Mittwoch 24.06.20, 19:56 Uhr
Ratssitzung im RuhrCongress:

Oberbürgermeister sollte Transparenz schaffen – damit WIR verstehen! 1


Für das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung erklärt Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt zu der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause am 25.06.2020 im RuhrCongress: »Die 53. Ratssitzung der noch bis September laufenden Wahlperiode findet unter Corona-Bedingungen im RuhrCongress statt. Das kennt Bochum schon von der Sitzung im April. Diesmal soll der Rat aber wieder in vollständiger Besetzung tagen. Und das unter Corona-Bedingungen – deshalb der Umzug in den großen Saal. Da fragt sich das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung, warum dies nicht auch bereits im April möglich war. Aber es gibt noch weitere Fragen, die sich bei Durchsicht der Tagesordnung für die letzte Sitzung vor den Ferien stellen.

Wird es vor der Sommerpause im Rat nochmals eine lebhafte Diskussion geben?
Das wäre dringend nötig, denn nachdem der Oberbürgermeister in der Ratssitzung im April in seiner Corona-Rede noch den in das Rathaus eingezogenen „parteiübergreifenden Geist“ beschworen und das „Fehlen von politischen Scharmützeln“ begrüßt hatte, herrschte keine 3 Wochen später in Bochum bereits Kommunalwahlkampf.

Auslöser war eine vom Oberbürgermeister gemeinsam mit dem Vorsitzenden der CDU-Ratsfraktion am 7. Mai 2020 getroffene Dringlichkeitsentscheidung zur Bereitstellung von Haushaltsmitteln für in eine Kampagne „Hier, wo das WIR noch zählt“ verpackte Maßnahmen, die Einzelhandel und Gastronomie in der Bochumer Innenstadt in Corona-Zeiten wiederbeleben sollen. Zeitnah hierzu ging ein Corona-Brief des Oberbürgermeisters an alle Bochumer Ü70-Senior*innen.

Schnell wurde öffentlich die Frage gestellt: Wird dieser Brief durch die mit Dringlichkeitsentscheidung auf den Weg gebrachten Maßnahmen finanziert? Wäre das nicht unzulässige Wahlpropaganda für den Oberbürgermeister?

Der Oberbürgermeister ließ durch die Verwaltung erklären, Bestandteil der Dringlichkeitsentscheidung seien ausschließlich die Entwicklung der Bonus-App von „Wir sind Bochum“ für lokale Händler, ein „Mobilitätspaket“ mit zeitweisem Erlass von PKW-Parkgebühren, kostenlosen Fahrradwäschen und freier Nutzung von Bus und Bahn an vier Samstagen von Oktober bis Dezember sowie die eigentliche Marketing-Kampagne „Hier, wo das Wir noch zählt“.

Bestandteil dieser Kampagne ist aber auch, dass der Oberbürgermeister auf 20 % aller Plakate von den Litfaßsäulen und Werbeträgern der Stadt herunterlächelt und sich so zu Beginn des Wahlkampfs einen großen Vorteil in der öffentlichen Wahrnehmung verschafft.

Nun liegt die Dringlichkeitsentscheidung als Vorlage zur Genehmigung durch den Rat in der Sitzung am 25.6.2020 vor. Und tatsächlich – der vielfach als Wahlpropaganda eingestufte Brief des amtierenden Oberbürgermeisters ist nicht erfasst.
Darf aber der Oberbürgermeister allein mit einem weiteren Ratsmitglied solche Maßnahmen für Bochum überhaupt beschließen?

Eine Oppositions-Partei hat mit einem klaren Nein geantwortet und hat deshalb Kommunalaufsichtsbeschwerde eingelegt. Schon wird gemutmaßt, Bochum und Arnsberg würden die Antwort auf die Beschwerde ohnehin bis nach dem Wahltermin im September hinausschieben.

Nach § 60 Gemeindeordnung NRW (GO NRW) entscheidet zunächst der Hauptausschuss in dringenden Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterliegen, falls eine Einberufung des Rates nicht rechtzeitig möglich ist. Erst wenn auch die Einberufung des Hauptausschusses nicht rechtzeitig möglich ist, kann der Oberbürgermeister mit einem Ratsmitglied entscheiden.

