass nach der Durchsuchung unbeteiligte und unschuldige Dritte ohne individuell konkretisierbaren Tatverdacht vor den Augen ihrer fassungslosen Familien gefesselt wie Schwerverbrecher dem Polizeigewahrsam zur Untersuchung auf Schmauchspuren zugeführt und dort – so die Information im Innenausschuss des Landtags am Donnerstag vergangener Woche – bis zu vier Stunden in Arrestzellen eingesperrt wurden, hoffentlich wenigstens nicht mehr gefesselt. Die demokratische Öffentlichkeit in Bochum hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob derart massive Grundrechtseingriffe mit Recht und Gesetz in Einklang standen und zustande gekommen sind.
Dazu ist keineswegs, wie Sie, sehr geehrter Herr Schulte anführen, die Darlegung des Ermittlungsganges nötig, sondern zunächst nur die Mitteilung der Eingriffsnorm(en), die der Staatsanwalt in seinem Antrag und der Richter in seiner Entscheidung zur Rechtfertigung der vielfältigen Zwangsmaßnahmen als erfüllt angesehen haben. Ich erkenne keinen Grund, warum deren Darlegung die Interessen der namentlich unbekannten Betroffenen oder den Untersuchungszweck tangieren könnte. Im Hinblick auf die körperliche Untersuchung auf Schmauchspuren habe ich im Einzelnen beschrieben, was dabei rechtlich zu beachten ist; das kann man in jedem Kommentar zur Strafprozessordnung nachlesen. Meine in diesem Zusammenhang gestellten Fragen betreffen den notwendigen formalen Ablauf unter Einbeziehung der Belehrung und des rechtlichen Gehörs für die Betroffenen. Ist dies gewährt worden? Waren Staatsanwalt und Richter wenn nicht vor Ort, so doch im Polizeipräsidium und sind die Betroffenen einzeln angehört worden. Oder ging einer  – kollektiven? – Anordnung der Zwangsmaßnahmen im Eildienst des Neujahrstages nur eine (telefonische/mündliche) Kommunikation zwischen Polizei und/oder Staatsanwalt und Richter voraus? Ist die Entscheidung schriftlich abgefasst worden? Wer hat warum angeordnet, dass die Betroffenen im Polizeigewahrsam einzusperren seien? Auch das können Sie ohne Gefährdung der Interessen der Betroffenen oder der weiteren Ermittlungen beantworten.
Nach meinen Informationen sollen im Innenausschuss des Landtags die vom Ministerium gegebene Begründung für den Durchsuchungseinsatz selbst und seine massive Durchführung als nachvollziehbar bewertet worden sein, während zu den nachfolgenden Maßnahmen durchaus selbstkritische Anmerkungen zu hören gewesen seien. Ich habe deshalb kein Verständnis dafür, dass Sie sich den Fragen für eine kritische Aufarbeitung dieser Vorgänge entziehen wollen, hoffe aber immer noch, dass Sie dies noch einmal überdenken.

Hochachtungsvoll
mit freundlichen Grüßen

Ralf Feldmann


Zum Polizeieinsatz am 1.1. 2012 in den Asylbewerberwohnungen in der Emilstraße
Freitag 06.01.12, 14:53 Uhr

Brief von Dr. Ralf Feldmann

Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt
Bernd Schulte

Frau Polizeipräsidentin
Diana Ewert

Bochum

Staatsanwaltliche Ermittlungen und Polizeieinsatz nach versuchtem Tötungsdelikt am 1.1.2012 in Bochum-Wattenscheid Emilstraße 46-48

