Dienstag 19.10.21, 13:32 Uhr
Ringvorlesung der MfH anlässlich 70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention

(K)ein Grund zu feiern?


Die Medizinische Flüchlingshilfe nimmt den 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention zum Anlass für eine (online) Ringvorlesung, die fragt, ob dieser Jahrestag Anlass zum feiern gibt. Die erste Veranstaltung wird am 28.10. stattfinden (zum Programmheft). Die MfH schreibt zu diesem Vorhaben: »Die MFH beobachtet seit vielen Jahren, dass die Rechte von Geflüchteten zunehmend ausgehöhlt werden, sowohl auf der Flucht als auch nach ihrer Ankunft im Aufnahmestaat.

Ständige Gesetzesverschärfungen führen dazu, dass die Menschen ihre Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) häufig gar nicht in Anspruch nehmen können. Die politischen Signale sind sehr deutlich: Flüchtlinge stellen für die Politik ein Problem dar, daher soll die Flucht in die EU schwer bis unmöglich gemacht werden. Für jene, die es in die EU geschafft haben, sollen die Bedingungen möglichst schlecht bleiben, um zu verhindern, dass weitere Menschen nach Deutschland und die EU kommen. So müssen sie unter unmenschlichen Bedingungen ausharren bis über ihre Asylanträge entschieden wird und fürchten jederzeit abgeschoben zu werden. Die meisten Flüchtlinge gelangen jedoch gar nicht erst ins Innere der EU – entweder werden sie auf dem Seeweg daran gehindert, wobei auch ihr Tod billigend in Kauf genommen wird, oder sie werden an den Außengrenzen der EU in Lagern festgehalten, die systematisch ihre Grundrechte verletzen. Dafür geht die EU fragwürdige Deals mit autoritären Regierungen wie der Türkei oder Libyen ein und zahlt Milliarden Euro dafür, dass Flüchtlinge der EU möglichst fernbleiben. Damit ist sie mitverantwortlich für die systematischen Menschenrechtsverletzungen, die beispielsweise im Falle Libyens bis hin zu Folter und Verschwindenlassen reichen.

Im Jahr 1950 wurde das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gegründet, um das Flüchtlingsaufkommen infolge des Zweiten Weltkrieges zu bewältigen. Seine Aufgabe besteht heute darin, Flüchtlinge weltweit zu schützen und humanitäre Hilfe zu organisieren. Als international größte humanitäre Organisation setzt sich das UNHCR auch für dauerhafte Lösungen in Fluchtsituationen ein, basierend auf drei Strategien: Resettlement, Integration und freiwillige Rückkehr. In Europa liegt der Fokus der Aktivitäten des UNHCR auf dem Rechtsschutz für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge.
1951 kam mit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention ein verbindliches Instrument des humanitären Völkerrechts hinzu, welches Aufnahmeländer rechtsverbindlich und verantwortlich in die Versorgung, Verteilung und Integration von Flüchtlingen einbeziehen sollte. Im Jahr 2021 feiert die Konvention ihr 70-jähriges Bestehen und dies zu einer Zeit, in der so viele Menschen auf der Flucht sind wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg – das UNHCR hat für das Jahr 2020 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht dokumentiert.

Die MFH möchte beide Jubiläen zum Anlass nehmen, die Flüchtlingsarbeit der Vereinten Nationen zu präsentieren, einen Einblick in die Geschichte ihrer Arbeit zu ermöglichen, den Status Quo der internationalen Situation von Flüchtlingen kritisch zu beleuchten und Herausforderungen für die Zukunft zu diskutieren.

Gemeinsam mit dem Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum und medico international realisieren wir im Wintersemester 2021/2022 eine Ringvorlesung in englischer Sprache unter dem Titel „70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention – ein Grund zu feiern?“

Wir diskutieren u.a. mit:

  • Phil Orchard, University of Wollongong, Australia
  • Nikolas Feith Tan, Danish Institute for Human Rights
  • Dulo Nyaoro, Moy University Kenya
  • Dr. Ranabir Samaddar, Chair in Migration and Forced Migration Studies Calcutta Research Group, India
  • Dr. Oroub El-Abed, Center for Palestine Studies, SOAS University of London
  • Jeff Crisp, Refugee Studies Centre, University of Oxford
  • Marie von Manteuffel, Medecins sans frontières
  • Shirin Tinnesand, Stand by Lesvos
  • Maximilian Pichl, University of Frankfurt/Main
  • Simone Schlindwein, journalist
  • Thomas Gebauer, foundation medico international

Wir danken der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung für die Finanzierung der Reihe.«