Kriegstüchtigkeit und Kriegswilligkeit sind im letzten Jahrhundert zwei Mal in Deutschland katastrophal gescheitert. Der in den Meinungsumfragen beliebteste Politiker wirbt für Kriegstüchtigkeit. Ampel und Union sind sich einig für gewaltig steigende Militärausgaben. Ihre Aufforderung an die Ukraine, Russland zu besiegen, statt das Sterben und zu Zerstören zu beenden, zeugt von Kriegswilligkeit. Zu einer Demonstration am Vorabend des Antikriegstages gestern Abend sind enttäuschend wenig Menschen gekommen. Krieg ist normal geworden. Kaum jemand empört sich. Die vorliegenden Redemanuskripte u. a. von den ukrainischen und russischen Kriegsgegnern:
Rede von Andrii Konovalov
Rede von Jewgenij Arefiev
Rede von Julia Ellhof, Friedensplenum
Rede von Bernhard Koolen, Die Linke
Rede von Wolfgang Dominik, VVN-BdA
Rede von Rotes Ruhrgebiet
Rede der DKP
Schade, dass das Bochumer Friedensplenum und die DFG/VK nicht auf in Bochum lebende ukrainische uind russische Kriegsgegner*innen zurückgegriffen hat. Es gibt in Bochum natürlich ukrainische Männer, die sich dem Kriegsdienst entziehen oder desertiert sind. Ebenso gibt es hier russische Männer, die nicht zurückkehren, um nicht eingezogen zu werden und z.B. einen russischen Dissidenten (ein bekannten Fotojournalist), der erst vor einigen Monaten aus Russland geflohen ist und jetzt in Bochum lebt. Es hätten auch Ärzt*innen berichten können, die nicht in die Ukraine zurückreisen, um z.B. Papiere zu besorgen, weil sie Angst haben nicht mehr ausreisen zu können.
Man hätte auch auf in Bochum lebende Personen aus Gaza oder Israel zugehen können, die nicht auf Linie von Hamas, PFLP, Islamischer Dschihad etc. oder israelischer Regierung liegen, um mit ihnen zu reden, ob sie einen Redebeitrag beisteuern möchten. Mir haben auch Kriegsgegner*innen aus der Türkei und Kurdistan gefehlt. Überall spielen ja deutsche Waffen eine Rolle. Und es gibt all diese Menschen in Bochum.
So bleiben solche Demos lediglich ein in Ritual ohne Mobilisierungwirkung. Und wenn man dann noch die Aktivist*innen von Young Struggle, SDAJ und Rotes Ruhrgebiet abzieht, die ja auch noch eine ganz andere Agenda verfolgen (gab es von denen eigentlich auch Redebeiträge?), wer bleibt dann noch?
Wer hier Gesellschaft verändern möchte, muss sich bewegen, muss (primär soziale) Kontakte zu verschiedenen, auch migrantischen, Gruppen und Personen knüpfen, Fragen stellen, statt (scheinbare) Antworten zu geben, sich selbst mit seinen/ihren alten Gewissheiten immer wieder in Frage stellen. Sonst verschwindet man in der Bedeutungslosigkeit und rechte Kräfte übernehmen.
Lieber Andreas,
Du hast diese Anregung und Kritik schon einmal geäußert und ich habe darauf reagiert und gefragt, ob ich beim Sprachcafé vorbei kommen kann, um zu überlegen, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann. Du hast das als den falschen Ort genannt und mir keine Alternativen genannt.
Dein Kommentar klingt so, als wäre es ganz einfach, so eine Zusammenarbeit zu organisieren. Selbst die Organisationen, die im Bereich Flucht und Asyl arbeiten, machen auf mich nicht den Eindruck, dass sie nennenswerte Aktionen oder Veranstaltungen zusammen mit Geflüchteten organisieren.
Lass uns den Antikriegstag 2025 gemeinsam planen. Mach einfach einen Vorschlag, wann wir uns treffen sollen.