Sehr geehrter Herr Schulte,
sehr geehrte Frau Ewert,

meine Ratskollegin Frau Bürgermeisterin Platzmann hat in einem offenen Brief an Sie, sehr geehrte Frau Ewert, kritische Fragen gestellt zu den Ermittlungen und dem damit verbundenen Polizeieinsatz in den Asylbewerberheimen Emilstraße nach einem versuchten Tötungsdelikt in der Frühe des Neujahrstages. Der Leiter der Direktion Kriminalität im Polizeipräsidium Bochum, Herr Dickel, schildert den kritikwürdigen Kern des Polizeieinsatzes in seiner Antwort wie folgt: Nach dem versuchten Tötungsdelikt seien auf der Suche nach drei Tatverdächtigen “mit Migrationshintergrund“ die Asylbewerberheime durchsucht worden, weil begründeter Verdacht bestanden habe, dass die Verdächtigten sich dort aufgehalten hätten. Dreizehn angetroffene männliche Migranten seien gefesselt und zur Suche nach Schussabgabespuren und zur Identitätsfeststellung dem Polizeipräsidium zugeführt worden. Alle Maßnahmen sollen auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Ermittlungsrichter am Amtsgericht Bochum angeordnet worden sein. Die dem Polizeigewahrsam zugeführten Menschen sollen “ruhig und verständnisvoll“ gewesen sein.

Ich gehe davon aus, dass die Durchsuchung von Wohnungen unbeteiligter Dritter grundsätzlich zulässig war, da zureichende Anhaltspunkte vorhanden waren, dass sich die Tatverdächtigten in einem der beiden Häuser aufhielten. Ob die Intensität des Einsatzes verhältnismäßig war, vermag ich nicht zu beurteilen. Wesentliche Fragen der Rechtmäßigkeit des staatsanwaltlichen und polizeilichen Vorgehens bleiben in der Antwort Herrn Dickels aber ausgeblendet. Evident bestand kein Anfangsverdacht gegen alle 13 festgenommenen, gefesselten und auf Spuren untersuchten Männer. Ein anfänglicher Beschuldigtenverdacht gegen alle Festgenommenen hätte sich nur mit der ebenso absurden wie rassistischen Annahme begründen lassen, dass bei Ermittlungen gegen Menschen mit Migrationshintergrund Migranten per se tatverdächtig sind; davon wird niemand ausgegangen sein. Im Hinblick darauf, dass zweifellos massiver Zwang gegen unbeteiligte Dritte ausgeübt wurde, stellen sich folgende Fragen:

  1. Aufgrund welcher strafprozessualen Eingriffsnormen wurden unbeteiligte Dritte vorläufig festgenommen, gefesselt, dem Polizeipräsidium zugeführt und in einer Reihenuntersuchung auf Schmauchspuren untersucht? Welche gesetzlichen Grundlagen nennt die richterliche Anordnung?
  2. Auf welche Weise und aufgrund welcher Kommunikation zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, insbesondere aufgrund welcher dem Ermittlungsrichter vermittelten Informationsbasis ist eine richterliche Anordnung der durchgeführten Maßnahmen zustande gekommen?

Soweit unbeteiligte Dritte gefesselt einer körperlichen Spurenuntersuchung zugeführt worden sind, ist § 81 c Strafprozessordnung einschlägig. Nach § 81 c Abs.1 dürfen andere Personen als Beschuldigte, wenn sie als Zeugen in Betracht kommen, ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, soweit zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muss, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet. Womit haben Polizei, Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls der Ermittlungsrichter begründet, dass die gefesselten und untersuchten unbeteiligten Menschen als Zeugen der Tat in Betracht kommen?
Sodann: Haben die Betroffenen in die massiven Zwangsmaßnahmen etwa
eingewilligt? Die Fesselung scheint nach dem ersten Anschein dagegen zu sprechen. Die Einwilligung muss auf freiem Entschluss beruhen und sich ausdrücklich auf die Untersuchung beziehen, der der Betroffene unterzogen werden soll. Die Hinnahme der Untersuchung – “die Betroffenen waren ruhig und verständnisvoll“ – ist nicht schon Einwilligung. Sie liegt vielmehr nur vor, wenn eine freiwillige, ernstliche und in Kenntnis der Sachlage und des Weigerungsrechts erteilte ausdrückliche Zustimmung gegeben ist. Der Betroffene muss darüber belehrt werden, dass die Untersuchung und der Eingriff nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden dürfen. Würde man eine Zeugeneigenschaft der Betroffenen im vorliegenden Fall überhaupt bejahen, hätte auch über ein Untersuchungsverweigerungsrecht analog dem Zeugnisverweigerungsrecht belehrt werden müssen. Wer hat diese doppelte Belehrung erteilt? Geschah dies mit Dolmetschern oder war die sprachliche Verständigung problemlos? Und schließlich: Angesichts der Massivität des Eingriffs – Fesselung eines unbeteiligten Dritten zum Zweck der körperlichen Spurensuche – wäre selbst bei einer Einwilligung gemäß § 81 c Abs.5 und Abs.6 Strafprozessordnung die richterliche Anordnung unerlässlich. Auf welche Weise sind dem Ermittlungsrichter der Sachverhalt, die beabsichtigten Maßnahmen und die Reaktionen der Betroffenen darauf mitgeteilt worden, damit er die Entscheidung über einen erheblichen Grundrechtseingriff ( Art.1 und Art. 2 I GG) sachgerecht treffen konnte? Gab es einen schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft und hatten die Betroffenen – unbeteiligte Dritte – die Möglichkeit rechtlichen Gehörs?

