Sonntag 07.11.21, 16:25 Uhr
Redebeitrag der Antifaschistischen Linke Bochum auf der Demonstration am 6. November 2021 anlässlich des 10. Jahrestags der Selbstentarnung des NSU

Rechtsterrorismus: Wie aus Worten Taten werden


10 Jahre ist es her, dass der NSU sich selbst enttarnt hat. Nur durch Zufall wurde bekannt, dass im Namen der nationalsozialistischen Ideologie Menschen mit einem vermeintlichen oder tatsächlichen Migrationshintergrund unerkannt ermordet worden sind. Der Rechtsterrorismus in Deutschland aber hat eine Tradition, die viel länger zurück liegt. Nach dem organisierten Terror und der Vernichtung von Leben im Faschismus, griffen Neonazis auch im Nachkriegsdeutschland zu Waffen und ermordeten Menschen. Beim Oktoberfestattentat 1980 nahmen Neonazis 13 Menschen das Leben und verletzten 221 weitere.

Es folgten die 90er Jahre mit den tödlichen Angriffen und Mordanschlägen von Lichtenhagen, Mölln, Solingen oder Hoyerswerda. Der NSU ermordete Anfang der 2000er über Jahre hinweg 10 Menschen. Die neuesten rechtsterroristischen Anschläge von Hanau, Halle und im Fall Walter Lübcke setzen diese traurige Reihe nahtlos fort. Dass das Morden kein rein deutsches Phänomen der extremen Rechten ist, sagen uns die Namen der Städte, die durch ebensolche Taten traurige Berühmtheit erlangten: Charlottesville, Christchurch oder Utoya.

Der Faschismus lebt vom Freund-Feind-Schema, es ist seine DNA. Und es ist eine historische Realität, dass Faschist*innen ihre Feinde umbringen, wenn sie es können – wenn sie also eine gesellschaftliche Legitimation dazu haben. Dass dies in Deutschland aktuell nicht zu ihrer täglichen Routine gehört, hat aus ihrer Sicht auch taktische Gründe. Die Wölfe im Schafspelz möchten sich zunächst gesellschaftlich etablieren, bevor sie zuschlagen. Bis dahin wird jedoch die Rhetorik angezogen, werden Feindbilder gemalt und wird Hass geschürt.

Jede menschliche Handlung bedarf einer vorherigen Motivation, eines Gedanken. Verbalisierte Gedanken sind Worte und diese werden von Nazis in Nadelstreifen bewusst genutzt um in den Köpfen der deutschen Bundesbürger zu zündeln. Die ungezählten bewussten verbalen Entgleisungen von AfD-Politiker*innen, die von flüchtenden Menschen ein entmenschlichtes Bild zeichnen und mit den abwertendsten Bezeichnungen überziehen. Eine anonymisierte Masse an „Messermännern“ und „Kopftuchmädchen“ (Zitat Weidel) kann man leicht verächtlich machen. Laut über das Erschießen von Flüchtenden an der Grenze zu sinnieren, während zeitgleich vom rechten KOPP-Verlag Waffen mit dem Namen „Flüchtlingsschreck“ und „Antifaschreck“ verkauft werden, leitet geradezu zur Tat an. Wenn die Neue Rechte vom Untergang des Abendlandes schwadroniert und dieses Narrativ von „Bürgerlichen“ wie Thilo Sarrazin auch noch in die Mitte der Gesellschaft getragen wird, dann wird dort bewusst eine Notwehr-Situation konstruiert, die jedes Mittel gegen die nebulöse Bedrohung vom sogenannten Großen Austausch rechtfertigt.

Ebenfalls als Feindbilder werden Politiker*innen, die stets antisemitisch konnotierte sogenannte „globalistische Elite“, „Linksgrünversiffte“ und „Antifanten“ markiert. Die Hände möchten sich die feinen Angehörigen der sogenannten Mitte, der AfD oder der Identitären Bewegung jedoch nicht dreckig machen. Sie sind vor allem für die Stimmung verantwortlich. Zuschlagen wird schon jemand. Seien es radikalisierte Einzeltäter*innen, organisierte Neonazis von NPD, Blood&Honour, Hammerskins oder Nazihooligans oder bewaffnete rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, die bereits über Infrastruktur und Todeslisten verfügen. Nahezu wöchentlich werden Waffenarsenale von Nazis und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen ausgehoben. So läuft die tödliche Aufgabenteilung in der extremen Rechten und sie funktioniert immer wieder. Und wir haben noch nicht von dem tagtäglichen Terror durch Neonazis gesprochen, die in Kleinstädten oder ihrer Nachbarschaft Geflüchtete, solidarische Meschen oder Antifaschist*innen angreifen, ihre Häuser beschmieren oder bedrohen. Die Täter von Halle und Hanau waren vermeintliche Einzelgänger, die sich im Internet und in den Medien radikalisiert haben. Nach dem NSU, der über ein weitgefächertes Unterstützer*innennetzwerk verfügte, organisieren sich die Rechtsterroristen von heute selbstständig und müssen nicht von geschulten Demagogen an die Hand genommen werden. Die Verantwortung für ihre Radikalisierung tragen allerdings auch die Menschen, die für ein rassistisches Klima in der Gesellschaft sorgen.

Uns ist klar: Faschist*innen sind Mörder und sie morden mit Vorliebe, wenn sie eine gesellschaftliche Legitimation spüren. Vorbereitet wird Rechtsterrorismus von Leuten, die im Bundestag sitzen, die in Talkshows ihren menschenverachtenden Müll verbreiten können und aus ihrem weichgepolsterten Sessel Menschen ihre Existenzberechtigung absprechen. Wir glauben die Mär vom „Einzeltäter“ nicht!

Solidarität mit allen Menschen, die unter rechtem Terror leiden.

Antifaschistiche Linke Bochum, November 2021