Freitag 14.10.22, 09:52 Uhr
Ausstellung von Judith Büthe im Bahnhof Langendreer eröffnet

Nicht wegsehen: Bilder von Europas Grenzen 5


Am Donnerstag fand im gut besuchten Kino-Café des Endstation Kinos die Vernissage zur Foto-Ausstellung von Judith Büthe zum Thema Flucht statt. Unter dem Titel „Solidarität mit allen Geflüchteten!“ zeigen die eindrucksvollen dokumentarischen Fotografien die Folgen der Abschottungspolitik der EU: Menschen an Bord von überfüllten Booten im Mittelmeer, hinter Stacheldraht in den Lagern auf den griechischen Inseln, auf langen Fußmärschen auf der Balkanroute. Begleitet werden die Fotografien von journalistischen Inhalten wie Interviews und Videos, die über QR-Codes abgerufen werden können.

Die Ausstellung ist für die nächsten Wochen weiterhin im Endstation Kino zu sehen, z.B. während des nächsten Teils der Veranstaltungsreihe am kommenden Freitag bei der Vorführung von „Operation Moonbird“ mit anschließendem Filmgespräch.

Zur Eröffnung gab Judith Büthe im Gespräch Einblicke in die Hintergründe ihrer Arbeit. Als Fotografin und Journalistin dokumentiert sie bereits seit vielen Jahren die Situation von Menschen auf der Flucht. Im Fokus ihrer Arbeit stehen dabei Menschen und ihre Geschichten. Mehrfach war sie dazu selbst ehrenamtlich auf zivilen Rettungsschiffen im Einsatz (u.a. mit der Sea Watch vor der libyschen Küste), besuchte Flüchtlingslager in Griechenland und entlang der Balkanroute und ist Mitgründerin der Initiative Das KOLLEKTIV. Ihre vielen Kontakte öffnen dabei teilweise auch Türen, die anderen Journalist:innen verschlossen bleiben.

Im Anschluss stellte die Seebrücke Bochum einen Überblick über die Lage in den verschiedenen Grenzregionen Europas vor und ging auch auf die Situation geflüchteter Menschen in Bochum ein. Das Manuskript zum Beitrag der Seebrücke dokumentieren wir hier im Wortlaut:

»Wir freuen uns sehr, heute als Seebrücke Bochum bei der Eröffnung der Ausstellung „Solidarität mit allen Geflüchteten“ von Judith Büthe dabei sein zu können. Judith Büthe dokumentiert mit ihrer fotografischen Arbeit, was an den Außengrenzen der Europäischen Union passiert und bezieht darin klar Stellung – gegen die Abschottung Europas, gegen das Wegsehen, gegen das Sterben und gegen die Menschenrechtsverletzungen.

Wer an den Grenzen der Europäischen Union nicht wegsieht, kann beobachten, wie Menschen entrechtet, erniedrigt und getötet werden. Wir können an dieser Stelle kein vollständiges Bild von der Situation an den Außengrenzen aufzeigen, aber wir wollen einige Schlaglichter auf bestimmte Grenzregionen und Fluchtrouten werfen und zuletzt auch auf die Situation in Bochum blicken.

Die Mittelmeerroute

Eine der bekanntesten und zugleich die tödlichste Fluchtroute nach Europa ist die Route über das Mittelmeer. Seit 2014 sind mindestens 47.000 Menschen bei ihrem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, ertrunken. Im Jahr 2022 (Stand: 16. September 2022) starben bisher mindestens 1.301 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer.

Die Situation zeigt sich auch ganz aktuell: erst nach mehr als 4 Tagen Wartezeit konnten Sonntag endlich 48 Menschen, die das zivile Rettungsschiff Louise Michel gerettet hatte, in Lampedusa von Bord gehen. Dass die Menschen wieder einmal lange – Wind und Wetter ausgesetzt – an Deck ausharren mussten sind, ist eine untragbare Situation.

Wie gefährlich und tödlich die Flucht über das Mittelmeer ist, zeigte sich vergangene Woche mehrfach: In zwei Schiffunglücken vor den griechischen Inseln Kythira und Lesbos starben mindestens 22 Menschen, mehrere Menschen werden immer noch vermisst.

Anstatt sichere Fluchtwege zu schaffen und fliehenden Menschen einen einfachen Zugang zu Asyl zu ermöglichen, schottet sich Europa immer weiter ab und zwingt Menschen wissentlich auf tödliche Routen.

