Montag 12.12.16, 23:00 Uhr
Gründung der Bochumer Initiative Polizeibeobachtung

Zeit hinzusehen 2


„Bochum, eine alte verrußte Ruhrgebietsstadt, in der die Sonne verstaubt, das Herzen am linken Fleck ist und in der es nach althergebrachter SPD-Politik riecht, lieben wir, dieses Bild tragen wir gerne klischeehaft nach außen.“ So freundlich schreibt die neue Bochumer Initiative Polizeiüberwachung, um dann fortzufahren: „Im Laufe dieses Jahres ist es jedoch genau hier in Bochum bei Kundgebungen der rechten Szene zu massiven Übergriffen durch die Polizei in Richtung aller Menschen, die dagegen protestiert haben, gekommen. Das „Bochumer Bündnis gegen Rechts“ überschüttet seit vielen Jahren solche Veranstaltungen angewidert mit Spott und Protest; das müssen in einem Rechtsstaat auch Neonazis aushalten und davor benötigen sie unserer Auffassung nach auch keinen Polizeischutz. Das Ausmaß und die Gewaltförmigkeit der Polizeieinsätze in Bochum am 01. Mai 2016 (Kesselung während NPD-Aufmarsch) und am 19.06.2016 (Daskut) jedoch haben uns erschreckt.
Das Aufgebot der Polizei war immens. Vom Hamburger Gitter bis zum Wasserwerfer, von der Hunde- bis zur Reiterstaffel wurde alles aufgefahren, was beeindrucken und repressiv eingesetzt werden kann. Um Weg und Kundgebungsort der Rechten freizuhalten, wurde offensichtlich bewusst auf eskalierende Strategien gesetzt. (Offener Brief: Schützen Sie uns vor dieser Polizei)
Bitter ist es, miterleben zu müssen, dass sich Neonazis und Polizei als Opfer von nicht stattgefundenen Angriffen gerieren, während junge Leute, die zum ersten Mal ihre Rolle als Souverän dieses Staates wahrnehmen und öffentlich ihre Meinung kundtun, von denen, deren Aufgabe es sein soll, genau das, die freie Meinungsäußerung, zu gewährleisten, angegriffen, geschlagen, stundenlang in einem ‚Kessel‘ gefangen genommen und zu Straftätern gemacht werden.
Inzwischen nimmt das traurige Nachspiel Fahrt auf und die Betroffenen sollen durch Vorladungen als Beschuldigte und Ankündigungen von Strafverfahren weiter eingeschüchtert werden.
Wir sehen uns aufgefordert, das Verhalten der Polizei in Zukunft zu beobachten und Polizeigewalt und -willkür zu dokumentieren, öffentlich anzuprangern und gegebenenfalls zur Anzeige zu bringen.
Aktiver, bunter Protest gegen Rechts muss in Bochum weiter möglich sein, ohne dass Menschen demoralisiert und kriminalisiert werden.

Die Initiative bereitet eine erste Veranstaltung vor mit Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie.
Am Montag, den 19. 12. um 19 Uhr
Bei ver.di, Univeritätsstraße 76.
Die ausführliche Einladung folgt.

Kontaktaufnahme zur Initiative ist möglich über bip@bo-alternativ.de«


2 Gedanken zu “Zeit hinzusehen

  • watchmen

    Ein paar Anmerkungen von meiner Seite:

    Wenn die Pressestelle der Bochumer Polizei am 1. Mai die Mär von zwei schwerverletzten Polizisten über die Radionachrichten des WDR verbreiten lässt, dann ist das keine Dummheit, sondern eine bewusste Eskalationsstrategie.

    Wenn im Ermittlungsverfahren gegen einen älteren Herren, der angeblich am 19.6. im Rahmen einer Demonstration einen Polizisten angegriffen und schwer verletzt (angebliche Kehlkopfquetschung) haben soll, „Beweisfotos“ aus einem Überwachungsvideos aus dem Zusammenhang gerissen werden um diese „Tat“ zu beweisen, dann ist dies keine unsaubere Polizeiarbeit, sondern boshafte Manipulation von Beweismitteln. Die Staatsanwaltschaft hat nach Sichtung des Videokontextes das Verfahren eingestellt. Das Video wurde der Strafverteidigung nicht zur Verfügung gestellt.

    Wenn einer gehbehinderten Demonstrationsteilnehmerin, die den o.g. Polizeiübergriff gefilmt hat, die Kamera aus der Hand geschlagen wurde und sie jetzt eine Anklage bekommen hat wg, Mitführens eines gefährlichen Gegenstands, nämlich ihrer Gehhilfe, auf die sie zwingend angewiesen ist, dann ist das…ach ich weiß nicht was ;-(

    Diese Entwicklungen in Bochum sind ein Trauerspiel und es wird Zeit, dies nicht einfach so hinzunehmen.

    Dabei sollte der Fokus allerdings auch über den regionalen Zusammenhang hinaus gerichtet werden.

    Wenn Arnold Plickert, Chef der Polizeigewerkschaft NRW, in Stahlhausen und in einigen Straßenzügen hinter dem Bochumer Hauptbahnhof, „Verhältnisse wie in Berlin-Kreuzberg“ ausmacht, in den denen Jugendbanden ganze Stadtviertel kontrollieren und kein deutsches Recht gelte (WAZ 19.1.2015), dann sagt dies nichts über Bochum, sondern viel mehr über die sarrazineske Wahrnehmungsverzerrung bei polizeilichen Meinungsführern aus.

    Auf jeden Fall entsteht hier gerade eine notwendige Initiative!

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