Mittwoch 02.03.22, 18:53 Uhr

„Die Erde nicht zur Hölle werden lassen!“ 10


Das Bochumer Friedensplenum berichtet auf seiner Webseite von der gestrigen Kundgebung »Nein zum Krieg – Rückkehr zu Frieden und Völkerrecht!« auf dem Dr.-Ruer-Platz mit geschätzten 400 Teilnehmenden. Es sprachen der Theologe Prof. Günter Brakelmann, Stefan Marx vom DGB Ruhr Mark, Felix Oekentorp für die DFG-VK und Sevim Dagdelen, MdB, von der Partei „Die Linke“:
»Zum Auftakt der Kundgebung mahnte Prof. Günter Brakelmann in seiner beeindruckenden Rede, dass auch ein konventioneller Krieg millionenfach elenden Tod bedeutet, und fragte, ob ein Krieg, der in einen atomaren übergehen kann, überhaupt zu verantworten sei. Wenn schon konventionelle Rüstung in der Lage ist, die Welt zwei- bis dreifach zu zerstören, wofür sei dann noch weitere Aufrüstung nötig.«

Prof. Günter Brakelmann am 1. Februar 2022 in Bochum
Prof. Günter Brakelmann
Felix Oekentorp, Sprecher der DFG-VK NRW
Felix Oekentorp
Sevim Dagdelen, MdB Die Linke am 1. Februar 2022 in Bochum
Sevim Dagdelen

»Brakelmann beklagte, dass überall Aufmarsch-Pläne der Regierenden in der Schublade liegen, die Bevölkerung aber nicht informiert sei, obwohl doch gerade sie davon betroffen ist. Es sei zweifelhaft, ob sich die Verantwortlichen über die möglichen Folgen ihres Handelns im Klaren sind. Die derzeitigen Diplomatie sei unfähig, Kompromisse einzugehen. Diplomatie, die aber den Krieg vorbereite, sei ein Verbrechen. Wörtlich „Wir werden weithin, weltpolitisch gesehen, von Verbrechern regiert.“ und „Wir können nicht den Himmel auf Erde schaffen, aber eine Menge tun, um die Erde nicht zur Hölle werden zu lassen.“

Für Stefan Marx vom DGB Ruhr Mark, den nächsten Redner, gibt es keine Situation, in der es keine Alternative gäbe. Er verurteilte den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine aufs schärfste. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stünden an der Seite der Menschen.

Es sei nun notwendig, besonnen zu sein und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Stefan Marx endete mit dem Satz; „Niemand ist wirklich sicher, bevor es alle sind.“

Felix Oekentorp verurteilte die vom Bundestag beschlossenen Waffenlieferungen als „Benzin ins Feuer gießen“. Die einseitige russischen Anerkennung der Sezessionsgebiete Luhansk und Donezk verurteilte er wie seinerzeit die einseitige deutsche Anerkennung des Kosovo nach dessen selbsternannter Abspaltung von Serbien. Auch wenn die Osterweiterung der NATO im Widerspruch zu damaligen Versprechen im Rahmen der 2+4 Verträge stehe, so sei der Einmarsch der Russischen Truppen damit nicht entschuldigt. Die Ungleichbehandlung der Flüchtlinge hielt er für unerträglich: während Ukrainer:innen ohne große Formalitäten anerkannt werden sollen, ertrinken Flüchtlinge aus anderen Regionen weiterhin im Mittelmeer. Er endete mit „Wem noch mehr Krieg für die passende Antwort auf Krieg gilt, dem müssen die Mikrofone weggenommen werden! Und das Geld! Was die Menschen brauchen ist Frieden! In der Ukraine. In Syrien. In Mali. In allen Orten der Erde.“

Sevim Dagdelen verlangte den sofortigen Stopp der kriegerischen Handlungen Russlands,Waffenstillstand und den Rückzug der Truppen,. Der Einmarsch in ein anderes Land sei durch nichts zu rechtfertigen. Wie die NATO- Bombardierung Belgrads 1999 und die US- Bomben im Irak sieht sie auch die kriegerischen Taten Russlands als völkerrechtswidrig an. Sie erinnerte an die Kriegsgegner:innen in Russland, die unter hohem Einsatz protestieren. Sevim Dagdelen gab zu, sich geirrt zu haben in Bezug auf die Kriegsbereitschaft Putins.

Die Sondersitzung des Bundestags am Sonntag „beschließt über Nacht 100 Mrd € Sondervermögen für die Bundeswehr plus die Übererfüllung des NATO-2%-Ziels, derweil Pflegekräfte noch immer auf ihren versprochenen Pandemiezuschlag warten“, kritisierte sie und mahnte: „Hochrüstung führt immer in die Sackgasse der Eskalation“.

Zum Schluss der Kundgebung erzählte der Versammlungsleiter Martin Budich eine kleine wahre Geschichte: An einer Häuserwand in Düsseldorf las er den Spruch „Krieg ist die größte Phantasielosigkeit der Menschheit“. Damals, 1968 war seine erste Demoanmeldung. Sie wandte sich gegen den Einmarsch russischer Truppen beim Prager Frühling. Die Hoffnung auf Sozialismus mit menschlichem Antlitz war mit diesem Einmarsch zerstört. Beeindruckend war, dass die Menschen sich damals den Soldaten unbewaffnet entgegenstellten.

Wenn das am Sonntag beschlossene Sonderprogramm von 100 Mrd € zum Lindern der Leiden der Zivilbevölkerung statt in Aufrüstung gesteckt würde und Experten den zivilen Widerstand aktiv unterstützen würden, so Budich, wäre die derzeitige Situation sicher weit schneller und effektiver zum Guten geändert als durch die so beschlossenen Aufrüstungen. Er schloss seine Gedanken mit der Frage „Sind solche Gedanken verrückt oder ist es die Gesellschaft in der wir leben.“.«


10 Gedanken zu “„Die Erde nicht zur Hölle werden lassen!“

  • Mittw 02.03.2022 - Die Russische Armee "kämpft nicht" sondern zerstört ganze Stadteile

    Krieg in der Ukraine:
    Ganze Viertel werden zerstört
    Russlands Angriffe auf ukrainische Städte werden immer brutaler.
    Bomben fallen auf Charkiw und Kiew, in Mariupol sind Hunderttausende eingekesselt.
    BERLIN – taz – 02.03.2022
    Dominic Johnson
    https://taz.de/Krieg-in-der-Ukraine/!5838917/

    Dort geht gerade die Hölle los

  • do 03.03.22

    angesichts der strategie der russischen armee, vollständige zerstörung durch artilleriebeschuss, sollte die ukrainische regierung kapitulieren. die militärische macht der russichen armee ist zu groß. in belarus stehen zusätzlich 300 panzer der dortigen armee bereit. die kapitulation würde große opferzahlen unter den zivilisten verhindern. einige pressestimmen gehen bei fortlaufenden kämpfen davon aus dass die ukrainische bevölkerung in den teilprovinzen luhansk und domensk sonst von einem genozid bedroht sind.

  • Andreas

    Was mir leider in allen Redebeiträgen gefehlt hat, war die Bezugnahme auf rassistische Sichtweisen auf die Schutzsuchenden.
    Sei es bei der Ungleichbehandlung von nicht-weißen Menschen an der ukrainisch-polnischen Grenze, sei es bei den Beiträgen in (nicht nur) deutschen Medien wie bei der letzten Ausgabe von „hartaberfair“ (uebermedien.de/69002/von-kriegsopfern-erster-und-zweiter-klasse) oder auch bei mehreren Beiträgen in der WAZ zu Kriegsängsten, in denen der Blick nur auf weiße Deutsche gerichtet ist.
    Wir sind uns einerseits hoffentlich einig, dass Menschen aus und in der Ukraine unterstützt werden müssen, auf der anderen Seite erleben wir gerade eine Offensive rechter Kräfte für die rassistische Einteilung in gute und schlechte Flüchtlinge, die bis weit in die bürgerliche Mitte hinein reicht. Die Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine darf nicht entlang kulturalisierender Trennungslinien erfolgen.

  • Kriegsdienst Jetzt Verweigern !

    Ich bin ein alter Kriegsdienstverweigerer. Und ich rate allen, die es noch nicht sind, jetzt den Kriegsdienst zu verweigern. Das ist bisher nicht schwierig. Es ist zu befürchten , dass die Wehrpflicht hier wieder eingeführt wird.

  • Elke

    https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Gross-Demo-und-Aktionen-gegen-Ukraine-Krieg-heute-in-Hamburg,ukrainedemo118.html.
    …. wieso gibt es das nicht im Ruhrgebiet – mein Wunschort wäre Bochum – eine breitgefächerte Demonstration gegen diesen Krieg ? Ist es so, weil Ruhrgebiet immer noch SPD-Kernland ist und die Frage vermieden werden soll, wie es dazu kommen konnte, dass Gerhard Schröder in seinen letzten Tagen als Aktiv-Kanzler (ohne großen Aufschrei übrigens) die Gasnachfrage der Bundesrepublik an Russland verkaufte, um dann nahtlos in den Vorstand der entsprechenden Konzerne zu wechseln? Das Thema wurde ja immer bemerkenswert unter der Decke gehalten. Hat Gazprom nicht nur Schalke im Ruhrgebiet finanziert ?

    Warum ist die Friedensbewegeung so still ? https://www.ruhrbarone.de/sevim-dagdelen-und-die-friedensbewegung-kaempfen-um-ihr-ueberleben/206306 … im Tonfall abwertend, deshalb unangenehmen zu lesen. Die aufgeworfenen Fragen sind interessant. Was ist aus der Ostermarschbewegung geworden – ein Klub, dem nur noch – vielleicht auch durchaus zurecht -einfällt, die NATO-Hochrüstung zu kritisieren ? Was ist los in Bochum ? Wieso bekommt man/frau von Mahnwachen, Friedensgebeten, Kundgebungen in Bochum nichts mit ? Gibt es sie wirklich nicht ?

  • Elke

    Gut, jetzt habe ich intensiv gesucht – in Bochum passiert viel an praktischer Hilfeleistung – Cafe lysa, Paketlieferungen, Vorbereitung für die kommenden Flüchtenden und Geflüchteten usw. Mir fehlt der politische Druck im Bereich der Wirtschaft das zu tun, was eventuell mehr hilft, als Waffenlieferungen. Ein Kabarettist hat vorgeschlagen, von deutscher Seite aus den Gashahn zuzudrehen und eben nicht mehr täglich – wieviel Millionen waren es noch einmal ? – an das oligarchische System in Russland zu überweisen. Eine schwer zu realisierende, aber nicht völlig unmögliche Idee. Sie könnte in symbolischer Form passieren – einmal 5 min lang die Heizung ausdrehen o.ä.

  • Elke

    hallo,

    habt ihr meinen ersten Beitrag gelöscht ? Heute vormittag war er unmittelbar nach meiner Eingabe online gestellt, zumindest ich konnte ihn lesen. Ja, der Beitrag stellte kontroverse Fragen – warum es keine große Friedensdemo in Bochum gibt wie beispielsweise in Hamburg; ob und wenn ja, warum die Friedensbewegung, der ich mich zugehörig fühl(t)e, jetzt hier in Bochum so zurückhaltend ist; ich habe den sprachlich abwertenden Artikel von Stefan Laurin verlinkt, der für mich auch richtige Fragen enthielt; habe die Frage gestellt, ob Gazprom nicht nur Schalke finanziell unterstützt hat …. habt ihr den echt zensiert ?

