Mittwoch 08.04.20, 07:33 Uhr

Corona-Soforthilfe kann zur Falle werden 9


Die „schnell und unbürokratisch“ ausgezahlte Soforthilfe für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen von 9.000 Euro kann sich für diese schnell zu einem Bumerang entwickeln. Darauf weist Horst Hohmeier, Ratsmitglied der Bochumer Linken, hin. Mit seiner Stellungnahme fordert er den Bund auf, die Förderbedingungen zu ändern. Auch bittet er die Stadt Bochum und die Bochumer Wirtschaftsförderung, diesbezüglich bei den Verantwortlichen in Berlin vorzusprechen. Horst Hohmeier erklärt:  „Weil seit dem 1. April die sogenannten Entnahmen nicht mehr als förderfähig anerkannt werden, drohen den Betroffenen existenzbedrohende Rückzahlungsforderungen. Die Entnahmen sind sozusagen die Gehälter der Inhaber*innen, mit denen diese ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Ein Beispiel: Eine soloselbstständige Veranstaltungstechnikerin erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 36.000 Euro, also im Durchschnitt 3.000 Euro Umsatz pro Monat. Davon bezahlt sie 400 Euro Miete für ein Lager und einen kleinen Büroraum in einer alten Fabrikhalle, die Leasingraten in Höhe von 200 Euro für einen Sprinter sowie Sprit, Energie- und Heizkosten, Beitrage zu Berufsverbänden und Versicherungen, Telefon und Internet, zusammen 400 Euro. Es verbleiben 2.000 Euro, die als Entnahmen gebucht werden. Von diesen 2.000 Euro bezahlt sie ihre Krankenkassenbeiträge und ihre Altersvorsorge, beides übrigens zu 100 Prozent, also inklusive Arbeitgeberanteil, Miete und Nebenkosten für ihre Wohnung, sowie sonstige Kosten für die Haushaltsführung. Damit verbleiben ungefähr 500 bis 600 Euro für den Lebensunterhalt.

Weil sie in der Corona-Krise keine Aufträge mehr bekommt, beantragt sie eine Soforthilfe von  9.000 Euro. Das Problem: Ausfälle bei den Entnahmen für die persönliche Lebensführung sollen nach der aktuellen Regel nicht durch die Soforthilfe ersetzt werden. Stattdessen wird geraten, beim Jobcenter Grundsicherung nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen. Wenn diese Regelung nicht geändert wird, müsste unsere Veranstaltungstechnikerin in diesem Fall etwa 6.000 Euro zurückzahlen. Geld, das sie in gutem Glauben für ihren Lebensunterhalt und zur Existenzsicherung ausgegeben hat.

Statt „schnell und unbürokratisch“ von der Soforthilfe aufgefangen werden, gelangt sie so in die Hartz-IV-Mühle. Wenn ihr Antrag bearbeitet ist, erhält sie den Regelsatz von 432 Euro, und zusätzlich die Kosten der Unterkunft und der Krankenversicherung. Die Kosten für die Altersvorsorge (Rente) entfallen. Auf den ersten Blick bleibt das Einkommen ungefähr wie vorher, aber alles muss neu beantragt werden und sorgt für zusätzlichen Stress und Aufwand. Außerdem: Da sie die Grundsicherung nicht rückwirkend beantragen kann, sondern diese erst ab dem Tag der Antragsstellung bewilligt wird, handelt es sich um eine echte Schuldenfalle, aus der es keinen Ausweg gibt.

Wer sich diesen bürokratischen Unsinn ausgedacht hat, hat entgegen aller Beteuerungen die Lebensentwürfe und die Probleme der Solo-Selbständigen zum Beispiel im Kulturbereich schlicht nicht verstanden. Dies gilt insbesondere für die SPD und ihren Finanzminister. Aber auch für die Kommunen ist diese Abwälzung der Kosten auf die Arbeitsagentur von Nachteil, da diese zunächst auf den Kosten sitzen bleiben und auch nur ein Teil vom Land erstattet wird. Das ist in Zeiten rasant wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen und zusätzlicher Belastungen zur Krisenbewältigung ein völlig falscher Weg.“

 