Man hat sich fast schon daran gewöhnt, dass zivile Seenotrettungsorganisationen die so notwendige Aufgabe des Rettens übernehmen. Es gibt keine staatliche Rettung mehr – schlimmer noch: die Europäische Union stattet die sogenannte „Libysche Küstenwache“ mit Ressourcen aus, unterstützt also Milizen bei illegalen Pushbacks. Als Pushback wird die Zurückweisung von Geflüchteten ohne Prüfung ihres Asylwunsches bezeichnet. Solch eine Verhinderung der Wahrnehmung des Grundrechtsrechts auf Asyl ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

Auch die EU-Grenzschutzagentur selbst war nachweislich selbst in Pushbacks involviert. Ex-Frontex-Direktor Fabrice Leggeri musste deswegen zurücktreten – allerdings wohl nur, weil der Skandal zu groß und offensichtlich geworden war, denn man muss leider feststellen, dass dies von etlichen EU-Mitgliedsstaaten politisch gewollt ist.

Darüber hinaus wird die Arbeit von Seenotretter*innen von verschiedenen europäischen Staaten aktiv behindert: Schiffe werden festgesetzt und Seenotretter*innen – aber vor allem auch Geflüchtete selbst – werden kriminalisiert und als Schlepper*innen angeklagt – man denke an den IUVENTA-Prozess, der dieses Jahr gestartet ist.

Wir dürfen nicht wegsehen, wenn diese Menschenrechtsverletzungen geschehen – deshalb sind die Arbeiten von Judith Büthe so wichtig. Sie ist bei unterschiedlichen Seenotrettungsmissionen mitgefahren und hat vor Ort auf den Schiffen unterstützt und dabei die Arbeit der Seenotretter*innen dokumentiert.

Neben der Mittelmeerroute gibt es noch eine weitere Route über das Meer, die aber noch weniger Aufmerksamkeit bekommt.

Die Route zu den kanarischen Inseln

Am vergangenen Sonntag wurde ein Boot mit einer überlebenden Person und vier leblosen Körpern von einem Handelsschiff etwa 300 km südlich von Gran Canaria gefunden. Das Boot war 9 Tag zuvor mit 34 Menschen an Bord in Richtung Kanaren gestartet. Für das Jahr 2021 wurden auf dieser Route mehr als 1.100 Todesfälle festgestellt. Die echten Opferzahlen dürften laut IOM (Internationalen Organisation für Migration) deutlich höher liegen.

Schon lange ist bekannt, dass die 100 kilometerlange Fluchtroute zu den Kanaren besonders gefährlich ist, weil die meist kleineren Außenbordmotoren den Strömungen aus dem atlantischen Ozean nicht standhalten können. Zudem sind dort kaum Seenotrettungsschiffe aktiv. Trotzdem schafft Europa keine sicheren Fluchtwege, sondern erschwert an vielen Orten die Flucht weiter.

Illegale Pushbacks Griechenland

In Griechenland sind Pushbacks an der Landgrenze zur Türkei und im Ägäischen Meer an der Tagesordnung. Mit immer neuen Praktiken wird Menschen die Möglichkeit verwehrt, Asyl in Griechenland zu ersuchen. So wurde 2020 bekannt, dass die griechische Küstenwache Geflüchtete auf ihrem Weg nach Griechenland abfing und sie dann zwang, sich in eine Rettungsinsel zu begeben – das sind aufblasbare, manövrierunfähige Plattformen, die die Küstenwache dann zurück in türkische Gewässer schleppte und die Geflüchteten dort ihrem Schicksal überließ.

Im selben Jahr antwortete die Bundesregierung auf die Frage, ob ihr Fälle bekannt sind, in denen die griechische Küstenwache Gefahrensituationen erzeugte, indem sie in hohem Tempo an Flüchtlingsbooten vorbeifuhr: »Eine öffentliche Beantwortung der Frage könnte nachteilige Auswirkungen für die bilateralen Beziehungen von Deutschland und Griechenland haben und somit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein.«

Kein Stück besser ist die Situation an der griechisch-türkischen Landgrenze in der Region um den Grenzfluss Evros. Die griechische Regierung hat das gut 200 Kilometer lange Grenzgebiet inzwischen zur militärischen Sperrzone erklärt. Das heißt, für Journalisten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen ist es quasi unmöglich sich dem Übergang auch nur zu nähern und sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Geflüchtete berichten, dass sie mit Schlagstöcken zurück in den Fluß geprügelt oder mit Tasern angegriffen werden. Zuvor werden ihnen oft Kleidung, Telefone und Wertgegenstände abgenommen.

