Die Regionalguppe von Attac berichtet von ihrer Veranstaltung „Das Desaster verhindern – eine bessere Welt ist möglich!“ mit Markus Wissen und wurde von den Teilnehmer*innen wegen des begleitenden leckeren Brunch-Buffets gelobt. Hier der Bericht der Gruppe: »Am letzten Sonntag war auf unsere Einladung Markus Wissen zu Gast in der KoFabrik und die 40 Teilnehmenden erlebten einen spannenden und kompetenten Vortrag:
Markus Wissen ist gemeinsam mit Ulrich Brand Autor des 2017 erschienenen Buchs „Die imperiale Lebensweise“ und er griff diesen Titel direkt in seiner Einleitung auf und erläuterte noch einmal, was damit eigentlich gemeint ist. Es geht hierbei nicht – wie vielfach interpretiert – um eine persönliche Schuldfrage, sondern um strukturelle Verhältnisse, in die Lebensweise der Menschen eingewoben sind.
Markus Wissen erläuterte das am Beispiel der Mobilität und der Autozentriertheit unserer Gesellschaft, die nur deshalb so existieren kann, weil die damit zusammenhängende Autoproduktion auf Ressourcen und Senken in anderen Teilen der Welt günstig zugreifen kann. Und alles ist auf diese Art Mobilität zugeschnitten, so dass man sich dem nur schwer entziehen kann. Die Externalisierung der Kosten dieser Lebensweise kennzeichnet auch den derzeitigen Versuch, dieses Mobilitätskonzept aufrechtzuerhalten und die Mobilitätswende nur als Antriebswende zu begreifen (Elektro statt Verbrenner). Das funktioniert nur, wenn die Lithium-Vorkommen etwa in Chile für die riesigen Anforderungen einer solche Umstellung zur Verfügung stehen – auf Kosten der dortigen Bevölkerung, der das Wasser und der Lebensraum entzogen wird.
Bei der Veranstaltung sollte es aber nicht nur um das Verständnis dieser imperialen Lebensweise gehen, sondern um eine Analyse des Zustands des Kapitalismus und die Ansätze für eine solidarische Lebensweise. Zu dieser Fragestellung hat Markus Wissen – wieder gemeinsam mit Ulrich Brand – ein neues Buch geschrieben, das noch diesem März erscheinen wird. Titel des Buches: „Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven“.*
Die aktuelle Situation ist dadurch gekennzeichnet, , dass es drei Krisen gibt, die vielfältig miteinander verschränkt sind: zum einen die Krise des Neoliberalismus, der seit den 1980er Jahren weltweit zum herrschenden Regime kapitalistischen Wirtschaftens geworden war. Mit der Finanzkrise 2008 geriet der Neoliberalismus in die Krise – nur mit Milliardensummen aus den Staatshaushalten konnten damals die sogenannten „systemrelevanten“ Player gerettet werden. Zum Zweiten befindet sich auch die kapitalistische Produktionsweise selbst in einer fundamentalen Krise, weil sie darauf angewiesen ist, sich nicht kapitalistische Bereiche der Welt oder der Gesellschaft einzuverleiben. Diese Räume werden ständig enger und werden zunehmend auch von, auf anderen Kapitalismen wie China, Brasilien usw. eingenommen. Der dritte Krisenbereich betrifft die Überbeanspruchung der Natur bzw. der natürlichen Ressourcen. Dem Kapitalismus liegt ein Wachstumszwang zugrunde, der immer mehr in Widerspruch zu den natürlichen Ressourcen gerät, er entzieht sich selbst förmlich die Grundlage.
Bei den Strategien zur Bewältigung dieser Krisen macht Markus Wissen im Wesentlichen drei Konzepte aus:
Rechter Autoritarismus, grüner Kapitalismus und eine echte sozial-ökologischen Transformation mit dem Ziel einer solidarischen Lebensweise. Da die beiden anderen Strategien keine Lösung für das grundlegende Problem der inneren Widersprüche und des Widerspruchs zwischen immer mehr Wachstum und planetaren Grenzen vorweisen können – kann die Lösung nur in einer solidarischen Lebensweise liegen.
Dazu gehört:
Orientierung auf Suffizienz statt Effizienz– also Lebensweise in den Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit, nicht als Verzichts- sondern als Bedarfs- und Wertediskussion.
Gebrauchswertorientierung und Logik der Sorge: An der Daseinsvorsorge wird der Widerspruch zwischen Markt- und Profitorientierung auf der einen Seite und Gemeinwohlorientierung auf der anderen Seite deutlich. Es geht darum, Wirtschaften vom Bedarf aus zu denken und zu organisieren.
Soziale Gleichheit – diese ist die Grundbedingung einer solidarischen Lebensweise – ein auskömmliches Leben für alle muss im Zentrum des politischen Handelns stehen
Und schließlich braucht es eine radikale Demokratie. Angesichts von Autoritarismus und tiefer Krise der liberalen Demokratie muss die Demokratie in Wirtschaft und Alltag Einzug finden.
Markus Wissen betonte, dass diese Analyse natürlich nicht bedeutet, dass der Kapitalismus mit dieser Krise tatsächlich am Ende ist und wir natürlich heute nicht wissen, welche neuerlichen Anpassungsfähigkeiten er entwickelt, aber diese Krise erfordert Antworten, die über die kapitalistische Eigentumsverhältnisse hinausweisen.
In der nachfolgenden lebendigen Diskussion berichtete Markus Wissen dann von einem Beispiel einer besetzten Fabrik eines Autozulieferers in Florenz , bei der die Arbeiter*innen sich nicht nur gegen die Schließung der Fabrik zur Wehr setzen, sondern anstelle der Achsproduktion eine Umstellung auf Produkte für regenerative Energien anstreben. Die Eigentumsfrage wird – so Markus Wissen – ein wichtiger Schlüssel für die zukünftige Auseinandersetzung. Deshalb sei es auch so wichtig, dass vermehrt Vergesellschaftungskonzepte diskutiert – und wie bei Deutsche Wohnen enteignen – auch praktisch angegangen werden.
Soweit der Versuch einer Zusammenfassung, der die Lektüre des spannenden Buches sicherlich nicht überflüssig macht.«
*Das Buch erscheint Ende März im oekom-Verlag (ISBN 978-3-98726-065-0, Print 24,00 Euro)