Hin und wieder stolpere ich auf meinem Instagram-Feed über eine Kachel, die die Anzahl der bisherigen Femizide des Jahres zählt: Nummer 1, Nummer 2, Nummer 50, Nummer 101. Wie schnell diese Zahlen steigen, errschreckt mich immer wieder. Jedes Jahr beginnt die Zählung bei Null. Ich versuche oft, alles von mir wegzuschieben. „Nicht in Bochum“, sage ich dann, „schon gar nicht in Weitmar.“ Ich habe bestimmt schon im selben Laden eingekauft, bin über dieselbe Ampel gegangen und saß auf dem gleichen Sitz in der Bahn wie Michaela. Aber auch wie ihr ehemaliger Ehemann. Nichts davon ist weit weg, nichts davon lässt sich wegschieben. Es kann uns alle treffen. Patriarchale Gewalt ist keine Antwort auf eine bestimmte Person, keine Freundin, keine Ehefrau ist zu laut oder zu anstrengend gewesen.
Niemand von uns ist unaushaltbar. Das Unaushaltbare ist die Gewalt, der wir ausgesetzt sind. Die als Eifersucht, Verdrängung oder Verzweiflung getarnte Wut auf Frauen und generell FLINTA-Personen ist eine kollektive Bedrohung für jede einzelne. Wir starten in ein neues Jahr und ich habe Angst vor der neuen 1. Der neuen 33. Der neuen 50 und noch mehr Angst vor der Dunkelziffer. 2024 sind bisher 101 Femizide dokumentiert worden. Das sind mindestens 101 Menschen, die geliebt und gelebt haben. Während dieses Jahr endet, hört die geschlechtsspezifische Gewalt und der Hass nicht einfach auf. Ich wünsche mir, Michaela und die mindestens hundert weiteren Opfer würden heute noch leben. Stattdessen bleibt uns nichts, als an sie zu erinnern und durch feministische Arbeit zu verhindern, dass es mehr von ihnen gibt. Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle.