Dienstag 26.06.12, 17:53 Uhr

Demokratie, Recht und anderes Gedöns 1


In neun Tagen, am Donnerstag, den 5. Juli, möchten CDU, SPD, Grüne(?) und Stadtverwaltung auf einer Ratssitzung den endgültigen Beschluss zum Bau eines Konzerthauses in Bochum durchwinken. Bis heute gibt es keine Beschlussvorlage hierfür. Ein Jahrzehnte lang umstrittenes Projekt soll quasi wie eine Dringlichkeitsentscheidung über die Bühne gepaukt werden, ohne dass die Opposition im Rat eine ernsthafte Möglichkeit hat, die Zahlen der Beschlussvorlage zu prüfen. Die CDU deckt dieses für SPD und Verwaltung in Bochum durchaus typische undemokratische Vorgehen und wird sich in Zukunft lächerlich machen, wenn sie dies bei Entscheidungen, die sie nicht mitträgt, anprangern will. Die bürgerlichen Parteien demonstrieren, wie verächtlich sie zu grundlegenden Selbstverständlichkeiten der repräsentativen Demokratie stehen, wenn ihnen diese Spielregeln nicht in den Kram passen. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung erst kürzlich ermahnte, doch bitte die Fassade demokratischen Handelns zu wahren, und den Bundestag bei Entscheidungsfindungen ernst zu nehmen, dann beeindruckt das die Bochumer Oberbürgermeisterin und die Stadtverwaltung nicht im geringsten in ihrem Umgang mit dem Rat. Und die SPD scheint so wie so völlig lernunfähig. Siehe bo-alternativ.de vom 31. 8. 2009: Der Niedergang der SPD.
Die SPD und die Verwaltung haben sich in eine Lage manövriert, in der sie das Projekt Konzerthaus aufgeben müssen, wenn sie sich an demokratische Spielregeln halten wollen. Der Grundsatzbeschluss zum Konzerthaus vom 9. 3. 2011 lässt sich bis zur Ratssitzung in der nächsten Woche nicht umsetzen. Es wird weder eine seriöse überprüfte Kostenplanung noch die beschlossenen „rechtssicheren“ Förder- und Spendenzusagen geben. Der Beschluss lässt sich aber auch nicht länger verschieben, weil das Konzerthaus 2014 fertiggestellt sein muss, um an bestimmte Fördermittel zu kommen.
Im Rathaus wird verzweifelt versucht, Formulierungen und Unterlagen für die Ratssitzung zusammen zu zimmern, die nicht völlig lächerlich sind.  Im eigentlich für die Vorbereitung der Ratssitzung zuständigen Kulturausschuss äußerte Kulturdezernent Townsend am Freitag nur vage, dass man bei den Erstehungskosten nahezu punktgenau landen werde. Es liege zwar nun die Kontroll-Kostenschätzung und auch die Betriebskostenprognose eines Fachbüros  vor. Die könne er aber aus vergaberechtlichen Gründen nicht an Ausschuss und Rat weitergeben. Die Vorlage für den Rat befände sich in der Endabstimmung und erfahre noch eine redaktionelle Überarbeitung. Die „antragstechnischen Fragestellungen“ – gemeint war wohl der endgültige Beschlusstext – seien juristisch durchaus kompliziert. Im übrigen ließen sich die genauen Kosten ohnehin erst „in der Vertiefung des Planungsprozesses ermitteln“.
Da die Linksfraktion heftig Druck ausübte, wo denn nun die Unterlagen für die Ratsentscheidung blieben, erhielt sie Freitagvormittag eine Powerpointpräsentation des Baudezernenten, die eigentlich für den Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur- und Stadtentwicklung gedacht war. Hier war der Punkt  „Musikzentrum“ allerdings von der Tagesordnung genommen worden. Die Zahlen in der Präsentation waren weitgehend unleserlich. Am Nachmittag kam dann auch noch die Ermahnung der Verwaltung, dass die Unterlage nicht öffentlich sei und nicht verwandt werden darf.
Man darf also weiter gespannt sein, wie die Verwaltung bis spätestens am 5. Juli einen Feststellungsbeschluss formuliert, dass die Bedingungen des Grundsatzbeschlusses eingetreten seien, obwohl sie es nicht sind. Für ernsthafte JuristInnen ist das nicht möglich. Hier ist die Literaturabteilung der Kulturverwaltung gefordert.


Ein Gedanke zu “Demokratie, Recht und anderes Gedöns

  • Volker Steude

    Auf den Punkt gebracht! Peinlich wie sich Politik und Verwaltung winden, aber in Bochum leider ganz normal. Da haben einige im Rat jegliche Bodenhaftung verloren.

    Begründung für die Geheimhaltung der Kostenschätzungen: Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse könnten öffentlich werden. Jeder der schon mal Kostenschätzungen nach DIN 276 und 18960 gesehen hat, fragt sich, wie man auf solchen Blödsinn kommen kann.

    Derartige Schätzung genießen mangels Schöpfungshöhe nicht mal urheberrechtlichen Schutz.

    In Wahrheit versucht die Verwaltungsspitze die Dokumente, die ihr Versagen entlarven, dem Bürgerbegehren Musikzentrum und den kritischen Ratsfraktionen vorzuenthalten, in dem sie vorsätzlich deren Rechte verletzen.

    In Bochum diskreditieren und demontieren sich Politik und Verwaltung halt so gut wie sie können… !

Kommentare sind geschlossen.