Freitag 23.09.22, 18:47 Uhr

Kritik an Flüchtlingsunterbringung 1


Der „Initiativkreis Flüchtlingsarbeit Bochum“ kritisiert die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter in Turnhallen und sieht in dem Vorgehen der Stadt Bochum einen eindeutigen Bruch der Kinderrechtskonvention. Er fordert von der Stadt einen sofortigen Stopp der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Turnhallen. Zurzeit werden ca. 90 Kinder und Jugendliche, die in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Bochum registriert wurden, von der Stadt Bochum in Turnhallen untergebracht.

Der Initiativkreis schreibt: »Zurzeit werden in Bochum rund 90 unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die bei der Landeserstaufnahmeeinrichtung LEA registriert wurden, von der Stadt Bochum in Turnhallen untergebracht. Aufgrund weiter steigender Zahlen will die Stadt Bochum weitere Turnhallen für die Unterbringung für unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Betrieb nehmen. Wir als Initiativkreis Flüchtlingsarbeit Bochum sind entsetzt über die Unterbringung und kritisieren das Vorgehen der Stadt Bochum deutlich.

Als Initiativkreis haben wir uns in den letzten Jahren stetig für die Einhaltung von Unterbringungsstandards für Geflüchtete eingesetzt. Die Unterbringung von alleinreisenden Kindern und Jugendlichen in Turnhallen verletzt jegliche dieser Standards, die sich die Stadt Bochum auch selbst gegeben hat. In Turnhallen gibt es für die Jugendlichen und Kinder keine Privatsphäre, keine Ruhe, keine ausreichenden Sanitäranlagen, keinen hinreichenden Infektionsschutz und keine angemessene medizinische, psychologische und soziale Versorgung: Turnhallen bieten kein adäquates Umfeld für geflüchtete Kinder und Jugendliche und die Stadt Bochum bricht mit diesem Vorgehen eindeutig Grundsätze der Kinderrechtskonvention.

Nach eigenen Aussagen der Stadt Bochum und Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung stellt die Unterbringung der Jugendlichen in Turnhallen eine “absolute Notlösung” für die “Vermeidung von Obdachlosigkeit” dar. Wir hingegen sind davon überzeugt, dass die Unterbringung der Jugendlichen in Turnhallen hätte verhindert werden können und möchten dies begründen:

Erstens war der Stadtverwaltung und auch der Politik in Bochum seit Monaten bekannt, dass die vorgehaltenen Kapazitäten für die Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger nicht ausreichen und die Zahlen der Ankommenden weiter steigen werden. Hier wurden keine langfristigen und präventiven Lösungen erarbeitet. Zweitens wurden in den vergangenen zwei Wochen für die konkrete Notsituation die vorhandenen Netzwerke, die vielfältige Trägerlandschaft sowie bestehende Gremien nicht genutzt, um alternative Lösungen für die Unterbringung der Jugendlichen zu finden.

Als Initiativkreis Flüchtlingsarbeit Bochum fordern wir deshalb von der Stadt Bochum und den politisch Verantwortlichen in unserer Kommune:
1. Den sofortigen Stopp der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Turnhallen und keine Ausweitung dieser Kapazitäten
2. Die Achtung und Durchsetzung von Kinderrechten
3. Den Einbezug aller vorhandenen Ressourcen (Trägerlandschaft, Wohlfahrtsverbände, Netzwerke) zur Unterbringung der Jugendlichen
4. Errichtung einer transparenten und lösungsorientierten Kommunikationsstruktur
5. Die Entwicklung präventiver Konzepte für die Unterbringung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen
6. Die Erweiterung der Kapazitäten für die kurzfristige Unterbringung von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten«


Ein Gedanke zu “Kritik an Flüchtlingsunterbringung

  • Meckerkopp

    Und auch wenn dann mal eine dieser absolut ungeeigneten Turnhallen eingerichtet wurde, ist die Stadt Bochum nicht in der Lage, schnell für eine angemessene Versorgung der Jugendlichen zu sorgen. Die Kids kommen oftmals nur mit dem, was sie am Leibe tragen, nach Bochum. Sie haben fluchtbedingt u.U. auch ansteckende Hautkrankheiten.
    Das bedeutet, dass schnellstmöglich neue Kleidung organisiert werden muss.
    Auch in diesem Fall war das wieder einmal nur durch zivilgesellschaftliches Engagement, jenseits der von der Stadt hofierten Organisationen, möglich.

    Es gibt keine Notfallpläne und auch keinen Führungspersonen bei der Stadt, die „den Arsch in der Hose haben“ schnell Verantwortung zu übernehmen und lösungsorientierte Entscheidungen zu treffen.

    Es hätte noch am ersten Tag heißen müssen: „Die Jungs brauchen Klamotten? Liebe IFAK (die hier spontan, ohne finanzielle Absicherung durch die Stadt, in die Versorgungslücke gesprungen ist), hier habt ihr Geld, kauft die Sachen.“ Oder auch ein städtischer Anruf bei einem der ortsansässigen Bekleidungshäuser hätte Wunder gewirkt. Wir reden hier über eine Summe von weniger als 5000 €!

    Dieses „Nicht-Wahrnehmen“ von dringender Problemlage, dieses bräsige „Nicht-Handeln“, entfremdet Politik und Verwaltung zunehmend von der Lebensrealität vieler Menschen.

    Die Stadt verkennt auch, wie groß ihr Imageschaden ist, wenn wieder einmal eine Spendenaktion, z.B. wie aktuell für die Jugendlichen in der Turnhalle, aus dem Boden gestampft werden muss. Bei jedem Spendenaufruf von zivilgesellschaftlichen Strukturen, die von der Stadt oft nicht wahrgenommen oder wertgeschätzt werden, schwingt mit, dass die Stadt es aufgrund ihrer unflexiblen Verwaltungsstrukturen nicht hinbekommt oder, schlimmer noch, gar nicht will, schnelle Hilfe zu organisieren.

    Da kann Herr Eiskirch zum 37. mal pressewirksam in der WAZ die Arbeit der Ehrenamtsagentur loben. Der Imageschaden, der durch Nicht-Handeln entsteht, auf das wir reagieren müssen, ist größer.

    Warum ich jetzt über „Image“ schreibe? Ich habe den Endruck, dass Marketing für die Stadt eine größere Bedeutung hat als reale Politik im Interesse ihrer, eben auch, marginalisierten Bürger*innen.

    Das große Negativbeispiel war da ja auch die Bochumer Sozialkonferenz, die die Problemlagen armer und zugewanderter Bürger*innen konsequent ausgeblendet hat. Das war letztendlich auch nichts anders als eine mit­tel­schicht­ori­en­tierte Marketingveranstaltung unter Verleugnung der Probleme, der Menschen, mit denen man eh nichts zu tun haben möchte.

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