9 Gedanken zu “Corona-Soforthilfe kann zur Falle werden

  • Norbert Hermann

    Guten Tag,
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    Selbständige leben vom Gewinn, sofern vorhanden und sie ihn dem Geschäftsbestand entnehmen, oder von „Überentnahmen“, sofern die Bank das mitmacht, oder von Sonstwas (Partner*in, Eltern, Nebenjob, Vermögen …) oder stocken mit Hartz IV auf. Was die Jobcenter allerdings zu verhindern suchen. Das war immer so und ist auch mit Corona nicht anders. Bei abhängig Beschäftigten ist es nicht anders. Es sei denn sie haben durch Beitragszahlung Ansprüche auf ALG I erworben oder die Käufer ihrer Arbeitskraft beantragen Kurzarbeit, auch durch Beiträge erworben.
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    Die staatlichen Corona-Liquiditätshilfen sind bekanntlich allein gedacht für die nachgewiesenen Kosten der Betriebsführung.
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    Das Leben und die Lebenshaltungskosten waren noch nie „förderfähig“. Allerdings haben einzelne Länder eigene Zuschussprogramme für kleine Selbständige, auch Kreative, aufgelegt.
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    In Berlin gab es „Helikoptergeld“ in Höhe von 5.000 € ; eigentlich ohne Kontrolle. Hauptberuflich selbständig, nebenberuflich oder überhaupt nicht selbständig: vollkommen egal. Eine Stimmung wie in Las Vegas … . Wird aber bei Hartz IV-Bezug als Zufluss angerechnet.
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    Nebenbei: Ein Antrag auf Hartz IV wirkt immer auf den Ersten des Monats zurücjk.
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    Hinweise:
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    Die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um finanzielle Hilfe für Unternehmen (das meint auch Solo-Selbständige und Kreative) zu leisten. Daneben gibt es auch in den Bundesländern Zuschüsse und Hilfsfonds. Eine umfassende Zusammenstellung gibt es unter: https://www.steuertipps.de/selbststaendig-freiberufler/betriebsausgaben/coronakrise-hilfen-vom-staat-fuer-selbststaendige
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    Corona-Tipps für Selbständige
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    https://www.steuertipps.de/suche?query=corona

    Coronakrise: Hilfen vom Staat für Selbstständige
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    https://www.steuertipps.de/selbststaendig-freiberufler/betriebsausgaben/coronakrise-hilfen-vom-staat-fuer-selbststaendige
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    Besser sieht es aus wenn Selbständige amtlich unter Quarantäne gestellt werden:
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    https://www.lexoffice.de/blog/quarantaene-fuer-selbstaendige/
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    Corona-Hilfen und Zuschüsse für Selbstständige
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    https://www.anwaltsregister.de/Rechtsratgeber/Corona-Hilfen_und_Zuschuesse_fuer_Selbststaendige.d7325.html
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    Ver.di für Selbständige: Die Infos stehen jetzt auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung
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    https://selbststaendige.verdi.de/
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    https://selbststaendige.verdi.de/beratung/corona-infopool
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    https://selbststaendige.verdi.de/beratung/corona-infopool/++co++aa8e1eea-6896-11ea-bfc7-001a4a160100
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    https://selbststaendige.verdi.de/beratung/mediafon
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    https://selbststaendigen.info/
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    https://selbststaendigen.info/der-ratgeber/
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    https://www.erwerbslos.de/
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    https://www.verdi-erwerbslosenberatung.de/aufstockerberatung/
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    https://www.erwerbslos.de/images/FAQ_Corona_und_die_sozialen_Folgen.pdf
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    Die BA hat eine zusammenfassende Weisung zum Sozialschutz-Paket herausgegeben. Eine Kurzzusammenfassung von Inge Hannemann: https://altonabloggt.com/2020/04/03/die-bundesagentur-fuer-arbeit-passt-jobcenter-weisungen-zu-corona-an/ Die Weisung gibt es hier: https://t1p.de/ls0d
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    Das Jobcenter Bochum hat jetzt die „vereinfachten“ Anträge online gestellt: http://www.jobcenter-bochum.de/home.html
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    Weiter Infos und Beratung, auch telefonisch, über bochum-prekaer@t-online.de.

  • Conny Schnitt

    Danke für die Infos!! Verstehe ich das richtig, dass nur streng betriebliche Ausageben von der Corona-Soforthilfe bezahlt werden dürfen?
    Dass also die „sozialen“ Ausgaben für die Kranken- und Rentenversicherung nicht von der Soforthilfe bezahlt werden dürfen?
    und auch nicht die Ausgaben für Wohnen und Essen?
    Es gibt in anderen Foren andere Aussagen. Das ist veriwrrend.
    Kann das jemand aufklären?

  • Norbert Hermann Autor des Beitrags

    Leider richtig verstanden.

    Um gleich auf weitere Fragen zu antworten: Auch Künsterler*innen, Coaches, Dozent*innen … sind Selbständige, sofern sie nicht angestellt sind. Ihr Honorar entspricht der Bezahlung, die Angehörige der freien Berufe (z. B. Ärzte, Rechtsanwält*innen, Schriftsteller*innen) für ihre Leistungen erhalten.

    Warum Berlin so „grosszügig“ ist? Weil sich die rosa-rosa-grüne Klientel-Koalition das Wohlwollen ihre Wähler*innen erhalten will. Für die Übriggebliebenen bleibt Hartz IV oder nicht einmal das. Und eine sozial-liberale brutale Polizei, die mit die härtesten Corona-Beschränkungen durchzusetzen versucht.

