Donnerstag 16.01.25, 14:28 Uhr

Appell an die Bundestagskandidat:innen


Die Omas gegen Rechts haben folgenden Brief an die Bochumer Bundestagskanidat:innen geschickt: »Seit die Recherche-Plattform Correctiv im Januar 2024 über ein Geheimtreffen in Potsdam berichtete, bei dem namhafte radikale Rechte ungeniert die Zugehörigkeit vieler hier lebender Menschen zur bundesdeutschen Gesellschaft in Frage stellten, reißen die Demonstrationen gegen die AfD, die dieses Gedankengut zu einem wesentlichen Bestandteil ihres Parteiprogramms gemacht hat, nicht ab.


Die Menschen auf den Demonstrationen wehren sich gegen den Versuch der AfD, die hier lebenden Menschen in zwei Gruppen zu spalten in diejenigen, die dazugehören (und für die die AfD angeblich spricht) und in diejenigen, die als Sündenböcke für alle ungelösten gesellschaftlichen Probleme herhalten müssen (und die die AfD lieber heute als morgen loswerden möchte).
Hier hat sich die AfD vor allem auf Geflüchtete und MigrantInnen eingeschossen.
Dass das ganze Jahr über regelmäßig Tausende von Menschen gegen solche Ideen auf die Straße gegangen sind, ist ein Grund, stolz auf die Zivilgesellschaft in diesem Land zu sein. Es zeigt sehr deutlich, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung von der AfD – die ja gerne vorgibt, das Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“ zu sein – eben nicht vertreten fühlt. Das macht Mut.
Trotz der besorgniserregenden Wahlerfolge der AfD in vielen Bundesländern zeigen auch dort die Wahlergebnisse vor allem eines: Die Mehrheit denkt und wählt demokratisch! Diese Mehrheit steht für eine bunte und offene Gesellschaft, für Vielfalt und Toleranz, für ein solidarisches Miteinander, für das Aushandeln von Interessenskonflikten und die Suche nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme in demokratischen Prozessen.
Diese zivilgesellschaftliche Mehrheit braucht Sie und Ihren entschiedenen Einsatz für demokratischen Wettbewerb. Deshalb fordern wir Sie auf: Richten Sie Ihre Energie, Ihre Zeit und Ihre Kreativität auf die Lösung der Probleme, die wir als DemokratInnen gemeinsam in den nächsten Jahren bewältigen müssen. Denn:
Es hilft nicht, wenn namhafte VertreterInnen demokratischer Parteien in dasselbe Horn stoßen wie die AfD und dann z.B. die Debatte darüber, ob und wie die Sicherheit aller TeilnehmerInnen bei
Großveranstaltungen erhöht werden kann, zu einer Debatte darüber verkommt, wie man geflüchtete Menschen effektiver abschieben kann.
Es hilft nicht gegen den Fachkräftemangel in Deutschland, wenn sich demokratische Parteien mit Vorschlägen überbieten, wie man die deutschen Staatsgrenzen möglichst abschottet. Wir wissen doch, dass Deutschland eine jährliche Netto-Zuwanderung von ungefähr 400 000 Arbeitskräften braucht, um den jetzigen Lebensstandard halten zu können. Deshalb muss der Auftrag an alle DemokratInnen lauten, den dringend nötigen Zuwanderungsprozess so zu gestalten und zu begleiten, dass Integration gelingt und eine lebenswerte Welt für alle entsteht. Da geht es z.B. um Zuzugsregelungen für Familien unabhängig vom Asylrecht, um Sprachkurse und die Anerkennung von Abschlüssen sowie um eine rasche unbürokratische Vermittlung in Arbeit. Es geht aber auch darum, das Recht jedes einzelnen auf Asyl und Schutz vor Verfolgung zu verteidigen.
Es hilft nicht gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit, eine migrationsfeindliche Politik zu machen. Stattdessen muss das Prinzip der gesellschaftlichen Solidarität mit Leben gefüllt und allen Menschen unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Das hat viele Facetten: Damit junge Menschen eine faire Chance bekommen, ihr Potential zu entfalten, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen im Bereich der Bildung. Damit Menschen am Ende ihres Lebens nicht in Armut abrutschen, müssen kluge Lösungen im Bereich Alterssicherung und Pflege erdacht und umgesetzt werden. Um den sozialen Frieden zu erhalten, müssen alle DemokratInnen gemeinsam dafür sorgen, dass der in Deutschland besonders enge Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Verteilung der Lebenschancen gelockert wird. Auch die Frage, wer dazu welchen Beitrag zu leisten hat, muss in einem demokratischen Prozess ausgehandelt werden.
Es hilft nicht gegen die globale Erwärmung und die Klimakrise, das Problem einfach zu leugnen oder Umweltschutz und Sozialpolitik gegeneinander auszuspielen. Klimaschutz gelingt nur, wenn er in großem Stil umgesetzt werden kann. Es ist dabei Aufgabe aller DemokratInnen, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, die allen Menschen langfristig ein klimaneutrales Leben ermöglicht. Das erfordert die Entwicklung intelligenter Maßnahmen in den Bereichen Heizung und Mobilität, inklusive schwieriger Entscheidungen bezüglich der Finanzierung solcher Konzepte.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Wir als OMAS GEGEN RECHTS Bochum & West fordern Sie auf, Ihre Verantwortung als KandidatInnen demokratischer Parteien ernst zu nehmen. Treten Sie ein in einen ehrlichen, konstruktiven Dialog über die anstehenden Probleme. Nennen Sie mögliche Lösungsansätze und deren Kosten. Verzichten Sie auf populistische Scheinlösungen und ständiges Wahlkampfgetöse. Sprechen Sie endlich über die wirklichen Probleme, und lassen Sie sich nicht von der AfD Scheindebatten aufnötigen.«