Montag 21.07.14, 20:04 Uhr

ADFC: Die 150-Prozentigen


Der ADFC Bochum hatte am 13.7. zur Ausweisung von zusätzlichen Parkflächen auf den Gehwegen an der Hans-Böckler-Straße Stellung genommen. Siehe Meldung Illegales Gehwegparken? Legalize it!. Die Ruhr Nachrichten berichteten über die Kritik des ADFC und ließen Susanne Düwel, Abteilungsleiterin Straßen beim Tiefbauamt der Stadt Bochum dazu Stellung nehmen. Der Vorsitzende des Bochumer ADFC Klaus Kuliga kommentiert diese Aussagen: »Susanne Düwel, Abteilungsleiterin im Tiefbauamt der Stadt Bochum, findet die Kritik des ADFC Bochum sehr unbequem. Der ADFC sehe „alles zu 150 Prozent durch die Radfahrer-Brille“. Sie selbst sieht sich als treibende Kraft, wenn es um die Fahrradfreundlichkeit in Bochum geht. Der ADFC dagegen weigere sich „den fließenden Verkehr, die Fußgänger, den Parkverkehr, die öffentlichen Verkehrsmittel“ zu berücksichtigen.
Allein die Rangfolge dieser Aufzählung sagt viel. Der „fließende Verkehr“ kommt an erster Stelle und umfasst gedanklich nur den motorisierten Verkehr. Radfahrer gehören nicht dazu. Fußgänger und ÖPNV dürfen sich hinten anstellen. Wenn es Frau Düwel um „alle“ Verkehrsteilnehmer geht, kommen Radfahrer gar nicht erst vor. Der „Parkverkehr“ – wiederum nur vom Auto aus gedacht – ist in der Aufzählung nur versehentlich hinter die Fußgänger gerückt.
Dagegen fordert der ADFC Bochum seit seiner Gründung den Vorrang der Nahmobilität, also der Fußgänger und Radfahrer, vor dem alles überwälzenden Ansprüchen des Autoverkehrs. Der ADFC hat von Anfang an betont, dass Radverkehr nicht auf Kosten der Fußgänger gehen darf.
Die Verkehrssituation im Bereich des Bochumer Rathauses illustriert sehr schön die Problemlage. Frau Düwel ordnet den Ansprüchen der Autofahrer alles andere unter. Sollen Fußgänger, Radfahrer und der ÖPNV doch sehen, wo sie bleiben: Autofahrer haben unbedingten Vorrang. Illegales Autoparken wird rücksichtslos gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern in legales Parken umgewandelt und damit noch mehr Autoverkehr in einen Bereich geleitet, der eigentlich verkehrsberuhigt sein sollte. Anscheinend ist es genau das, was Frau Düwel unter „Verbesserung der Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit in Bochum“ versteht. Die Vorlagen des Tiefbauamts zu Viktoriastraße (Nr. 20131208) und Südring (Nr. 20140425) sprechen dieselbe Sprache.
Frau Düwel behauptet, es seien „Radfahrstreifen an allen sieben Cityradialen geplant“. Niemand hat diese Pläne je gesehen. Wenn wir sie gesehen hätten, würden wir Frau Düwel glauben. Was sich der ADFC wünscht, werde man „so sicher nicht erreichen können“. Durchgehende Radfahrstreifen an der Universitätswstraße hat die Bezirksvertretung Süd schon vor über zwanzig Jahren beschlossen. Wir warten schon lange genug.
Der ADFC fordert lediglich die Umsetzung der fachlichen Standards:
– Konsequente Anwendung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA 2002) in allen Planungen und Bestandsbewertungen.
– „Ausgewogene Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche an den Straßenraum“ wie von den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen(RASt) vorgegeben. Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen sagen ausdrücklich: „Dabei wird es vielfach – vor allem in den Innenstädten – notwendig sein, die Menge oder zumindest die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger- und Radverkehr sowie den öffentlichen Personenverkehr zu fördern.“ (RASt 06, S. 15)
– Festlegung auf die „städtebauliche Bemessung“ als zentralem Entwurfsansatz. „Die städtebauliche Bemessung ist ein Verfahren, das den notwendigen Abmessungen der befahrenen Flächen, das heißt Fahrbahnen, Sonderfahrstreifen des ÖPNV und Radverkehrsanlagen auf Fahrbahnniveau plausibel nachvollziehbare notwendige Abmessungen für die Seitenräume gegenüberstellt. Sie verfolgt das Ziel einer ‚Straßenraumgestaltung vom Rand aus‘“ (RASt 06, S. 21)
– Umsetzung des Ratsbeschlusses zur „Verbesserung der Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit im Rahmen eines modernen Mobilitätsmanagements“ vom Januar 2013.
Wer diesen Ansatz als zu „150 Prozent durch die Radfahrer-Brille“ gesehen diffamiert, macht sich zum Gralshüter der Autostadt Bochum.
Frau Düwel vertritt offensichtlich die Position von IHK und CDU: Auto, Auto, Auto. Und die Brosamen, die von der Herren Autofahrer Tische fallen, dürfen dann großzügigerweise an die bettelnden Radfahrer und Fußgänger verteilt werden. Manche halten das tatsächlich für fußgänger- und fahrradfreundlich. Frau Düwel anscheinend auch.
Der ADFC Bochum fordert nichts anderes als die AGFS. Wenn Bochum das nicht akzeptiert, was will diese Stadt dann in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS)?
Diese Stadt muss sich bewegen – am besten mit dem Rad. «