Herr Dickel nimmt in seiner Antwort an Frau Platzmann für die Polizei in Anspruch, sie sei mit großer Professionalität vorgegangen. Ich kann nur hoffen, dass Ihre Antwort auf die aufgeworfenen Fragen meine Befürchtung zerstreut, dass es eine Professionalität am Recht vorbei war, der das Kalkül zugrunde lag, dass sich Asylbewerber ohnehin nicht wehren werden. In unserer grundrechtlich geprägten Rechtsordnung heiligt der Zweck nicht die Mittel. Es kann deshalb nicht rechtmäßig sein, unschuldige Väter vor den Augen ihrer Familie ohne zureichenden Grund gefesselt wie Schwerverbrecher abzuführen.

Bitte sorgen Sie durch selbstkritische Reflektion des Einsatzes am Neujahrstag dafür, dass in Bochum staatsanwaltliche und polizeiliche Professionalität und grundrechtliche Sensibilität stets identisch sind.

Mit freundlichem Gruß

Ralf Feldmann

P.S. Ich werde diesen Brief in die öffentliche Diskussion einbringen


Mittwoch 04.01.12, 10:37 Uhr

Antwort des Polizeipräsidiums auf den offenen Brief von Astrid Platzmann

Frau
Astrid Platzmann
Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit,
Gesundheit und Soziales der Stadt Bochum
Grüne Fraktion im Rat der Stadt Bochum
Per Mail

Nachrichtlich den Medien im PP Gebiet
Staatsanwaltschaft und Stadt Bochum
Fraktion der Grünen im Stadtrat

Polizeieinsatz nach versuchtem Tötungsdelikt am 1.1.2012
Bochum-Wattenscheid, Emilstraße 46-48

Ihr offener Brief an Polizeipräsidentin Ewert vom 2.1.2012

Sehr geehrte Frau Platzmann,

da Frau Polizeipräsidentin Ewert noch bis zur kommenden Woche im Urlaub im Ausland weilt, beantworte ich Ihre Fragen als zuständiger Leiter der Direktion Kriminalität beim Polizeipräsidium Bochum.