Hallo Martin,
ich weiß nicht, was du mit Zusammenarbeit meinst. Ich bewege mich als Einzelperson, als „Ãœ60-Linker“, einfach nur in einem sozialen Umfeld, in dem es viele z.B. ukrainische, arabische, afghanische und kurdische Menschen gibt. Neben dem „Treffpunkt Ukraine“ und dem „Sprachcafé Lysa“ sind das viele Abende in der Kneipe und bei Partys. Dieses soziale Umfeld ist die Vertrauensbasis für politische Diskussionen. Ich finde nichts schlimmer, als die Leute, die mich fragen, ob sie mal für politische Diskussionen vorbei kommen können….ohne sich vorher Vertrauen „erarbeitet“ zu haben.
Es gab und gibt so viele Möglichkeiten in Bochum mit ukrainischen Leuten ins Gespräch zu kommen, wie z.B. beim Stand der Turbota-Frauen beim nächsten Alsenstrassenfest. Alle ukrainischen Leute, die ich kenne suchen Kontakt zu Deutschen um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.
Oder wenn es um den Kontakt zu syrisch/kurdischen Menschen geht: Ronak e.V. in Wattenscheid sucht händeringend gut deutsch sprechende Menschen für ihr Sprachcafé. Nur über solche Vertrauensarbeit ist es möglich z.B. mit syrischen Leuten dann über die Demo am kommenden Samstag in Solingen zu reden und deren unsägliches Motto, dass ich hier nicht wiedergeben möchte, zu kritisieren. Mit einigen dieser Leute wird es demnächst übrigens (hoffentlich) einen Hebräischkurs in Bochum geben.
Politische Arbeit ist für mich soziale „Arbeit“ und nicht bloßes „über Politik diskutieren“. Mit einer Freundin, die vor zwei Jahren aus Rafah/Gaza gekommen ist, diskutiere ich überhaupt nicht über Politik, weil sie sonst wieder die nächsten Tage, aus Angst um ihre Familie, depressiv im Bett liegt. Es geht darum Spaß und Ablenkung zu haben, damit sie die Situation psychisch einigermaßen übersteht. Die Autoscooter (mind. 4 verschiedene) auf der Cranger Kirmes waren ein Highlight. Und bevor mir da jetzt Antisemitismus vorgeworfen wird….auch die Elter eines israelischen/arabischen Bekannten sind in die Türkei gegangen, weil sie den permanenten Beschuss durch die Hisbollah nicht mehr aushalten.
Es geht für mich also nicht darum „Zusammenarbeit zu organisieren“, sondern gemeinsames soziales Leben zu haben. Wir leben hier im Pott in einer superdiversen Gesellschaft, aber viele deutsche Linke leben weiterhin in einer überwiegend weißen Welt.
Das ist der Grund, warum ich mich mit solchen Anfragen so schwer tue. Aber wir können gerne miteinander reden.
Hallo Andreas,
Du schreibst: »Politische Arbeit ist für mich soziale „Arbeit“«. Das empfinde ich in der Zusammenarbeit mit Geflüchteten ähnlich. Zum Beispiel, als ich im letzten Jahr mit Bochumer:innen, die aus Syrien geflohen waren, gemeinsam gegen den skandalösen Umgang der Bochumer Verwaltung mit Einbürgerungsanträgen protestierte. Daraus wurden auch persönliche Kontakte und daraus wurde dann auch soziale Arbeit. Das hat mit meinen friedenspolitischem Engagement nichts zu tun.
Als sich vor 10 Jahren Refugee Strike bildete, hat das Friedensplenum sein Ostermarsch-Programm geändert und Tareq Alaows hat – wie er später berichtete – dort seine erste politische Rede gehalten. Er war ein Sprecher von Refugee Strike. Eine persönliche Beziehung gab es damals nicht. Das Friedensplenum hat keinen Anspruch soziale Arbeit zu leisten, es will die Militarisierung unserer Gesellschaft stoppen und Kriege weltweit ächten.
Wenn sich z. B. die ukrainischen Männer, die in Bochum leben und sich erfolgreich der Kriegsbeteiligung entzogen haben, zusammenschließen und sich gegen die Pläne von Unionspoltiker:innen wehren, abgeschoben zu werden, dann wird es sicherlich sehr schnell Unterstützung vom Friedensplenum geben. Da wäre dann politische Arbeit auch soziale Arbeit.
Ich glaube, da haben wir sehr unterschiedliche Vorstellungen vom gemeinsamen Leben in einer Migrationsgesellschaft.
Aber das müssen wir nicht hier diskutieren. Das ist hier das falsche Medium.