Ein umfangreiches Rechercheprojekt verschiedener internationaler Medienhäuser zeigte im Juli, dass mittlerweile für Pushbacks auch Geflüchtete selbst eingesetzt werden. Menschen berichten, wie sie nach ihrer Ankunft in Griechenland vor die Wahl gestellt wurden: Entweder helfen sie der griechischen Polizei bei den Pushbacks und bekommen dafür unter anderem eine Aufenthaltsgenehmigung in Griechenland für 30 Tage – oder sie würden wegen Menschenschmuggels vor Gericht landen. Daraufhin verlangte die Europäische Kommission eine Untersuchung der Vorgänge und von der Bundesregierung gab es scharfe Kritik – passiert ist seitdem jedoch nichts. Dabei hätte die Bundesregierung durchaus selbst ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten können, wenn sie nur gewollt hätte.

Balkanroute: Kroatien-Serbien

Auch auf anderen Routen werden Flüchtende zurückgedrängt, massakriert und schweren Gefahren ausgesetzt. So belegten etwa letztes Jahr Recherchen von Journalist:innen, dass die maskierten Männer, die Geflüchtete in Kroatien systematisch und brutal über die Grenze nach der Bosnien zurückprügeln, Teil der kroatischen Interventionspolizei sind. Ausgestattet sind sie auch mit deutschen Geldern und Material, sowie mehreren hundert Millionen Euro EU-Geldern. In Reaktion auf die Recherche richtete Kroatien gemeinsam mit der EU einen gemeinsamen Mechanismus zur Beobachtung und Ahndung von Menschenrechtsverletzungen ein. Einmal davon abgesehen, dass Menschenrechtsorganisationen und Medien bereits seit vielen Jahren von brutalen Pushbacks an der kroatisch-bosnischen Grenze berichten: weder Kroatien noch die EU haben ein glaubwürdiges Interesse an der Wahrung der Menschenrechte oder des Völkerrechts gezeigt, so dass man fest davon ausgehen muss, dass der Beobachtungsmechanismus ergebnislos bleiben wird.

Weitere Orte

Es gibt viele Orte, die für die Abschottung Europas stehen – der Dschungel von Calais, die Lager auf Lesbos wie Moria, Lampedusa, die spanischen Exklave Melilla und Ceuta, der Grenzzaun zwischen Polen und Belarus, libysche Folterlager, …

Die Liste lässt sich fast endlos fortführen. Aber bevor wir zum Ende unseres Beitrags kommen, möchten wir noch kurz den Blick auf Bochum richten.

Situation in Bochum

Bochum hat sich auf Druck der Seebrücke 2019 zum Sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt. Erklärt sich eine Stadt zum Sicheren Hafen, bedeutet das, dass sie sich für sichere Fluchtwege und gegen Kriminalisierung von Seenotrettung einsetzt; für die zusätzliche Aufnahme von Geflüchtete über die Verteilquote hinaus; für ein gutes Ankommen in der Kommune und Bleibeperspektiven. So hat Bochum etwa dieses Jahr als Teil der Kampagne „Deine Stadt rettet“ die Seenotrettungsorganisation Sea Eye finanziell unterstützt, indem sie Spenden aus der Zivilgesellschaft verdoppelte.

Das klingt zunächst sehr gut. Wie kommt es dann dazu, dass Bochum gerade erst im September wieder in der – auch überregionalen – Presse dafür in der Kritik stand, 90 unbegleitete minderjährige Geflüchtete lediglich in einer Turnhalle unterzubringen? Seitdem ist die Zahl der in Bochum in Turnhallen untergebrachten Kinder und Jugendlichen sogar weiter angestiegen. An drei Standorten bringt die Stadt Bochum mittlerweile Minderjährige unter und verstößt damit klar gegen Kinderrechte.

Leider besteht eine erhebliche Kluft zwischen der lobenswerten Symbolpolitik und wohlklingenden Absichtserklärungen der Stadt Bochum auf der einen Seite und der tatsächlichen Situation für die Geflüchteten auf der anderen Seite.