Bevor ich auf Ihre Fragen im Detail eingehe, möchte ich den aktuellen Ermittlungsstand darstellen. Am 1.1.2012 gegen 05.10 Uhr auf der Hochstraße in Bochum-Wattenscheid wurden von einer männlichen Person insgesamt sechs Schüsse auf drei Männer abgegeben, die dazu führten dass ein Mann in Brust und an der Hand verletzt, ein weiterer ins Bein getroffen wurden. Die dritte Person blieb unverletzt. Nach den Geschädigtenangaben entfernte sich der Tatverdächtige unmittelbar mit einem PKW Mercedes Benz, dunkel mit italienischem Kennzeichen, in dem noch zwei weitere Personen – auch Männer – saßen.
Das beschriebene Fahrzeug wurde bereits gegen 05.30 Uhr parkend und verlassen mit noch warmer Motorhaube von Fahndungskräften vor dem Haus Emilstraße 48 festgestellt. Der Auffindeort liegt ca. drei km vom Tatort entfernt.
Die ersten Beschreibungen der Geschädigten hatten bereits ergeben, dass die Tatverdächtigen, wie die Geschädigten auch, einen Migrationshintergrund hätten. Die beiden als Übergangswohnheime für Asylbewerber genutzten Häuser Emilstraße 46 und 48 wurden sofort von Einsatzkräften umstellt, weil zu vermuten war, dass sich die Tatverdächtigen in diese Häuser begeben hatten.
Weil es sich bei den Gesuchten um Personen handelte, die bereits rücksichtslos und gezielt von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht hatten, wurde auf eine sofortige Durchsuchung des Hauses verzichtet. Diese hätte sowohl das Risiko des erneuten Schusswaffengebrauchs der Tatverdächtigen auf Polizeibeamte beinhaltet wie auch eine Geiselnahme bei den Hausbewohnern zur Erzwingung der Flucht auslösen können.
Beide Häuser wurden, als entsprechend geschützte und speziell ausgebildete Einsatzkräfte aus dem Land zusammen gezogen waren, gezielt Wohnung für Wohnung nach den namentlich noch nicht bekannten Tatverdächtigen durchsucht.
Es wurden alle angetroffenen männlichen Personen, auf die die Beschreibung des Schützen zutreffen konnte, gefesselt und zur Suche nach Schussabgabespuren an den Händen sowie zur Identitätsfeststellung dem Polizeipräsidium zugeführt. Dabei handelte es sich um 13 Personen, weil ein erkennbar blinder Mann sofort als Tatverdächtiger ausgeschlossen werden konnte.
Frauen und Kinder wurden weder gefesselt noch sonst Zwangsmaßnahmen unterzogen.
Alle Unverdächtigen wurden unmittelbar nach Abschluss der Maßnahmen entlassen. Zwei Personen konnten dabei als Halter des PKW bzw. als dessen Sohn und Träger des Fahrzeugschlüssels identifiziert werden. Diese beiden Personen wurden festgenommen und im Laufe des 2.1.2012 nach Entscheidung der Staatsanwaltschaft entlassen, weil die vorliegenden Verdachtsgründe noch keinen dringenden Tatverdacht begründeten.
Bei den Maßnahmen handelte es sich um Durchsuchungen zur Ergreifung von flüchtigen Tatverdächtigen von Verbrechen und um damit korrespondierende Maßnahmen zur Sicherung von Tatspuren sowie um Identitätsfeststellungen. Alle Maßnahmen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum vom Ermittlungsrichter am Amtsgericht Bochum angeordnet.
Nun zu Ihren Fragen, die ich durchnummeriert habe:
1. Ist es richtig, dass alle männlichen Bewohner über 18 Jahre zunächst festgenommen wurden?
Nein, es wurden insgesamt 13 männliche Personen, die als Tatverdächtige in Betracht kommen konnten gefesselt zum Polizeigewahrsam verbracht. Dort wurden Schmauchspuren genommen und die Identität festgestellt, danach wurden 11 Personen entlassen, weil zwei Personen mit dem Tatfahrzeug in Verbindung zu bringen waren. Die Fesselung war erforderlich, um ein Abreiben oder anderweitiges Verändern der möglichen Spuren zu verhindern.

2. Wäre das Vorgehen bei vergleichbarer Sachlage in einem üblichen Mietshaus mit 22 Personen identisch gewesen?
Ja.
a. Wären auch hier alle männlichen Bewohner über 18 Jahre zunächst verhaftet worden?
Ja, wenn nicht andere Gründe den Anfangsverdacht sofort hätten entfallen lassen, wie z. B. ein Körpergebrechen

b. Wäre es auch hier zu einem Einsatz von 100 SEK-Beamten und Hubschraubern gekommen?
Ja, wobei zwar weit über 100 Polizisten im Einsatz waren, dies aber auch zum Zwecke der Absperrung, für Ermittlungen und der Anteil der Beamten des Spezialeinsatzkommandos war deutlich geringer. Hubschrauber wie auch Spür- und Suchhunde wurden zur Absuche des Geländes um die Häuser, um das Fahrzeug und zur Suche nach der Tatwaffe eingesetzt.

3. Welcher Art sind die Verletzungen der drei Menschen, die noch Stunden nach dem Einsatz ärztliche Hilfe benötigten?

Nach allen uns vorliegenden Erkenntnissen wurde bei dem Einsatz niemand verletzt. Eine Frau war kurz vor dem Einsatz operiert worden und wurde deshalb ärztlich betreut. Eine andere Person stellte sich als Dialyse-Patient heraus und wurde deshalb bevorzugt behandelt und sehr zeitnah nach dieser Feststellung entlassen.