Für Sitzungen des Rats und/oder Hauptausschusses kann der Oberbürgermeister nach
§ 1 Abs. 1 der „Geschäftsordnung der Stadt Bochum“ die Ladungsfrist bis auf drei volle Kalendertage verkürzen. Gründe, warum eine Ladung des Rates oder zumindest des Hauptausschusses nicht innerhalb von drei Tagen möglich gewesen sein soll, sind nicht ersichtlich und in dem nun vorliegenden Dringlichkeitsbeschluss nicht ausgeführt.

Zudem muss allein die Kampagne „Hier, wo das WIR noch zählt“ nach ihrem Ausmaß und Aufwand bereits von langer Hand vorbereitet gewesen sein, als die Dringlichkeitsentscheidung erging. Dann wäre es aber auch möglich gewesen, die Entscheidung noch auf die Tagesordnung für die 7 Tage vorher angesetzte April-Sitzung zu nehmen.

Kann der Rat die Entscheidung nicht einfach aufheben?
Nach § 60 GO NRW kann der Rat selbst unzulässige Dringlichkeitsentscheidungen nicht aufheben, soweit Rechte anderer durch die Ausführung des Beschlusses entstanden sind.
Bis zur Ratssitzung werden sowohl die Unternehmen als auch die einkaufende Bürgerschaft bereits die beabsichtigten Vorteile erhalten haben.

Bliebe nur die Aufhebung des Beschlusses für Begünstigungen ab 26.06.2020.
Eine Mehrheit für eine Aufhebung wird es aber nicht geben. Der CDU-Fraktionsvorsitzende wird sich an der Dringlichkeitsentscheidung nicht ohne Rückendeckung seiner Fraktion beteiligt haben.

Warum hat der Oberbürgermeister dann aber eine Entscheidung im Rat gescheut?
Sollte er tatsächlich befürchtet haben, die Kampagne nicht im Rat durchsetzen zu können? Mit den Stimmen der CDU durfte er für die Maßnahmen doch rechnen.
Oder sollte eine Diskussion um die Kampagne und vielleicht auch um das Mobilitätspaket vermieden werden?
Schließlich wird dem Oberbürgermeister nicht nur ein Vorteil im Wahlkampf verschafft, es werden auch PKW-Fahrten in die Innenstadt gegenüber Fahrten mit Rad und ÖPNV eindeutig begünstigt – und das im Klimanotstand.

Wie müssen sich Ratsmitglieder fühlen, die über einen Dringlichkeitsantrag im Nachhinein entscheiden müssen, bei dem sie keine Entscheidungsoption haben – gemeinsam mehr Demokratie wagen, stellen WIR uns anders vor.

Der Oberbürgermeister wäre gut beraten, durch eine persönliche Erklärung im Rat endlich Transparenz zu schaffen – damit WIR verstehen.«


Ein Gedanke zu “Oberbürgermeister sollte Transparenz schaffen – damit WIR verstehen!

  • Ralf Feldmann

    Die Plakataktion mit Oberbürgermeister Eiskirch in der WIR-Kampagne ist eine ICH-Kampagne und verletzt die Chancengleichheit der Kandidaten im Oberbürgermeisterwahlkampf. Mit einer für ihn wichtigen politischen Botschaft und zweifellos zur persönlichen Imagepflege erscheint der Kandidat Eiskirch in der unmittelbaren Vorwahlzeit auf zahlreichen Großplakaten, die aus Haushaltsmitteln finanziert werden. Seine Konkurrenten werden dadurch doppelt benachteiligt: vor allem weil der Oberbürgermeister städtisches Geld für seinen Wahlkampf einsetzt, aber auch, weil er dies zu einem Zeitpunkt tut, in dem die Konkurrenten wegen der Plakatierungsfrist nicht ähnlich reagieren können.

    Die Chancengleichheit ist ein elementarer Wahlgrundsatz, dessen Verletzung zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Oberbürgermeister Eiskirch hat mit der Plakataktion über die OB-Wahl das Damoklesschwert ihrer Ungültigkeit gehängt. Was treibt ihn zu diesem Risiko? Ist seinen Beratern die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu – erfolgreichen – Wahlanfechtungen wegen Verletzung der Chancengleichheit nicht geläufig?

    Was tut nun der Rat auf seiner letzten Sitzung, um drohenden Schaden von der Stadt abzuwenden? Nicht nur die Kosten für die Wahlwerbung und einer deshalb drohenden Wahlwiederholung, sondern vor allem auch den Schaden für die Demokratie in Bochum, die ohne gleiche Wahlen keine wäre.

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