Donnerstag 11.08.22, 21:26 Uhr

Große Probleme für Studierende aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass 3


Die Initiative „Drittstaatsangehörige aus der Ukraine“, die sich aus „Bochum Solidarisch“ heraus gegründet hat schreibt: »Wir wissen nicht genau, wie viele Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine studierten, vor dem Krieg nach Bochum geflohen sind. Wir wissen aber, dass diese hier eklatant schlechter behandelt werden als Menschen mit ukrainischem Pass. In der Ukraine Studierende mit z. B. indischem, nigerianischem oder sudanesischem Pass wird immer noch der Aufenthalt nach §24 Aufenthaltsgesetz versagt. Das Ausländerbüro Bochum berät in Richtung anderer, schlechter ausgestatteter Aufenthaltstitel und entscheidet aktuell nicht über die Anträge nach §24 AufenthG.

So lange haben die Studierenden eine „Fiktionsbescheinigung“. In Bochum allerdings ohne Arbeitserlaubnis. Die Menschen dürfen also nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, sondern müssen auf Leistungen des Jobcenters angewiesen bleiben.

Da sind wir beim nächsten Problem. Wir kennen Fälle, bei denen die Leistungen des Jobcenters aus eben diesem Grund, dem Arbeitsverbot durch das Ausländerbüro, versagt werden. Dabei gibt es seit Mai (!) 2022, also noch bevor die Menschen ab 01.06. in die Zuständigkeit des Jobcenters gerieten, eine „Fachliche Weisung“ der Bundesagentur für Arbeit, dass genau dies so nicht sein darf. Mitarbeitende des Bochumer Jobcenters ignorieren diese Weisung aber ganz offensichtlich.

Erste Widerspruchsverfahren waren erfolgreich, trotzdem gibt es weiterhin ablehnende Bescheide mit dieser Begründung.

Es gibt Drittstaatsangehörige, die seit Juni, also seit dem das Jobcenter zuständig ist, ohne Leistungen dastehen und sich das Geld zum Leben bei Freunden zusammenbetteln müssen!

Überhaupt das Jobcenter Bochum:

– Unterlagen verschwinden und müssen neu eingereicht werden.

– Ein Bekannter bekam drei (!) unterschiedliche Bescheide vom gleichen Tag zugesandt (Ablehnung, Bewilligung, Widerruf der Bewilligung).

– trotz Ablehnung der Leistungen werden, nach einem Widerspruch, weitere Unterlagen nachgefordert, als ob es die Ablehnung nicht gegeben hat. Sie hat weiterhin Bestand. Auf den Widerspruch wird nicht eingegangen.

– Leistungen werden wg. angeblich fehlender Mitwirkung bis November versagt, weil es sprachliche Missverständnisse gibt, da ein Mitarbeiter des Jobcenters den Studierenden auf dem Telefon anruft und auf Deutsch einen Termin absprechen will, obwohl der „Kunde“ nachweislich kein Deutsch spricht……aber natürlich fließend diverse andere Sprachen, darunter Englisch, was wiederum der Mitarbeiter des Jobcenters nicht sprechen will oder kann. Aber er sitzt am längeren Hebel und sanktioniert erst einmal.

– ein Mitarbeiter des Jobcenters lässt sich, jenseits seiner Kompetenzen und Zuständigkeiten, in einem ablehnenden Bescheid darüber aus, dass sein „Kunde“ ja wieder in sein Herkunftsland zurückkehren könne.

Das sind alles nur die Probleme, die wir, ohne großartige eigene Recherche, von unseren Bekannten, die in der Ukraine meistens Medizin studierenden, mitbekommen.

Dazu kommt ganz grundsätzlich das Problem, dass Jobcenter und Ausländerbüro offensichtlich keine Schnittstelle für den direkten, fallbezogenen Austausch etabliert haben. Kommunikation zwischen den beiden Institutionen läuft immer über die schriftliche Benachrichtigung der „Kunden“…..und ist damit langsam, arbeitsintensiv und fehleranfällig. Deutsche Verwaltungsmentalität eben. Die Leidtragenden sind die Menschen, die auf die Unterstützung angewiesen sind.

In Berlin hat sich die Initiative „BIPoC Ukraine & Friends in Germany“ gegründet, die sich für die faire und gleiche Behandlung aller vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtetem Menschen einsetzt.
Die Webseite dieser Initiative findet ihr hier: https://bipocukraine.org/ , den Twitteraccount hier: https://twitter.com/BIPoCukraine

Diesen Forderungen schließen wir uns an.«


3 Gedanken zu “Große Probleme für Studierende aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass

  • Daniela

    Vielen Dank für den Artikel. Wir haben 2 Studierende aus der Ukraine aufgenommen, die aus Nigeria stammen. Ich kann all diese Vorwürfe unterstreichen, da wir das sämtlich selbst erlebt haben. Meines Erachtens wurde auch gezielt versucht, uns als Gastfamilie in finanzielle Nöte zu treiben und dazu zu bringen, riskante Bürgschaften zu unterschreiben. So wurde uns gesagt, dass man den vom BAMF finanzierten Sprachkurs nicht anerkennt und man einen Intensivkurs an der Uni machen muss, der kostenpflichtig ist (nur ein Beispiel). Die Ausländerbehörde hat nicht nur davon abgeraten, §24 zu beantragen, sie haben den Antrag schlicht und ergreifend ignoriert. Ich könnte hier noch viel schreiben, aber das meiste ist gesagt. Dank unserer Anwältin bekommen die beiden nun Unterstützung und die prekäre Lage hat sich entschäft.

  • Viktor

    Divide et impera – teile und herrsche!

    Nichts für ungut,
    ich traf die letzten Tage einige junge arabische Migranten, die darüber klagten, dass sie gar nicht studieren dürften.
    Angesichts der ukrainisch Flüchtlinge fanden sie dies eklatant ungerecht und nannten dieses Vorgehen des deutschen Staates gegen sie rassistisch.

    • Alle gegen alle

      Ja, es wird ein Mehrklassensystem an geflüchteten Menschen konstruiert. Die „Drittstaatenangehörigen“ aus der Ukraine werden im Zusammenspiel von Ausländerbüro, Jobcenter und Sozialamt „ausgehungert“. Bei keinerlei Leistungen und Arbeitsverbot nützt ihnen auch die theoretische Möglichkeit zu studieren nichts, wenn sie nicht reiche Eltern haben, die für alles aufkommen. Diese Eltern schicken ihre Kinder allerdings in die USA oder nach London zum Studium, nicht in die Ukraine.

      Aktuell wurden einer Drittstaatenangehörigen sogar die schon bewilligten Zahlungen wieder eingestellt, da sie nachweisen soll, dass ihre Fiktionsbescheinigung auf der Beantragung des §24 AufenthG beruht, was sie aber nicht kann, da das ALB zumindest in Bochum von genau dieser Beantragung abrät.

      Politische Parteien wie die Grünen oder die Linke oder auch „linke“ Gruppierungen interessiert das Schicksal dieser Menschen ganz offensichtlich auch nicht. In Berlin und Hamburg gibt es Demonstrationen u.a. mit „Seebrücke“ zusammen gegen diese Ungleichbehandlung. In Bochum gibt es…nix.

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