Sonntag 07.11.21, 22:50 Uhr
Die Bochumer Initiative Polizeibeobachtung:

Das Polizeigesetz von NRWE 1


Wie bereits berichtet sitzen zum wiederholten Male seit dem Wochenende Klimaktivist:innen zur Identitätsfeststellung im Bochumer Polizeipräsidium in Gewahrsam. Anlässlich der Weltklimakonferenz in Glasgow hatten Aktivist:innen die Schienen vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath bei Grevenbroich blockiert. Siehe WDR-Bericht. Die Bochumer Initiative Polizeibeobachtung erläutert und kommentiert den Vorgang: Da ihre Identität vor Ort nicht festgestellt werden konnte, sitzen jetzt wahrscheinlich insgesamt 11 Aktivist:innen nach § 38 Polizeigesetz NRW oder § 163c Strafprozessordnung in Gewahrsam. Zwei davon in Bochum. Bei dem § 38 des neuen Polizeigesetzes NRW aus dem Jahr 2018, handelt es sich um ein Geschenk von Herrn Laschet und Herrn Reul an den RWE-Konzern.

Man spricht auch vom „Lex Hambach“, da dieser Paragraph in seiner jetzigen Form speziell auf die Interessen des RWE-Konzerns zur Bekämpfung der Proteste im Hambacher Forst zugeschnitten wurde. In diesem Kontext darf nun eine Freiheitsentziehung von bis zu 7 Tagen angeordnet werden. Ein ausführlicher juristischer Kommentar zu diesem „polizeilichen Befugnishopping“ ist auf dem Verfassungsblog.de zu finden

Auch im Entwurf des geplanten Versammlungsgesetz NRW finden wir u.a. mit dem sog. „Militanzverbot“ eine direkte Bezugnahme auf die Klimaproteste. Dort werden die weißen Overalls der Klimaaktivist:innen als bedrohliche, gewaltvermittelnde Uniformierung angesehen und in eine historische Kontinuität mit „uniformierten rechts- oder linksextremistischen Verbänden in der Weimarer Republik wie die SA, die SS und ihre Untergliederungen“ (Seite 77 des Gesetzesentwurfs) gestellt.

Seit der Amtseinführung 2017 von Herbert Reul befindet sich NRWE stramm auf einem repressiven Kurs im Bezug auf Demonstrationsrechte: Das neue Polizeigesetz 2018, die aktuelle Einführung von Tasern bei der Polizei, die Einführung von BFE-Einheiten 2019 mit Bochum als Pilotprojekt, die Einführung von Überwachungsdrohnen, der Entwurf des neuen Versammlungsgesetzes NRW etc.

Dabei ist der Kotau der CDU/FDP-Landesregierung vor den Kapitalinteressen des RWE-Konzerns mehr als auffällig. Nicht nur mit den entsprechenden Punkten in Polizei- und Versammlungsgesetz, sondern auch bei der rechtswidrigen, im Nachhinein für illegal erklärten Räumung im Hambacher Forst, mit der an den Haaren herangezogenen Begründung des fehlenden Brandschutzes und der „taktischen Amnesie“ von Herbert Reul: „Ich kann mich nicht erinnern, dass es irgendwelche Absprachen […] gegeben hat“. Letzteres hat sich als Lüge herausgestellt.

Die „Bochumer Initiative Polizeibeobachtung (BIP)“ fordert, die sofortige Freilassung aller in Gewahrsam genommenen Personen. Von einer zukünftigen Landesregierung erwarten wir u.a. die Zurücknahme des Gesetzesverschärfungen. Ersatzweise die Umbenennung von „NRW“ in „NRWE“.


Ein Gedanke zu “Das Polizeigesetz von NRWE

  • Peter Paul Zahl

    Während der Blockaden gegen Atommülltransporte (Tag X) fanden ähnliche Aktionen statt, Schienenwege wurden blockiert.
    Die während dieser Aktionen verhaftet wurden waren zum überwiegenden Teil mit Strafverfahren konfrontiert.
    Die höchste Strafe die im Zusammenhang mit diesen Blockadeaktionen verhängt wurde erhielt ein Mann über 60 Lebensjahre aus Deadmold (Ost-Westfalen-Lippe).
    Ältere Menschen erhielten aufgrund diesen Aktionen die höchsten Strafen.
    Der Deadmolder arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Drucker in einer sog. Alternativdruckerei, war dem Wesen nach also Facharbeiter und hatte einen durchschnittlichen Monatsverdienst von ca. 1500 Euro netto.
    Der Mann aus Deadmold wurde zur Zahlung von 10.000 Euro verurteilt.
    Zu dieser Strafe kamen etwa 4.000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten hinzu.
    Noch „Minderjährige“ kommen im Fall einer Verurteilung oft mit geringeren Strafen davon, ein paar Wochen Jugendstrafe in einer Anstalt oder mehrere hundert Sozialstunden.

    Aus meiner Perspektive wäre es sinnvoll schon jetzt einen Spendenaufruf zu verfassen und zu verbreiten, damit die Beschuldigten im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung nicht von den Kosten „erschlagen“ werden.
    Solche Verfahren verursachen im Gesamtkomplex schnell Kosten im sechsstelligen Bereich.
    Finden keine Gerichtsverfahren statt, kann das Geld ja auch für andere Strafverfahren im Zusammenhang mit Aktivitäten gegen die sog. Klimakrise verwendet werden.

    Ich danke den Aktivist*innen im Interesse meiner Kinder und Enkelkinder für ihren Einsatz und spende auch ein paar hundert Euro wenn ein Konto eröffnet wurde.

    Macht euch keine Sorgen, es hat doch gerade erst angefangen!

    PS
    Schöne Grüße natürlich auch in meine „alte Heimat“ Detmold, die schönste verpennteste kleine Stadt in NRW.
    ;-)

    § 315
    Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr

    (1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
    1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
    2. Hindernisse bereitet,
    3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder
    4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt

    und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

    (2) Der Versuch ist strafbar.

    (3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
    1. in der Absicht handelt,
    a) einen Unglücksfall herbeizuführen oder
    b) eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
    2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

    (4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

    (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    Quelle
    https://dejure.org/gesetze/StGB/315.html

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