Mittwoch 30.03.22, 22:20 Uhr
Rückblick

40 Jahre Bürgerbeteiligung in Bochum 1


Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung hat heute mit einer Kundgebung an der Rathausglocke des Schicksals der Bochumer Bürgerbegehren gedacht. Vor dem Radentscheid gab es bereits vier andere, und in keinem Einzigen davon konnten die Initiator:innen ihre Anliegen durchsetzen. Moderator Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt (Foto) nannte Bochum „die Stadt, in der Bürgerbegehren nicht erfolgreich sein dürfen“,

Dabei haben alle fünf Bochumer Bürgerbegehren die erforderliche Anzahl an Unterschriften geschafft:

Aichard Hoffmann
  1. In den 90ern sammelte die Initiative zur Rettung des Stadtbades 44.000 Unterschriften gegen den Abriss. Denen fehlte jedoch das Geburtsdatum, was die Stadt als Formfehler bemängelte – zu Unrecht, wie sich viel später herausstellte. Immerhin ging sie mit den Initiator:innen einen Kompromiss ein und hat in das neu errichtete Gebäude ein kleines Schwimmbad eingebaut. Dieses hatte jedoch schon nach 10 Jahren erhebliche Mängel und wurde inzwischen endgültig stillgelegt.
  2. Gegen den Cross-Border-Deal mit dem Kanalnetz sammelten attac und Mieterverein 2002/03 16.000 Unterschriften. Das Begehren wurde vom Rat für erfolgreich und zulässig befunden, aber ignoriert. Stattdessen flog die damalige Kämmerin Ottilie Scholz am Tag darauf in die USA und unterzeichnete den Vertrag. OB Ernst-Otto Stüber verweigerte die Durchführung eines Bürgerentscheids, wie die Gemeindeordnung es eigentlich nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren vorschreibt, da der Leasing-Vertrag dadurch nicht ungültig werde. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab ihm drei Jahre später recht, weil Bürgerbegehren damals in NRW keine aufschiebende Wirkung hatten.
  3. Gegen die Verlegung des Gymnysiums am Ostring (die letzte Lateinschule Bochums) sammelte eine eher konservative Elterninitiative 2008 erfolgreich Unterschriften. Diesmal wurde der Bürgerentscheid durchgeführt, verfehlt das erforderliche Quorum aber deutlich.
  4. Auch egen den Bau des Musikzentrums unterschrieben 2012 genug Bochumer:innen. Das Begehren wurde aber für unzulässig erklärt, da es nicht den eigentlichen Ratsbeschluss zum Bau des Musikforums angriff, sondern den ein Jahr später erfolgten Beschluss, dass die damals festgelegten Bedingungen nun erfüllt seien. Die Klage dagegen wurde 2015 zurückgenommen, da der Bau zu diesem Zeitpunkt fast fertig war.
  5. Der Radentscheid schaffte aktuell 17.000 Unterschriften. Laut Gutachten der Stadt soll er unzulässig sein, da er nicht bestimmt genug ist und zu viele Fragen in einem Begehren bündelt.

Aichard Hoffmann vom Mieterverein, der das Cross-Border-Begehren damals massiv unterstützt hatte, wies daraufhin, dass der Cross-Border-Skandal von Bochum immerhin dafür gesorgt hat, dass bei der nächsten Reform der Gemeindeordnung durch den Landtag wenige Jahre später Bürgerbegehren aufschiebende Wirkung bekamen, sobald ihr Erfolg feststeht.

Marek Nierychlo

Marek Nierychlo von der Radwende berichtete, dass der gleiche Gutachter, der den Bochumer Radentscheid für unzulässig befand, ein fast wortgleiches Gutachten für Bielefeld erstellt hatte, das später durch ein Gegengutachten gekontert wurde. Inzwischen haben sich in Bielefeld Initiator:innen und Stadt auf einen Kompromiss geeinigt. Wenn der Wille da sei, bräuchte ein Formfehler niemanden aufzuhalten.

„Überraschungsgast“ Pe Sturm erinnerte an die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Stadt wegen Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte in der Luft. Diese endete mit einem Vergleich, demzufolge die Stadt in dieser Legislaturperiode 37,5 km Radwege bauen muss.

Pe Sturm

Erst 12 davon sind in Angriff genommen. Die DUH zitierte er mit dem Satz: „Die Verhandlungen waren in Bochum besonders zäh, und die Stadt hat jegliche Maßnahmen abgelehnt, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgingen.“

Wolfgang Czapracki schloss mit den Worten: „Die Bochumer Politik macht weiter nichts freiwillig, bewegt sich nur da, wo sie gezwungen wird, aber verkauft sich ganz anders.“ Es sieht nicht so aus, als sollte dies auf der kommenden Sondersitzung des Rates anders werden.


Ein Gedanke zu “40 Jahre Bürgerbeteiligung in Bochum

  • O.Scholz

    Ich stimme Moderator W. Czapracki-Mohnhaupt zu,
    Bochum „die Stadt, in der Bürgerbegehren nicht erfolgreich sein dürfen“.
    Konservativ protestantisches Denken der Funktionäre, keine Bereitschaft zu innovativen Ideen.
    Und mal ganz offen, bei all diesen Dingen wurde doch nie über „Schmiergeld“ geredet, nie.

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