Zum Polizeieinsatz am 1.1. 2012 in den Asylbewerberwohnungen in der Emilstraße
Dienstag 17.01.12, 08:30 Uhr

2. Brief von Dr. Ralf Feldmann 1


Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt
Bernd Schulte

Frau Polizeipräsidentin
Diana Ewert

Bochum

Staatsanwaltliche Ermittlungen und Polizeieinsatz nach versuchtem Tötungsdelikt am 1.1.2012 in Bochum-Wattenscheid Emilstraße 46-48
Ihre Schreiben vom 9. bzw.10.1.2012

Sehr geehrter Herr Schulte,
sehr geehrte Frau Ewert,

Ihre Weigerung, die Fragen aus meinem Schreiben vom 5. Januar zu beantworten,
lässt sich nicht mit dem lapidaren Hinweis auf § 475 Strafprozessordnung begründen. Gemäß § 475 Abs.4 können auch Privatpersonen Auskünfte aus Akten erteilt werden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Auskünfte sind nur zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat (§ 475 Abs.1 Strafprozessordnung) oder – bei laufenden Verfahren – der Untersuchungszweck gefährdet würde (§ 477 Abs.2 Strafprozess-
ordnung).
Die öffentliche Diskussion des Geschehens auch in Medienberichten konzentriert sich bisher auf die Durchsuchung der Asylbewerberwohnungen selbst durch Spezialkräfte der Polizei. Meine in den Fragen zum Ausdruck kommenden Bedenken richten sich dagegen, dass nach der Durchsuchung unbeteiligte und unschuldige Dritte ohne individuell konkretisierbaren Tatverdacht vor den Augen ihrer fassungslosen Familien gefesselt wie Schwerverbrecher dem Polizeigewahrsam zur Untersuchung auf Schmauchspuren zugeführt und dort – so die Information im Innenausschuss des Landtags am Donnerstag vergangener Woche – bis zu vier Stunden in Arrestzellen eingesperrt wurden, hoffentlich wenigstens nicht mehr gefesselt. Die demokratische Öffentlichkeit in Bochum hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob derart massive Grundrechtseingriffe mit Recht und Gesetz in Einklang standen und zustande gekommen sind.
Dazu ist keineswegs, wie Sie, sehr geehrter Herr Schulte anführen, die Darlegung des Ermittlungsganges nötig, sondern zunächst nur die Mitteilung der Eingriffsnorm(en), die der Staatsanwalt in seinem Antrag und der Richter in seiner Entscheidung zur Rechtfertigung der vielfältigen Zwangsmaßnahmen als erfüllt angesehen haben. Ich erkenne keinen Grund, warum deren Darlegung die Interessen der namentlich unbekannten Betroffenen oder den Untersuchungszweck tangieren könnte. Im Hinblick auf die körperliche Untersuchung auf Schmauchspuren habe ich im Einzelnen beschrieben, was dabei rechtlich zu beachten ist; das kann man in jedem Kommentar zur Strafprozessordnung nachlesen. Meine in diesem Zusammenhang gestellten Fragen betreffen den notwendigen formalen Ablauf unter Einbeziehung der Belehrung und des rechtlichen Gehörs für die Betroffenen. Ist dies gewährt worden? Waren Staatsanwalt und Richter wenn nicht vor Ort, so doch im Polizeipräsidium und sind die Betroffenen einzeln angehört worden. Oder ging einer  – kollektiven? – Anordnung der Zwangsmaßnahmen im Eildienst des Neujahrstages nur eine (telefonische/mündliche) Kommunikation zwischen Polizei und/oder Staatsanwalt und Richter voraus? Ist die Entscheidung schriftlich abgefasst worden? Wer hat warum angeordnet, dass die Betroffenen im Polizeigewahrsam einzusperren seien? Auch das können Sie ohne Gefährdung der Interessen der Betroffenen oder der weiteren Ermittlungen beantworten.
Nach meinen Informationen sollen im Innenausschuss des Landtags die vom Ministerium gegebene Begründung für den Durchsuchungseinsatz selbst und seine massive Durchführung als nachvollziehbar bewertet worden sein, während zu den nachfolgenden Maßnahmen durchaus selbstkritische Anmerkungen zu hören gewesen seien. Ich habe deshalb kein Verständnis dafür, dass Sie sich den Fragen für eine kritische Aufarbeitung dieser Vorgänge entziehen wollen, hoffe aber immer noch, dass Sie dies noch einmal überdenken.

Hochachtungsvoll
mit freundlichen Grüßen

Ralf Feldmann


Ein Gedanke zu “2. Brief von Dr. Ralf Feldmann

  • Danke

    Vielen Dank Herr Feldmann!

    Schön, dass Sie am Ball bleiben und sich weiterhin für die Menschen in Wattenscheid und somit für Flüchtlinge im Allgemeinen einsetzen!

    Ich hoffe sehr, dass Ihr gutes Beispiel vielen anderen Menschen als Beispiel dienen wird.

    Danke.

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