Die Bundesregierung hat die Wiedereinführung eines Heizkostenzuschusses beschlossen. Der Mieterverein Bochum begrüßt dieses Vorhaben und schreibt dazu in seiner heutigen Pressemitteilung: »Mit diesem Zuschuss soll die Belastungsspitze durch die aktuell extrem gestiegenen Energiekosten abgefedert werden. Er beträgt – leider einmalig – 135 € bei Ein-Personen- und 175 € bei 2-Personen-Haushalten und 35 € mehr für jede weitere Person. Sozialverbände und auch der Deutsche Mieterbund kritisieren diese Pauschale als zu niedrig. Die Verbraucherzentrale hält 500 € pro Haushalt für erforderlich. Der Mieterverein vermisst aber auch Bundeshilfen für Transferleistungsempfänger.
Geschäftsführer Michael Wenzel: „Es gibt in Bochum ca. 4.300 Haushalte im Wohngeldbezug, aber rund 23.000 Empfänger von ALG II oder Grundsicherung. Für deren Heizkosten kommt die Kommune auf, und zwar in voller Höhe, wenn nicht jemand im Einzelfall zum Fenster hinaus heizt.“
Ob dies der Fall ist, prüft das Jobcenter, indem es die tatsächlichen Heizkosten mit den Durchschnittswerten des jeweils neuesten Heizkostenspiegels vergleicht.
Wenzel: „Das ist aufwändig und wird in Zukunft nicht mehr funktionieren, denn die Heizspiegel hinken der tatsächlichen Preisentwicklung zwei Jahre hinterher. Bei einer so dynamischen Preisentwicklung wie im Moment ist auch der neueste Heizspiegel, der erst im Herbst erschienen ist, als Messlatte nicht mehr geeignet.“
Um nicht massenweise ergebnislose Prüfverfahren einzuleiten, werde der Kommune also gar nichts anderes übrig bleiben, als das Heizkostenmoratorium wieder in Kraft zu setzen, das es in Bochum bis 2016 schon einmal gegeben hat. Dabei werden Heizkosten ungeprüft so übernommen, wie der Vermieter sie abgerechnet habe. Das hat gleich zwei Nachteile: Zum einen fallen Fehler in der Abrechnung nicht auf, der Vermieter erhält unter Umständen mehr Geld, als ihm zusteht. Zum anderen steht die Stadt mit der Kostenlawine fast alleine da, denn der Bund übernimmt von den Kosten der Unterkunft nur einen kleinen Anteil. Wenzel: „Es ist aber gar kein Grund ersichtlich, warum der Bund sich berufen fühlt, Wohngeldbeziehern aus eigenen Mitteln zu helfen, während er bei der Hilfe für Arbeitslose die Kommunen im Regen stehen lässt.«
Norbert Hermann
Bo-prekaer@posteo.de
Korrektur und Ergänzung
Gute Idee vom MVBO. Die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) in der Grundsicherung für Arbeitsfähige werden allerdings seit 2020 insgesamt bis zu 74 Prozent vom Bund übernommen. Diese Steigerung von ehedem 29 Prozent soll allerdings nicht den Betroffenen zugute kommen, sondern ist eine getarnte Querfinanzierung von Pandemiekosten und zum Ausgleich für Gewerbesteuerausfälle (https://www.bo-alternativ.de/2021/06/22/kommunen-werden-ausgeblutet/).
Wichtig wäre eine Unterstützung der Forderung nach einer existenzsichernden Erhöhung des Regelsatzes. Der war schon immer zu niedrig. Insbesondere der darin enthaltene Satz für Haushaltsenergie war lachhaft:
Stromkosten
The same procedure as every year (Alle Jahre wieder …).
Das nenne ich doch mal nachhaltig: Jahr für Jahr die PM vom Vorjahr recyceln …
CHECK24 GmbH: Hartz-IV-Erhöhung 2022 reicht nicht für Stromkosten
https://www.presseportal.de/pm/73164/5110415
https://www.check24.de/strom/news/strompreis-geplante-hartz-iv-erhoehung-gleicht-rekord-strompreise-nicht-aus-69088/
Dasselbe 2021
Hartz-4 Erhöhungen können hohe Stromkosten nicht ausgleichen (14.12.2020)
https://www.check24.de/strom/news/strompreise-hartz-4-erhoehungen-koennen-hohe-stromkosten-nicht-ausgleichen-67796/
Dasselbe 2015
Stromkosten im Schnitt 116 Euro p. a. höher als Hartz-IV-Regelleistung
http://www.check24.de/files/p/2015/6/f/1/5074-2015-02-16_check24_pm_stromkosten-hartz-iv.pdf
Dasselbe 2011
Stromkosten bis zu 35 Prozent höher als Hartz-IV-Satz für Strom (24.02.2011)
https://www.check24.de/strom/news/stromkosten-hartz-iv-35880/
Hartz IV-Empfänger erhalten zu wenig Geld für Strom (14.07.2011)
https://www.check24.de/strom/news/hartz-iv-empfaenger-strom-42784/
usw.
Aber auch allgemein steigen die Preise gewaltig, insbesondere für Benzin und Grundnahrungsmittel. Sogar für Kartoffeln, Zwiebeln, Kappes, gibt es in armen Haushalten in der letzten Monatswoche drei mal täglich.
Wenn sich hier gesellschaftlich nichts tut, werden die Gebeutelten und Nonkonformisten ihren Hungermarsch auch von Nazis organisieren lassen.
Nachtrag
Leider einen wichtigen Hinweis gerade vergessen:
Ein „Heizkostenmoratorium“ gibt es ja derzeit coronabedingt: In den „Coronaschutzpaketen“ ist auch ein erleichterter Bezug von Grundsicherungsleistungen vorgesehen.
Für die ersten sechs Monate der erfassten Bewilligungszeiträume wird von der Angemessenheitsprüfung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) abgesehen. Maßgeblich ist dabei der Beginn des jeweiligen (Weiter-) Bewilligungszeitraums. Kostensenkungsaufforderungen dürfen damit für diesen Zeitraum nicht erfolgen
Wird nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ein Antrag auf Weiterbewilligung gestellt und fällt der Beginn des neuen Bewilligungszeitraums in den Zeitraum des vereinfachten Zugangs, gilt auch hier (erneut), dass die tatsächlichen KdU ungekürzt übernommen werden
Entnommen den FAQ. Das gilt für ALLE Grundsicherungsbeziehende, nicht nur für Neuanträge! Allerdings weist der Mieterverein Bochum zu Recht darauf hin, dass angesichts explodierender Heizkosten für die Zukunft die Orientierung der Jobcenter an den Heizkostenspiegeln überdacht werden muss, da die ja aus Daten der Vorjahre ermittelt sind.
FAQ zum erleichterten Zugang SGB II + XII infolge der Pandemie:
https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-Zugang-SGB2/faq-zugang-sgb2.html
https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-Zugang-SGB12/faq-zugang-sgb12.html