Sonntag 07.11.21, 21:45 Uhr
Update mit der Rede der Antifa Witten
Demonstration zum 10. Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU

Selbstentarnung statt Aufdeckung


Die Demonstration zum 10. Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU machte am gestrigen Samstag halt vor dem Bochumer Justizgebäude und stellte laut folgende Fragen: »Warum haben Ermittlungsorgane rassistische Motive über 7 Jahre konsequent übersehen, während eine neonazistische Bande Mordtaten, bewaffnete Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge beging? Warum wurde ausschließlich im Umfeld der Hinterbliebenenfamilien ermittelt, obwohl schon früh Erkenntnisse über rassistische Hintergründe vorlagen?

Warum wurden die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern aktiv an ihrer Untersuchungstätigkeit gehindert?
Warum wurden relevante Akten für Jahrzehnte gesperrt?
Warum wurden die Menschen auf der Todesliste des NSU nicht informiert?
Warum wurde die Verstrickung des Verfassungsschutz mit seinen V-Leuten in der Mordserie nicht aufgeklärt?
Warum warten die Hinterbliebenen bis heute auf eine Entschuldigung bezüglich der voreingenommenen und demütigenden Polizeiarbeit?
Wer war noch Teil des NSU?
Wieviele ungeklärte Attentate und Morde gehen noch auf das Konto des NSU? Der Redebeitrag vor dem Bochumer Gerichtsgebäude

Mit einer Reihe von Beiträge politischer Initiativen und Stimmen der Opferfamilien wurde in den Redebeiträgen deutlich gemacht, dass es inzwischen keinen Zweifel daran gibt, dass staatliche Stelle eng mit dem NSU verwoben waren. Alle Hinweise auf die wahren Täter:innen wurden strikt vertuscht und nicht verfolgt.

Die Opfer wurden systematisch kriminalisiert und ins Tätermilieu sortiert. Für die Veranstalterinnen war es deshalb wichtig, ihre Biografien zu würdigen. Die Biografien.

Die Antifaschistische Linke erinnerte an die Tradition des Rechtsterrorismus in Deutschland: „Der Rechtsterrorismus in Deutschland aber hat eine Tradition, die viel länger zurück liegt. Nach dem organisierten Terror und der Vernichtung von Leben im Faschismus, griffen Neonazis auch im Nachkriegsdeutschland zu Waffen und ermordeten Menschen. Beim Oktoberfestattentat 1980 nahmen Neonazis 13 Menschen das Leben und verletzten 221 weitere. Es folgten die 90er Jahre mit den tödlichen Angriffen und Mordanschlägen von Lichtenhagen, Mölln, Solingen oder Hoyerswerda.“ Die vollständige Rede.

Die Antifa Witten machte in ihrem Redebeitrag deutlich, welche Wirkung die NSU-Morde auf die Nazi-Szene haben. Der NSU wird als Mythos gefeiert und mit dem Label NSU 2.0 wird wirkungsvoll Angst erzeugt. Ein aktuelles Beispiel veranschaulichte, wie das wirkt. Die vollständige Rede.

Die Demonstration endete vor dem Schauspielhaus mit einem selbstkritischen Redebeitrag: »Auch wir haben versagt! Auch wir haben weggeschaut und bedrohte und marginalisierte Menschen alleine gelassen! Leider viel zu oft. Das ist schmerzlich! Das ist beschämend! Auch wir müssen lernen, künftig besser hinzusehen und sensibler zu reagieren, wenn marginalisierte Menschen Opfer von Gewalttaten werden. Doch wir können uns bessern! Lasst uns solidarisch sein! Lasst uns kämpferisch sein! Wir wollen niemanden mehr alleine lassen!«