Schon 2015 hatte sich die Stadt ein Unterbringungs- und Betreuungskonzept gegeben, dass Qualitätsstandard wie zum Beispiel feste Betreuungsschlüssel festlegte und die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften nur befristet und im Notfall vorsah. Dies hätte jedoch bedeutet, entsprechende Kapazitäten aufbauen zu müssen. Da dies nicht geschehen ist, blieb im September angesichts steigender Ankunftszahlen aus Sicht der Stadt die Unterbring der minderjährigen Geflüchteten in der Turnhalle als einzige Möglichkeit zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Andere Optionen, etwa die Nutzung der bestehenden Netzwerke und der vielfältigen Trägerlandschaft, wurden nicht in Erwägung gezogen. Auf der Strecke blieben so die betroffenen Jugendlichen und Kinder, die in der Turnhalle keine Privatsphäre, keine Ruhe, keine ausreichenden Sanitäranlagen, keinen hinreichenden Infektionsschutz und keine angemessene medizinische, psychologische und soziale Versorgung haben.

Auch in anderen Bereichen fällt Bochum negativ auf: dringende Angelegenheiten wie die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen oder Bearbeitung von Einbürgerungen benötigen in Bochum oftmals mehr als ein Jahr, die Stadt bekommt den Aktenstau nicht in den Griff. Schwer vorstellbar, dass eine solche Behandlung dauerhaft Bestand hätte, wenn Personen aus der Mehrheitsgesellschaft mit deutschem Pass davon betroffen wären.

Katastrophal ist auch die Bilanz bei Abschiebungen und Duldungen: im Juli gab es in Bochum mehr als 1000 Geduldete; davon drei Viertel, die bereits seit fünf Jahren in Bochum leben. Wer nur eine Duldung statt eines Aufenthaltstitels besitzt, muss mit großen Einschränkungen in allen Lebensbereichen leben: z.B. erhält man nur schwer eine Arbeitserlaubnis, bekommt weniger Sozialleistungen, benötigt eine Genehmigung zum Wechsel des Wohnorts, und lebt insgesamt in großer Ungewissheit und Perspektivlosigkeit. Eines „Sicheren Hafen“ angemessen wäre es, wenn die Bochumer Ausländerbehörde alle Spielräume nutzt, um Geduldeten zu einem sicheren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Stattdessen hat Bochum in den letzten 7 Jahren 572 Personen abgeschoben. Die Abschiebungen geschehen zumeist unangekündigt nachts und für die Zivilbevölkerung weitestgehend unsichtbar. In den vergangenen Jahren war etwa ein Drittel der Abgeschobenen minderjährig. Vor der Abschiebung werden die Betroffenen teilweise in der Abschiebehaftanstalt Büren inhaftiert – der einzige Fall, in dem das deutsche Recht eine Inhaftierung von Menschen vorsieht, die keine Straftat begangen haben. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl sogenannter „freiwilliger Ausreisen“, bei denen Betroffene aufgrund der Perspektivlosigkeit und mit kleinen monetären Anreizen dazu gedrängt werden, Deutschland zu verlassen.

Wichtig zur Einordnung der Abschiebezahlen ist zudem, dass viele Geflüchtete mittlerweile gar nicht mehr in Bochum ankommen, weil sie aufgrund ihrer Herkunft aus sogenannten „Sicheren Herkunftsstaaten“ in zentralen Unterbringungseinrichtungen leben müssen, statt auf die Kommunen verteilt zu werden.

Unsere Forderungen und Ziele

Unser Ziel ist es langfristig, dass Menschen nicht fliehen müssen – dass es also eine friedvollere, gerechtere Welt gibt und eine Außen- und Weltpolitik, die Fluchtgründe verhindert und ausräumt. Mittelfristig ist es unabdingbar, dass sichere Fluchtwege geschaffen werden; dass also Menschen auf sicheren Routen einfach und legal nach Europa einreisen können, um hier Asyl zu ersuchen. Während wir Deutsche mit einem Pass nämlich einfach visafrei in viele Länder mit einem Flugzeug reisen können, müssen gleichzeitig Flüchtende tödliche Fluchtrouten in Kauf nehmen, um in Sicherheit zu gelangen. Dabei riskieren sie ihr Leben, erfahren Gewalt und werden von EU-Grenzschützer*innen immer wieder gewaltsam zurückgedrängt. Kurzfristig ist die Etablierung staatlicher Seenotrettungsmissionen unabdingbar. Es ist nicht hinzunehmen, dass privat finanzierte Seenotretter*innen diese Aufgabe übernehmen. Und dabei werden Seenotretter*innen, aber vor allem auch Flüchtende selbst, stets kriminalisiert: Flüchtenden und ihren Retter*innen wird vorgeworfen, sie seien Schlepper und würden Menschen illegal zur Einreise verhelfen.

