Liebe junge und alte Bochumerinnen und Bochumer,
liebe Alteingesessene, liebe Zugewanderte, liebe Studierende,
ich bin eine von über 200 Omas gegen Rechts in Bochum. Wir gehen auf die Straße. Wir zeigen unser Gesicht. Wir hören uns die Sorgen der Bürger*innen an und widersprechen, wenn Lügen und populistische Propaganda verbreitet werden. Unser Motto lautet ALT SEIN HEIßT NICHT STUMM SEIN.
Am 23. Mai 2024 wurde mit einem Staatsakt der 75. Jahrestag des Grundgesetzes gefeiert. In der Präambel des Grundgesetzes steht, dass Deutschland als gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt dienen will.
Wir Omas gegen Rechts setzen uns für den Erhalt unserer Demokratie ein. Wir wollen, dass unser Land und Europa den Klimawandel fair und sozial gerecht bewältigen. Dank an alle Aktivist*innen von Fridays for Future, die am Freitag mit den bundesweiten Klimastreiks junge Menschen zur Teilnahme an der Europawahl mobilisiert haben. Ihr seid großartig.
Ich hatte Glück. Ich bin in Frieden und Freiheit aufgewachsen. Ich bin mit den Erzählungen meiner Großmutter und meiner Mutter vom 1. und 2. Weltkrieg groß geworden. Erst im Geschichtsunterricht am Neusprachlichen Mädchengymnasium in Herne habe ich von Verfolgung und Ermordung von Juden und Jüdinnen und von denjenigen, die anders dachten und Widerstand leisteten, erfahren. Ich wusste das nicht. Ich wollte wissen, warum sie nichts gemacht haben. Da haben sie gesagt, wir haben nichts gewusst. Da habe ich mich aufgeregt. Ihr habt es wohl gewusst. Die Synagoge in Herne an der Schäferstraße brannte und meine Mutter hatte erzählt, wie sie mit ihrer Klasse daran vorbeigeführt wurde. Die Geschäfte wurden kurz und klein geschlagen. Warum habt ihr nichts gemacht? Da haben sie gesagt, wir hatten Angst. Das habe ich verstanden. Heute bin ich verantwortlich, wenn Menschen mit anderem Aussehen, mit anderer Hautfarbe, anderem Glauben angegriffen werden.
Die Vergangenheit ist nicht tot. Die Nazis begingen ihre Verbrechen unter den Augen der Bürger*innen. Wir stehen hier auf dem Dr. Ruer Platz. Die kleine Erhöhung, über die so viele Bürger*innen achtlos hinweggehen, ist ein Denkmal zur Erinnerung an Dr. Otto Ruer. Er entstammte einer alteingesessenen jüdischen Arztfamilie. Er war Oberbürgermeister von 1925 bis 1933. Er wurde von den Nazis mit üblen Verleumdungen aus dem Amt und in den Freitod getrieben. Hier um die Ecke rum bei Schmidtmeier stand die Synagoge. Sie brannte 1938 und die Feuerwehr passte nur auf, dass die umliegenden Gebäude kein Feuer fingen. Vom Nordbahnhof aus wurden hunderte Juden sowie Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und weitere Menschen mit Zügen an die polnische Grenze, in die Lager, in den Tod deportiert.
Der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi warnte davor, im Gedenken an die Verbrechen des Holocaust nachzulassen:
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Nie wieder ist JETZT. Ich habe eine Enkelin, die in die Grundschule geht. Ich möchte, dass meine Enkelin und alle anderen Kinder und Jugendliche in diesem Land in Frieden und Freiheit und ohne Angst aufwachsen können.
LEISTEN WIR GEMEINSAM WIDERSTAND. Es reicht nicht auf die Straße zu gehen. Wir dürfen nicht schweigen, wenn in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz über Sozialschma-rotzer, Deportationspläne, den Austritt aus der EU schwadroniert wird. Am 9. Juni ist Europawahl. Geht wählen. Wählt demokratische Parteien. Eine hohe Wahlbeteiligung und starke Ergebnisse für die demokratischen Parteien werden wegweisend sein für unsere Zukunft und die Zukunft Europas. Ich danke euch fürs Zuhören.
Eine wirklich tolle Rede, die ich zu 100% unterschreiben würde.
Leider musste ich Oma am Samstag arbeiten und konnte deshalb nicht zur Demo kommen.
Ich bedanke mich bei allen Omas gegen Rechts für ihr Engagement.
Ich würde so gerne endlich mal ein paar von uns Omas persönlich kennenlernen, aber bisher lagen alle Termine für meine so ungünstig, dass ich es als Vollzeitarbeitnehmerin nicht geschafft habe. Ich hoffe jetzt auf meinen Urlaub, um endlich mal dabei zu sein.
Noch einmal danke für die tolle Rede und für alles was ihr leistet.
Viele Grüße
Heidrun Schmidt-Ellmer