4. Wie ist es zu den Verletzungen dieser Menschen gekommen?
Die Antwort entfällt

5. Sind die Verletzten die drei Personen, die nach der Berichterstattung in den Medien zunächst als Verdächtige festgenommen wurden?

Es sind letztlich zwei Personen festgenommen worden, die keine Verletzungsspuren aufwiesen.

6. Wurde der Tatverdacht gegen Bewohner des Übergangsheimes bzw. Besucher des Heimes bestätigt.

Der Tatverdacht besteht unverändert fort und wird sich, wenn das Gutachten über Schmauchspuren vorliegt, ggf. erhärten bzw. wenn andere Ermittlungsergebnisse hinzutreten. Richtig ist, dass es sich bei den Verdächtigen nicht um Bewohner sondern um Besucher von Bewohnern handelt.

Ergänzend zu Ihren Fragen sei noch auf Folgendes hingewiesen:

Ich war selbst von 12.30 Uhr bis 15.00 Uhr und von 16.00 bis ca. 18.30 Uhr am Objekt Emilstraße. Ich habe dort sowohl mit Anwohnern, eintreffenden Angehörigen als auch den Bediensteten der Stadt, die für die Unterkunft zuständig sind, gesprochen.

Insbesondere die städtischen Bediensteten haben vorbildlich sowohl die Polizei mit Informationen unterstützt als auch dann in der Kommunikation mit den Betroffenen und Angehörigen sehr gute Verständigungsarbeit geleistet. Bis heute besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen Bediensteten und der Ermittlungskommission.

Ich habe jedem fragenden Bewohner Rede und Antwort gestanden und dabei dann regelmäßig Verständnis feststellen können. Gleichermaßen waren alle dem Polizeigewahrsam zugeführten Menschen ruhig und verständnisvoll.

Unstreitig führt das Eindringen von Spezialeinsatzkräften bei Betroffenen zu Erschrecken, Schock, ggf. auch einem Trauma. Allerdings würde eine solche Diskussion anders geführt, wenn es zu weiteren Schüssen, zu einer Geiselnahme oder Ähnlichem gekommen wäre.

Dieses Dilemma ist für Polizei nur schwer aufzulösen und die Entscheidungen werden unter großem Zeit und Handlungsdruck gefällt.

Mit dieser Maßnahme haben wir durch bewusstes Zeigen von einer großen polizeilichen Übermacht mit entsprechender Professionalität und durch sehr konsequentes und entschiedenes Vorgehen etwaige Flucht- oder Befreiungspläne der Tatverdächtigen versucht, im Keim zu ersticken. Wir haben dabei in Kauf genommen, dass Zeit bleibt, um die Tatwaffe(n) zu entsorgen, was gleichzeitig die davon ausgehenden Gefahren minimiert.

Die Annahme, dass die Insassen des als Tatfahrzeug anzusehenden Wagens vor dem Objekt dann in eines der beiden Häuser geflüchtet sind und sich dort verborgen hielten, hat sich aufgrund der Feststellungen zu den beiden Hauptverdächtigen wie auch durch die eingesetzten Spürhunde bestätigt. Mit Blick auf die sehr kurze Zeitspanne zwischen Tat- und Fahrzeugentdeckung dürften sich der Täter und dessen Begleiter (Mittäter) daher unter den 13 überprüften Personen befunden haben.

Seitens der Polizei werden alle materiellen Schäden erstattet und Sie weisen zu Recht darauf hin, dass seitens des Sozial- und Jugendamtes professionell schon am Einsatztage gearbeitet wurde.

Ich hoffe, damit die Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und sowohl Herr Sprogies, als Vertreter der Polizeipräsidentin wie auch Frau Ewert selbst in der kommenden Woche oder ich stehen gerne als Gesprächspartner für ergänzende Fragen zur Verfügung.

Da Ihr Brief – wofür ich vollstes Verständnis habe – als offener Brief abgefasst wurde, stelle ich diesen Brief parallel zur Information an Sie ebenfalls allen in Bochum erscheinenden oder sendenden Medien zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Gez.

Andreas Dickel

Leiter Direktion Kriminalität