Samstag 19.02.22, 21:07 Uhr
Dokumentation der Demonstration "Hanau wird nicht vergessen – Gedenken heißt kämpfen!" am 19. 2. 2022 in Bochum

Rede vom Revolutionären Jugendbund


Wenn People of Color sagen, dass die Polizei gefährlich ist, Menschen tötet und uns nicht schützt, dann ist das keine Übertreibung. Wir kennen alle den Kollegen, Nachbarn oder den Familienangehörigen, der sagt: “Ach komm, das sind doch nur Behauptungen – so kann man das nun wirklich nicht sagen”. Deshalb haben wir euch heute mal ein paar anschauliche Zahlen mitgebracht, die zeigen, wie tief Rassismus im Staatsapparat verankert ist. Die Zahlen beziehen sich konkret auf die deutschen Behörden.

Stichwort „Racial Profiling“. Dies sind verbotene polizeiliche Maßnahmen, die nicht wegen eines Verdachtsgrundes, sondern aufgrund von rassifizierten Merkmalen durchgeführt werden. People of Color werden in Deutschland doppelt so häufig kontrolliert wie weiß gelesene Menschen.

Seit dem Jahr 1990 wurden über 300 Menschen von der Polizei erschossen. Außerdem sind mindestens 181 People of Color seitdem in Polizeigewahrsam gestorben. D.h. ca. alle 2 Monate stirbt ein Mensch mit Migrationshintergrund in Gewahrsam. Ein bekanntes Beispiel ist Oury Jalloh, der von Cops misshandelt, ermordet und anschließend verbrannt wurde. Wir erinnern uns – wir reden hier ausschließlich über den DEUTSCHEN Polizeiapparat.

Die Polizei tötet auch, indem sie gezielt den Schutz bestimmter Personengruppen vernachlässigt. Während die polizeiliche Aufklärungsquote bei Brandstiftung auf 50% geschätzt wird, liegt sie, wenn es um Brandstiftung in Geflüchtetenunterkünften geht, nur bei 5%.

Die Uni Bochum fand in einer Studie heraus, dass in einem Jahr mindestens 12.000 rechtswidrige Übergriffe von Polizeibeamt:innen stattfinden. Das sind 33 an nur einem einzigen Tag. Weniger als 20 der 12.000 rechtswidrigen Übergriffe enden mit einer Verurteilung. Die Dunkelziffer dieser Übergriffe ist hoch.

Wie ihr merkt, ist es also nicht übertrieben zu sagen, dass die Polizei gefährlich ist! Sie verfügt über eine starke Machtposition, denn sie hat Zugang zu einer großen Menge personenbezogener Daten. Dies wurde bereits mehrfach ausgenutzt, indem sie Antifaschist:innen an Nazis auslieferte oder Drohbriefe an private Adressen linksgesinnter Menschen, Politiker:innen sowie Anwält:innen der Betroffenen im NSU Prozess gesendet wurden. Auch auf dem Handy des Mordhelfers von Stefan E., dem Mörder von Walter Lübcke, wurden interne Dokumente der Polizei entdeckt. Das rechtsterroristische Netzwerk Hannibal, bestehend aus Menschen vom Verfassungsschutz, Bundeswehr und Polizei, hat ebenfalls sensible Daten weitergeleitet bekommen.

Nachdem wir diese Fakten nun gehört haben, ist es in keiner Weise verwunderlich, dass die Polizei kein Freund und Helfer der Bürger:innen ist. Studien aus aller Welt belegen unter anderem auch, dass Polizist:innen deutlich rechter als der Durchschnitt der Bevölkerung wählen. Spätestens seit dem Mord an George Floyd ist die Forderung “abolish the police”, also die Abschaffung der Polizei, auch in Deutschland hörbar geworden. Dabei soll sie jedoch nicht einfach abgeschafft werden, während unsere gesellschaftlichen Verhältnisse so bleiben wie sie sind. Vielmehr gilt es durch das Schaffen einer emanzipierten und gerechten Gesellschaft die Polizei überflüssig zu machen. Um diesen Prozess einzuläuten, fordern wir:

⁃ Demilitarisierungen, also die Entwaffnung der Polizei. Damit meinen wir nicht nur die Restriktionen von Waffen, sondern auch jede Art von Technologie der Überwachung und Datenspeicherung. Denn diese Ressourcen machen die Polizei zu einem gefährlichen politischen Akteur.

⁃ Dekriminalisierung von Orten als sogenannte Gefahrengebiete. In diesen darf sie nämlich verdachtsunabhängig kontrollieren. Die Kennzeichnung solcher Orte erfolgt vermeintlich willkürlich und vorurteilsfrei, betrifft aber doch überwiegend migrantische Orte. Durch das Verbot von Gefahrengebieten würde ein krimineller Generalverdacht gegen migrantische Menschen deutlich eingeschränkt werden.

⁃ Defund the police, also die Definanzierung der polizeilichen Mittel. Das Geld sollte stattdessen in andere Strukturen und Projekte investiert werden. Konkret bedeutet das beispielsweise mehr Geld für Wohnprojekte anstatt, dass die Polizei Wohnungslose verscheucht. Konkret bedeutet das mehr Geld für Suchthilfe statt einfach Kriminalisierung von Drogenkonsum. Sprich, mehr Geld für soziale Lösungen der sozialen Probleme.

Außerdem fordern wir, weil es schon lange überfällig ist:

⁃ Eine unabhängige Polizeistudie zu Rassismus in der Behörde

⁃ Eine unabhängige, zivile Kontroll- und Beschwerdestelle. Denn wer schützt uns bitte vor der Polizei, wenn sie sich selbst kontrolliert?

⁃ eine tatsächliche Umsetzung des Verbots von Racial Profiling

⁃ Konsequente Aufklärung aller Fälle!

Das ist die Realität in Deutschland 2022; die Realität für People of Color, die keinen Schutz haben und für die dieses rassistische System jeden Tag tödlich sein kann. Es liegt schon längst auf der Hand, dass wir als Antirassist:innen und Antifaschist:innen im Kampf gegen Rechts nur auf unsere eigene Kraft vertrauen können, denn Staat und Behörden werden uns nicht helfen, wie wir auch in Hanau gesehen haben. Umso wichtiger ist es, dass wir uns zusammentun und Rassismus nicht nur individuell bekämpfen. Also organisieren wir uns!

Für eine andere Gesellschaft, ohne Rassismus und Unterdrückung!