Dienstag 22.06.21, 08:49 Uhr
Kommunalfinanzierung am Beispiel Kosten der Unterkunft und Heizung KdU

Kommunen werden ausgeblutet


Norbert Hermann nimmt die Regelungen zur Finanzierung der Kosten von Unterkunft und Heizung (KdU) zum Anlass für eine grundlegende Kritik der Kommunalfinanzierung: »Die Finanzierung der Kommunen ist das reinste Chaos. Wenn es sich um Musik handeln würde, wären vielleicht die Begriffe (Con-) Fusion, Crossover oder gleich Trash passend. Kommunalfinanzierung klingt aber nicht so gut. Im Gegenteil, coronabedingt herrscht hier Geheule und Zähneknirschen (1).

Eigene Steuern der Kommunen sind die Grundsteuer (landwirtschaftliche und sonstige Grundstücke), Gewerbesteuer, Hundesteuer und ggf. Zweitwohnungssteuer. Das macht etwa ein Viertel der Einnahmen aus. Von der Lohn- und Einkommenssteuer ihrer Bewohner*innen erhalten sie 15 Prozent und (variabel) gut 2 Prozent von der Umsatzsteuer, zusammen etwa die Hälfte aller Einnahmen. Den Rest bringen die Finanzzuweisungen aus dem Finanzausgleich, eine Steuerverteilung der Steuereinnahmen vom Bund an die Länder und von diesen an die Gemeinden. Städtische Gebühren bleiben hier unberücksichtigt. Die Kommunen sind seit Jahrzehnten unbestritten unterfinanziert, mit stetig zunehmender Tendenz.

Im Verhältnis zwischen Staat – Ländern – Kommunen gilt das Prinzip: „Wer bestellt zahlt auch die Rechnung“ (Konnexitätsprinzip). D.h. dass den Ländern und über diese den Kommunen die Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, die sie benötigen zu Erfüllung der ihnen vom Staat aufgetragenen Aufgaben. Der Förderalismus verbietet grundsätzlich eine direkte Finanzierung von kommunalen Aufgaben durch den Bund. Allerdings wird dieses Prinzip in den vergangenen Jahren stückweise  angeknabbert (2).

Eine beliebte Hintertür bietet sich mit dem Anteil des Bundes an den Hartz IV-Wohnungskosten. Zunächst wurde das Hartz IV-Konzept gelobt als großartige Hilfe für die Kommunen. Es käme vor allem zu einer Entlastung der Kommunen durch Wegfall der Sozialhilfeausgaben für Erwerbsfähige. Neben kleinen zusätzlichen Belastungen entstehe ein positiver Riesensaldo zur Stärkung der Investitionskraft und zum Ausbau der Kinderbetreuung (3). Letztere war nämlich kurz zuvor für die 3 – 6jährigen vom Bund den Kommunen aufgedrückt worden. Bald fiel dem Bundesfinanzmanagement allerdings auf, dass die Kommunen dabei ihrer Ansicht nach viel zu gut wegkamen. Also sollten ihnen zum Ausgleich die Eingliederungsleistungen des § 16a SGB II und die Wohnungskosten aufgedrückt werden. Da standen aber die Kommune auf den Hinterbeinen, denn so wären sie finanziell sehr ins Hintertreffen geraten. Es gelang ihnen, dem Bund einen (geplant stetig sinkenden) Zuschuss zu den Hartz IV-Wohnungskosten abzuringen. Zu wenig um zufrieden sein zu können. Durch die Regelungen des § 19 Abs 3 S 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs 2 S 3 SGB II werden die Kommunen weiter über den Tisch gezogen, denn dadurch mindert anrechenbares Einkommen zunächst die Bundesleistungen, für den kommunalen Anteil bleibt zumeist nichts übrig.

Seit dem 1. August 2013 gibt es für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz (4). Mit zusätzlichen Belastungen für die Kommunen, deren Ausgleich durch das Land NRW vor dem Verfassungsgerichtshof Münster erstritten werden musste. Wie immer unzureichend und zögerlich. Was wiederum zu Versuchen einer queren, besser: schrägen Finanzierung führt. Natürlich gibt es auch Kritik an diesem rechtlich fragwürdigen und intrasparentem Gekungel (5-6-7-8). Eine spezielle Änderung des Art 104a Grundgesetz, wonach der Bund bis zu drei Viertel der KdU-Ausgaben tragen kann ohne in die Weisungsbefugnis der Kommunen eingreifen zu können, scheint schon überholt zu sein.

Eine gute Finanzierung der kommunalen Aufgaben wird auf diesem Weg nicht gelingen und ist wohl auch nicht gewünscht. Die Kommunen sind schließlich eines der letzten Felder auf denen der Neoliberalismus noch Blut herauspressen kann.

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(1) Kommunen befürchten in der Corona-Krise massive Defizite

(2) Bildungs- und Teilhabepaket teilweise verfassungswidrig

„Der Gesetzgeber muss es nun bis Ende 2021 neu regeln.“ Gewöhnlich wird da nix draus. Eben Bananenrepublik. siehe

(3) Entwurf Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 05. 09. 2003 (dort S. 4, 41,)

Hingegen: SGB II, ursprüngliche Fassung/Entwurf vom 29.12.2003, In Kraft ab 01.01.2005. In: BGBl. I S. 2954 ff

(4) Kindertagesstättengesetz (KitaG)

(5) Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft als Sammelbecken der Kommunalentlastung?

(6) Städte und Gemeinden begrüßen geplante finanzielle Entlastungen

„Die Koalition plant, Städte und Gemeinden zum einen durch eine höhere Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entlasten. Zum anderen wollen Bund und Länder den Kommunen die durch die Corona-Pandemie erwarteten Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer in diesem Jahr pauschal ausgleichen.“ siehe

(7) Städte- und Gemeindebund NRW-Mitteilung 618/2020 vom 14.09.2020:

KdU-Entlastung und Kompensation von Gewerbesteuerausfällen

(8) Kommunale Sozialausgaben. Für und Wider einer Bundesbeteiligung

Weitere Dokumente:

Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2020

Verordnung zur Festlegung und Anpassung der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2020 (Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung 2020 – BBFestV 2020)

Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Dokumentation.

Kostenerstattung des Bundes für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II

Regelungen der Bundesländer für die praktische Umsetzun