Samstag 03.07.21, 21:42 Uhr
Demonstration am 3. 7. 2021: Solidarisch und entschlossen gegen „Querdenken“, Antisemitismus und Nazis!

Redebeitrag von Christoph Nitsch, stellv. Vorsitzender des Kuratoriums Stelen der Erinnerung


Liebe antifaschistischen Freundinnen und Freunde, liebe Bochumer Bürgerinnen und Bürger,
ist Querdenken nur ein Geschäftsmodell des Stuttgarter Unternehmers Michael Ballweg, der die Pandemie als Chance nutzt, um sich finanziell zu bereichern? Das ist Querdenken mit Sicherheit auch, aber es ist vor Allem auch eine Plattform für alle Arten von Unzufriedenen, KritikerInnen der Anti-Corona-Maßnahmen, radikale ImpfgegnerInnen, für das Reichsbürgermilieu, Neonazis und Menschen, die esoterischen Praktiken und Ideen nahestehen.

Esoterik? Da denken viele doch nur an harmlose Spinner oder sympathische Menschen auf der Suche nach Gott, dem Sinn des Lebens oder metaphysischer Selbsterkenntnis. Was haben solche Leute zwischen Verschwörungsidioten, Aluhüten, Reichsbürgern und Nazis zu
suchen?
Leider war und ist das Esoterikspektrum von jeher durchsetzt mit antisemitischen, rassistischen, homophoben und anderen menschenfeindlichen Ideen. Nicht nur die inhaltlichen, auch die personellen Überschneidungen sind hier augenscheinlich. Im
letzten Jahr war der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Nerling, ein verurteilter Holocaustleugner, gerngesehener Gast auf den Querdenker-Großdemos, bis die Medienaufmerksamkeit zu groß wurde.
Videoblogger Nerling lässt gerne mal seinen Kumpel Axel Schlimper, einen der Köpfe der Thüringer Neonaziszene, in seinen Videos über ein geheimnisvolles Licht schwadronieren, das im Innern all unserer Zellen wohnen soll.
Nerling ist auch Anhänger eines rassistischen Schwachsinns namens „Telegonie“, einer längst widerlegten, pseudowissenschaftlichen Theorie des frühen 20.Jahrhunderts, wonach nur ein Geschlechtsverkehr einer Frau mit einem jüdisch- oder afrikanischstämmigen Mann dazu ausreicht, sämtliche Nachkommen, egal aus wie viel Beziehungen, dem ersten Geschlechtsverkehrspartner ähneln zu lassen.
Außerdem ist Nikolai Nerling prominenter Gast und Referent bei einem der ältesten, deutschen rechtsesoterischen Vereine: „Dem Bund für deutsche Gotterkenntnis“. Dort werden immer noch eifrig die esoterischen Bücher von Mathilde Ludendorff studiert und verlegt. Sie war die Ehefrau des Generals Erich Ludendorff, der am 09.November 1923 gemeinsam mit Adolf Hitler und anderen Verschwörern versuchte, durch einen Putsch in München, die Republik zu zerschlagen.
Auch ein anderer Querdenker-Spezi muss hier genannt werden: Der „Aktivist Mann“, bürgerlich Matthäus Westfal, der gemeinsam mit Nikolai Nerling, Ende August 2020 an den Provokationen am Reichstag beteiligt war, ist ein häufiger Gast der Ballauf-Truppe. Westfal ist u.A. aktives Mitglied der antisemitischen Sekte „Organische Christus Generation“ von Ivo Sasek, der VerschwörungstheoretikerInnen aus allen Spektren auf seinen Kongressen ein Forum bietet.

Dafür, das braune Esoteriker auch brandgefährlich sein können, ist allerdings der selbsternannte Druide Burgos von Buchonia, das beste Beispiel. Ihm reichte es nicht mehr, nur mit keltischer Folklore aufzufallen. Der Reichsbürger Burgos, bürgerlich Burghard Bangert, plante als Kopf eines rechtsterroristischen Netzwerks bewaffnete Anschläge auf Juden, Muslime, Asylsuchende und Polizisten. Im Januar 2017 wurde er festgenommen.
Wie Reichsbürger und rechte Esoterik wunderbar zusammenwirken lässt sich auch am Beispiel des „Königreichs Deutschland“ belegen. Zwar wurde das Gelände des „Königreichs“ in Wittenberg bereits am 15.05.2017 von der Polizei zwangsgeräumt, dennoch hält „Monarch“ Peter Fitzek, der sich gerne „Peter I.“ oder „Peter der Große“ nennen lässt, in Wittenberg immer noch Messen und Kongresse ab.
Prominent präsent sind dort auch Stände der gefährlichen pseudowissenschaftlichen „Neuen Germanischen Medizin“. Der gelernte Koch, Karatelehrer und „König von Deutschland“ Peter Fitzek war außerdem zu einem Vernetzungstreffen im November 2020 mit Querdenken 711 eingeladen, was Jedoch der Polizei bekannt wurde.
Auch die völkischen Siedler der antisemitischen und homophoben „Anastasia“-Sekte sind hier noch zu nennen, da ihr Einfluss vor allem in ländlichen Gegenden Ostdeutschlands immer mehr wächst.
Die neuzeitliche Esoterik wurzelt bereits seit dem 19.Jahrhundert tief im Sumpf der antisemitischen und völkischen Ideen.
So wählte die Okkultistin und Theosophin Helena Petrovna Blavatsky (1831-1891) folgenschwererweise die altindische Swastika, das Hakenkreuz, als Erkennungszeichen ihrer Gesellschaft.
Ihr Sekretär Rudolf Steiner schuf mit der „ Anthroposophie“ eine Pseudolehre, welche über sogenannte „Wurzelrassen“ und die angebliche Überlegenheit der Arier fabulierte.
Aus derselben Ecke stammte auch die „Ariosophie“ des Jörg Lanz von Liebenfels, dessen Schriften einen großen Einfluss auf den jungen Adolf Hitler und andere, spätere Nazis, hatten.
Auch Reichsführer SS Heinrich Himmler war ein großer Anhänger des Okkulten. Er hielt sich für die Reinkarnation des Kaisers „Heinrich des Löwen“ und ließ sein Institut „Ahnenerbe“ altindische Weden studieren und nach dem heiligen Gral suchen.
Er stattete „Die Deutsche Tibet Expedition“ aus, die 1938/1939 das westliche und östliche Hakenkreuz in Zentraltibet zusammenführen sollte.
Außerdem plante Himmler die Wevelsburg in Ostwestfalen zu einem spirituellem Zentrum eines SS-Ritterordens in der Tradition der Deutschen Ordensritter auszubauen.
Wir haben also gesehen, dass esoterische Menschen keineswegs unpolitisch und ungefährlich sind, sondern, dass viele von ihnen, genauso wie Reichsbürger, Neonazis, Q Anons und andere Verschwörungsgläubige, gefährlichen und menschenverachtenden Ideen anhängen.
Die gesamte Querdenker-Bewegung ist eine Plattform, die vorhat, die friedliche Grundlage unserer Gesellschaft schwer zu beschädigen.
Die Querdenker-Bewegung ist eine rückwärtsgewandte, in Teilen rassistische, antisemitische, menschenfeindliche Clique.
Ihren Bestrebungen gilt es aufs Schärfste entgegenzutreten.
NIE WIEDER FASCHISMUS!