Vor Ort in Bochum wäre schon viel erreicht, wenn die Stadt die Standards einhalten würde, die sie sich selbst gesetzt hat. Kurzfristig fordern wir eine bessere Unterbringung der Geflüchteten, die in Turnhallen oder anderen Sammelunterkünften leben müssen. Mittelfristig muss die Stadt dem zugesicherten Anspruch als Sicherer Hafen gerecht werden und offen sein für die Aufnahme und dauerhafte Bleibe von Geflüchteten über die vorgeschriebene Quote hinaus, statt aufgrund der hier befindlichen Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) sogar weniger Menschen als vergleichbare Städte unterzubringen. Langfristig muss Bochum ein Ort werden, an dem jede und jeder ein gutes Leben führen kann, der oder die hier leben möchte. Bis dahin gibt es viele kleine und größere Schritte, die Bochum für sich allein, zusammen mit der Zivilgesellschaft und gemeinsam im Bündnis mit allen „Sicheren Häfen“ gehen kann und muss.

Damit das hier und überall gelingt, brauchen wir Menschen, die nicht wegsehen und die sich für eine gerechtere Welt einsetzen. Die Ausstellung von Judith Büthe und euer aller Anwesenheit hier und heute leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Vielen Dank!«


5 Gedanken zu “Nicht wegsehen: Bilder von Europas Grenzen

  • Marita Weissig

    Sie, bzw. Ihre Organisation, macht die gleichen Fehler wie die politische Gegenseite: Sie interpretieren nach Ihrem Gutdünken die Rechtslage. Man könnte Sie also auf die gleiche Stufe stellen, wie diejenigen, die rechtsaussen unser Land total abschirmen und großflächig abschieben wollen.
    Die Genfer Flüchtlingskonvention sagt eindeutig zu dem sog. Non-Refoulment: niemand darf in einen Staat zurückgeschoben oder abgeschoben werden, in dem ihm Folter, unmenschliche Behandlung und Verfolgung droht. Man könnte dementsprechend über eine Zurückschiebung nach Libyen tatsächlich ernsthaft diskutieren, eine Zurückschiebung nach Bosnien, Serbien, Tunesien, die Türkei, Belarus oder noch besser innerhalb der EU-Staaten ist keine Zurückschiebung im Sinne der Genfer Konventionen, da den Menschen, die von diesen Staaten aus in die EU einreisen wollen, eben keine Folter und unmenschliche Behandlung droht. Ganz im Gegenteil: jeder Staat hat das Recht, Menschen nicht einreisen zu lassen und zurückzuweisen, auch das ist völkerrechtlich geregelt. Wenn also ein Land davon Gebrauch macht, Menschen, die einfach, z.T. ohne Ausweispapiere, über die grüne Grenze „latschen“, muss das kein Land hinnehmen. Und: das Völkerrecht gesteht niemandem das Recht auf Asyl zu, es regelt lediglich die Ansprüche desjenigen, der bereits Asyl erhalten hat.
    Mir geht es wie so vielen: ich habe Verständnis dafür, dass jemand prekären Lebensbedingungen entkommen möchte oder auch nur den Wunsch nach einem besseren Leben hat. Das heißt aber nicht, dass wir, als Gesellschaft, verpflichtet sind, diesen Wunsch zu erfüllen oder zu ermöglichen. Die meisten sog. Flüchtlinge, auch diejenigen, die ein berechtigtes Fluchtinteresse haben, fliehen durch etliche, für sie sichere Länder, um letztlich Asyl in der EU, besser noch, in den reichen Staaten der EU zu suchen. Aber: mit der Durchreise durch sichere Länder haben sie letztlich die Asylmöglichkeit in der EU ausgeschlossen. Die EU ist großzügig und gewährt auch demjenigen Schutz, der vorher etliche Jahre in der Türkei oder dem Iran gelebt hat und eigentlich in Sicherheit war, nicht komfortabel aber in Sicherheit. Ebenso ist es mit vielen afrikanischen Migranten südlich der Sahara, die über das Mittelmeer kommen. Hinzu kommen noch die vielen „Armutsmigranten“ aus den Balkanländern, aus Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Tunesien, Marokko, Ägypten, Indien, Bangladesch, Pakistan und sonstwoher, die teilweise um den halben Erdball reisen, um hier Asyl zu beantragen, letztlich ohne Chance darauf. Und abgeschoben wird in den seltensten Fällen. Und selbst diese Abschiebungen, in sichere Länder, werden von Ihnen gerügt. Allein Deutschland hat seit 2015 mehr als 2 Millionen Menschen aufgenommen, von denen durchschnittlich 30 – 45 Prozent eine Bleibemöglichkeit erhielten. Der Rest hätte eigentlich wieder ausreisen müssen. Durch diese Menschen, die kein Bleiberecht haben (es sind mittlerweile mehr als 300 Tsd) werden die öffentlichen Kassen zum Schaden aller belastet und die fehlenden Wohnungen sagen ihr übriges.
    Hilfen für Flüchtlinge, die vor Krieg oder persönlicher Verfolgung flüchten….JA, für die Menschen aber, die ein besseres Leben suchen oder vor einem gewalttätigen Ehemann flüchten, wie manche Tschetscheninnen….ein klares NEIN, da wir ansonsten in ein paar Jahren nicht mehr viel zum Verteilen und Helfen haben und das müsste selbst Ihnen einleuchten! Sie würden wesentlich glaubwürdiger und damit vermutlich auch finanziell besser ausgestattet agieren, wenn Sie die Unterschiede der zu uns kommenden Asylbewerber zur Kenntnis nehmen und sich für diejenigen einsetzen, die wirklich unser alle Hilfe benötigen.

