Mittwoch 03.05.23, 07:52 Uhr

Haldi47 an den Oberbürgermeister… 2


…»die Haldenstraße 47 wird geräumt, um einem Wohnprojekt der Diakonie Ruhr Platz zu machen, deshalb braucht Bochum einen neuen autonomen Ort für Feminismus, queeren Aktivismus, Anti-Kapitalismus, Anti-Rassismus und Klimagerechtigkeit. Die klaren Gründe dafür werden wir Ihnen im folgenden Brief erörtern. Vieler Orts, wie auch in Bochum fehlt, es an nicht institutioneller Jugendarbeit, was man aktuell am Beispiel Dortmund sehen kann, denn dort versuchen rechte Gruppierungen Jugendliche und junge Menschen, teilweise sogar mit Migrationshintergrund, für ihre Zwecke (aufgrund von Unwissenheit) zu instrumentalisieren. Wir wollen diese Situation in Bochum gar nicht erst entstehen lassen.

Zum Zeitpunkt der Besetzung der Haldi47 am 15.10.2022, wurden unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Turnhallen untergebracht, obwohl das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bereits lange leer stand. 2015 sagten sie in der WAZ „Bei Flüchtlingen steht Bochum wie eine Eins…“, obwohl auch da schon Menschen beispielsweise am Westring in Turnhallen untergebracht waren. In einem jüngst erschienen Statement vom 24.02.2023 zu dem mittlerweile seit über einem Jahr anhaltenden Krieg in der Ukraine, sagten sie: „Es beeindruckt mich zutiefst, wie viele Freiwillige die Ärmel hochkrempeln und sich um die Geflüchteten kümmern, die bei uns Schutz suchen.” Wir sahen die Zeit gekommen, auch einmal die Ärmel hochzukrempeln und unterstützten mit unserem alternativen Wohnprojekt diese Arbeit, dennoch bemerkten wir wie viel mehr solcher Strukturen und Orte noch benötigt werden.

Auf ihrer Website sagten Sie schon 2020 zum Bündnis gegen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit „Jeder wohnungslose Mensch ist einer zu viel.“. Gleichzeitig stehen nutzbare Immobilien leer und Menschen schlafen weiterhin direkt am Bochumer Hauptbahnhof auf der Straße. Der Mietspiegel steigt und durch den aktuellen Baustopp mitunter für versprochene Sozialwohnungen, der von uns durchaus kritisch betrachteten, Baupartner:in Vonovia, sehen wir diesen Missstand vonseiten der Stadt nicht mehr auffangbar. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, fernab von Gewinnorientierung autonome, nicht-institutionelle und solidarische Räume zu schaffen. Es braucht in Zeiten wie diesen mehr denn je Orte, um sich nachbarschaftlich zu vernetzen, für solidarisches Zusammensein, für Wohnungslosenhilfe, um Menschen zu helfen, die bei uns „Schutz suchen“, um ein Selbstverständnis für Nachbarschaftshilfe zu schaffen, fernab von Gender, Religionszugehörigkeit, Herkunft, Alter oder kulturellem Background. Wir brauchen mehr safer-spaces für Personen, die im Alltag von Diskriminierung betroffen sind. Wir brauchen nicht noch mehr Neubauprojekte, die ins Stocken geraten, wenn aktuell auch noch alte Immobilien ressourcenschonender für andere Zwecke nutzbar zu machen sind.

Wir danken der Diakonie Ruhr, dass sie uns die Möglichkeit gegeben hat, solch ein Projekt, wenn auch zeitlich begrenzt, zu realisieren. Aber wir sehen auch die Stadtpolitik in der Pflicht bei der jetzigen Lage, beeinflusst durch Inflation, Krieg und Klimakrise, solche Projekte weiter zu fördern. Das radikale Mittel der Besetzungen der Haldi47 war zwingend notwendig, um auf diese Versäumnisse öffentlichkeitswirksam aufmerksam zu machen, da von Stadtseite nicht genug getan wird, um solche alternativen Räume zu schaffen. Für die Menschen, die oft nicht so viel Gehör finden in dieser kapitalistischen Welt. Deshalb würden wir uns in Zukunft auch über mehr Entgegenkommen freuen.