    • Redaktion

      Die Redaktion hatte tatsächlich deinen ersten Kommentar rausgenommen – in der Annahme, dass dein zweiter Kommentar von dir als Korrektur gedacht war. Wir löschen Kommentare bzw. unterlassen deren Veröffentlichung nur, wenn die Kommentare persönlich herabsetzend und diffamierend sind. Das trifft u.E. nach für den von dir verlinkten Artikel der Ruhrbarone zu. Es ist zwar vor allem ein Artikel der falschen Darstellung (beginnt bereits mit der Überschrift „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war nur ein Randthema“) und pauschalen Herabsetzung der Friedensbewegung, aber selbst, wenn der Autor nicht verstanden haben sollte, dass in allen Reden der russische Angriff auf die Ukraine das Hauptthema war, entschuldigt das nicht die aggressiv herabsetzende Beschreibung der Redner:innen. Dies betraf nicht deinen Kommentar selbst und deshalb haben wir ihn trotzdem veröffentlicht und werden das jetzt auch wieder tun. Wir halten es aber für wünschenswert, dass in Zukunft auf solche Links verzichtet wird.

      • Michael

        Hallo Redaktion,
        ihr zensiert also auch? Schade! Auch wenn eure Wortschöpfung „rausgenommen“ eine wirklich schöne Umschreibung eines unschönen Sachverhaltes darstellt. Ich möchte eigentlich nicht vor unliebsamen Äußerungen Dritter „geschützt“ werden, sondern mir eine eigene Meinung bilden. Und tatsächlich enthält die Polemik von Stefan Laurin, dessen Ansichten ich persönlich auch meist für grenzwertig halte, immerhin interessante (Lese)Hinweise. Ich denke, ihr tätet gut daran, entsprechende Hinweise zu ertragen und euch Appelle wie „Wir halten es aber für wünschenswert, dass in Zukunft auf solche Links verzichtet wird“ zu verkneifen.

        • Martin Budich

          Hallo Michael,
          Deine Position ist auf den ersten Blick sehr sympathisch. Ich bin mir sicher, vor 20 Jahren hätte ich sie völlig geteilt. Jetzt gibt es aber facebook und die anderen asozialen Medien, in denen es gängig ist, sich anonym zu beschimpfen und Hass zu verbreiten. Die Redaktion würde nie auf die Idee kommen, Dich beschützen zu müssen. Wir wollen aber Leuten keine Plattform bieten, die respektlos mit Menschen umgehen, die sich in einer Initiative engagieren. Heftige Kritik ist erwünscht, anonyme persönliche Diffamierungen zensieren wir in der Tat. Bo-alternativ will Menschen motivieren, sich gesellschaftlich zu engagieren. Solche Menschen möchten wir tatsächlich vor Beleidigungen schützen. Leser:innen die andere beleidigen und herabsetzen wollen, möchten wir gar nicht haben. Wie bereits erwähnt, gibt es ein reiches Angebot an Plattformen, wo diese Beleidigungen und Hassbotschaften Teil der Geschäftsidee sind. Eine Insiderin von facebook hat das im letzten Jahr erfreulich deutlich offen gelegt.
          „Rausnehmen“ ist kein Euphemismus für „zensieren“. Es passiert nicht selten, dass auf einen zugesandten Kommentar, die Bitte kommt, ihn doch „rauszunehmen“, weil festgestellt wurde, dass irgendetwas nicht richtig war, oder doch bitte eine korrigierte Fassung veröffentlich werden soll. In diesem Fall war von einer Leserin geschrieben worden, dass in Bochum friedenspolitisch nichts los ist. Dannach kam ein zweiter Kommentar, der anfing: „Gut, jetzt habe ich intensiv gesucht – in Bochum passiert viel an praktischer Hilfeleistung“. Dass ist von uns falsch als Korrektur des ersten Leserbriefs interpretiert worden und wir haben ihn „rausgenommen“. Zensur findet statt, wenn mit anderen Meinungen oder Personen diffamierend und respektlos umgegangen wird. Das ist keine sehr scharfe Definition. Es kann sein, dass die jeweils verantwortlichen Redaktionsmitglieder dies unterschiedlich interpretieren. In aller Regel diskutieren wir dann darüber.
          Eine andere Lösung wäre, dass Leser:innen sich überprüfbar mit ihrem Namen registrieren, bevor sie Kommentare – dann mit ihrem Klarnamen gezeichnet – schreiben wollen. Dann wäre Zensur sehr wahrscheinlich überflüssig.

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