    • Hans

      Die Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht die einzige relevante Rechtsquelle und sie besteht auch nicht nur aus Artikel 33. Jeder Mensch hat das Recht, Asyl in einem anderen Land zu beantragen und ein faires Asylverfahren zu erhalten, mithin das Recht auf eine Prüfung seines Asylgrundes. Pushbacks verstoßen gegen dieses Recht, da sie die Prüfung und das faire Verfahren verweigern. Insofern ist die Behauptung falsch, dass Staaten grundsätzlich das Recht hätten, Menschen die Einreise zu verwehren, wenn sie Asyl beantragen wollen. Wahllos Menschen zurück über die Grenze zu prügeln oder auf fahruntüchtigen Booten zurück ins offene Meer zu schleppen, ist erst recht völlig undiskutabel – es ist aber die Realität. Wenn Sie davon ausgehen, dass in Ländern wie Belarus oder der Türkei keine Folter droht, scheinen Sie aber ohnehin in einer anderen Realität zu leben als ich. Davon abgesehen ist Folter bei weitem nicht der einzige Asylgrund, und das Herkunftsland allein keine Grundlage für die Ablehnung eines Asylantrags.

      Wenn Sie sich tatsächlich inhaltlich mit dem Thema auseinandersetzen wollen, empfehle ich für den Start einen Blick in die Broschüre „Argumente gegen Vorurteile“ des Flüchtlingsrats NRW, die sich u.a. auch mit einigen der von Ihnen vorgebrachten Thesen auseinandersetzt: https://www.frnrw.de/fileadmin/frnrw/media/downloads/In_eigener_Sache/Flyer/Argumente_gegen_Vorurteile_FR_NRW_2022_09.pdf

  • Cris

    Wieso wird hier ein Kommentar veröffentlicht, der voller irreführender Behauptungen und verkappt rassistischer und völkischer Formulierungen ist?

    Ist „Bochum alternativ“ jetzt so zu verstehen, dass hier die „Alternative für Deutschland“ hier ihre Propaganda verbreiten kann?

    • Hans

      Das geht auf meine Kappe. Der Kommentar enthält zwar reichlich falsche und grenzwertige Behauptungen, aber (meiner spontanen Ersteinschätzung nach) keinen offenen Rassismus, daher hatte ich mich entschieden, ihn freizugeben, aber direkt mit einer Richtigstellung zu kommentieren. Insbesondere da Norbert zurecht darauf hinweist, dass „Marita Weissig“ ein großflächig kommentierender Troll ist, war das wohl die falsche Entscheidung. Darauf werde ich bei nächster Gelegenheit stärker achten.

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