Um Sie ein weiteres Mal zu zitieren: „Solidarität und Unterstützung, aber auch Protest sind das Gebot der Stunde…“ (Youtube, Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Statement von OB Thomas Eiskirch)

Mit freundlichen Grüßen Die Haldi47«


2 Gedanken zu “Haldi47 an den Oberbürgermeister…

  • Hans

    Ein Zitat von einem Wohnkollektiv im Frankfurter Westend im April 1973 verdeutlicht wie sich die Auffassung von Hausbesetzung und das Verhältnis zu Staat und Kapital über das letzte halbe Jahrhundert geändert hat:

    „Wir haben Häuser besetzt, nicht um auf einen sozialen Ausrutscher dieses Gesellschaftssystems hinzuweisen, sondern um der Spekulation und Ausbeutung den Kampf anzusagen! … Wir werden weiter Häuser besetzen, weil wir Wohnungen brauchen, aber nicht um auf Mißstände hinzuweisen, sondern um dem kapitalistischen System den Kampf anzusagen, das es ermöglicht, daß leere Häuser dastehen. Wir haben Häuser besetzt, um damit zu zeigen, daß es der Aufhebung der Besitzverhältnisse und dieses Rechtsstaats bedarf, um die Interessen der Bevölkerung, ihr Recht auf vernünftigen Wohnraum, gegen die Interessen des Kapitals durchzusetzen! Wir werden die Häuser verteidigen und damit dokumentieren, daß dieser Staat auch weiterhin mit Gewalt und Terror das Recht des Kapitals gegen die Interessen der Bevölkerung durchzusetzen gewillt ist. Wir werden damit dokumentieren, daß das Recht dieses Staates immer nur das Recht des Besitzenden meint, und das dieses Recht in Frage gestellt und gebrochen werden muß, um der Bevölkerung zu „ihrem Recht“ zu verhelfen.“

    (Zitat nach: Stracke, Ernst, „Stadtteilzerstörung und Stadtteilkampf in Frankfurt am Main“, Pahl Rugenstein, Köln 1980)

  • "Bochum Solidarisch"

    „In einem jüngst erschienen Statement vom 24.02.2023 zu dem mittlerweile seit über einem Jahr anhaltenden Krieg in der Ukraine, sagten sie: „Es beeindruckt mich zutiefst, wie viele Freiwillige die Ärmel hochkrempeln und sich um die Geflüchteten kümmern, die bei uns Schutz suchen.”

    Es soll hier nicht vergessen werden, dass die Stadt Bochum und das Bahnhofsmanagement die „Freiwilligen“ von „Bochum Solidarisch“, die ukrainische Geflüchtete im Hauptbahnhof materiell und beratend unterstützt haben, aus dem Bahnhof vertrieben hat.(https://www.bo-alternativ.de/2022/07/15/deutsche-bahn-schmeisst-bochum-solidarisch-aus-dem-hauptbahnhof/). Zu kritisch dürfen die Freiwilligen schließlich nicht werden.

    Die Stadt Bochum hat übrigens bis heute kein Gesprächsangebot zur Diskussion über das Verhältnis von Kommunen zu aktivistischen Pop-Up-Bewegungen wie „Bochum Solidarisch“ angenommen. Dabei ist das Thema in Wissenschaft und im Bereich der Freiwilligenarbeit durchaus präsent (z.B. im vom BMBF geförderten geförderten Verbundprojekt „Flucht: Forschung und Transfer“ oder in Veröffentlichungen der Friedrich-Ebert-Stiftung“)

    Die Stadt verweigert sich sozusagen dem Lerneffekt für die nächste Krise.

    Wenn ich in Workshops oder auf Tagungen zum Thema Ehrenamt zu den Konflikten zwischen „Bochum Solidarisch“ und der Stadt Bochum referiere, merke ich, dass andere Kommunen da wesentlich weiter denken.

    Andreas von „Bochum Solidarisch“

Kommentare sind geschlossen.