    Zur Fragestellung:
    Es muss unterschieden werden wie im Steuerrecht zwischen betrieblich und privat veranlassten Kosten. Auch Krankenversicherung und Altervorsorge sind dem Privaten zuzurechnen. Ist eine betriebliche Haftpflichtversicherung vorhanden, so ist meist die private Haftpflicht inkludiert und muss anteilmässig (z.B. 25%) berücksichtigt werden. Das gleiche gilt für eine Unfallversicherung, wenn sie als Ersatz für eine berufsgenossenschaftliche Absicherung besteht.

    Der Sinn all dieser Förderungsmassnahmen ist dass die Betriebe erhalten bleiben. Trotzdem werden natürlich viele Betriebe zugrunde gehen. Die persönliche Existenz ist anderweitig zu sichern (Hartz IV). Günstige ist hier dass Vermögen – falls überhaupt vorhanden – nicht berücksichtigt wird und Einkünfte im Bewilligungszeitraum nur zu einer Rückzahlung führen, wenn die Betroffenen das nachträglich selbst beantragen. Infos hier. http://www.jobcenter-bochum.de/home.html, Selbständige dort unten.

    Mehr: Hilfsangebote für Selbständige in Zeiten der Corona-Krise
    http://www.jobcenter-bochum.de/fileadmin/filebase/bochum/Corona/%C3%9Cbersicht_Selbst%C3%A4ndige.pdf

    Weitere Infos:
    Corona-Schutzschild für Kleinstunternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten
    https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Steuern/corona-kleinstunternehmen.pdf

    Auszüge:
    „Sie haben Anspruch auf Soforthilfen, die Ihnen insbesondere bei Miet- und Pachtkosten sowie bei sonstigen Betriebskosten (z.B. Kredite für Betriebsräume oder Leasingraten) helfen. … Um Ihre laufenden Kosten für 3 Monate zu begleichen haben Selbstständige und Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten Anspruch auf eine Einmalzahlung von bis zu 9.000 €, …“

    NRW-Förderung (für Betriebe mit 10 – 50 Beschäftigten):
    https://soforthilfe-corona.nrw.de/lip/form/display.do?%24context=6B7D219872025B25811A

    https://www.land.nrw/de/tags/corona-virus-covid-19

    Solo-Selbstständige in Kultur und gemeinwohlorientierter Weiterbildung können vom Rettungsschirm des Landes profitieren
    https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/hilfe-fuer-solo-selbststaendige-nrw-rettungsschirm-auch-offen-fuer-weiterbildung
    Auszug:
    „Bereits in der vergangenen Woche hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft für freischaffende Künstlerinnen und Künstler eine existenzsichernde Soforthilfe in Höhe von bis zu 2000 Euro eingerichtet. Das Ministerium stellt hierfür Mittel in Höhe von zunächst fünf Millionen Euro bereit. Professionelle freischaffende Künstlerinnen und Künstler, die durch die Absage von Engagements in finanzielle Engpässe geraten, können mit einer Einmalzahlung in Höhe von bis zu 2.000 Euro Liquiditätsengpässe bis zum Anlaufen der längerfristigen, großangelegten Rettungsschirme in Land und Bund kompensieren. Die Soforthilfe kann mittels eines einfachen Formulars bei den zuständigen Bezirksregierungen beantragt werden und muss später nicht zurückgezahlt werden.“ (PM vom 26.03.2020)

    Ich geh davon aus dass diese Maßnahme zwischenzeitlich hinfällig geworden ist
    https://www.wirtschaft.nrw/nrw-soforthilfe-2020

    Auszug:
    Was wird gefördert?
    Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä., sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden. (Zur Reduzierung von Personalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)

    Müssen private Rücklagen aufgebraucht werden … (unten unter „Fragen und Antworten“)
    Um den Zuschuss zu erhalten, muss in Folge der Corona-Krise ein massiver finanzieller Engpass entstanden sein und vorhandene Mittel reichen nicht aus, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

    Wofür darf der Zuschuss genutzt werden? (unten unter „Fragen und Antworten“)
    Der Zuschuss kann insbesondere genutzt werden, um finanzielle Engpässe, wie z.B. Bankkredite, Leasingraten, Mieten usw., zu bedienen. Der nach Prüfung des Antrags elektronisch übermittelte Bewilligungsbescheid, kann auch bei der Bank vorgezeigt werden. Er gilt als Nachweis, dass das Land den Zuschuss auszahlen wird.

    Ist die NRW-Soforthilfe 2020 mit dem Programm für Künstlerinnen und Künstler des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft kombinierbar? (unten unter „Fragen und Antworten“)
    Ja, wenn entweder eine Gewerbeanmeldung vorliegt oder eine freiberufliche Tätigkeit. Dann können beide Zuschüsse kombiniert werden. (Anmerkung N.H.: es handelt sich wohl um schon länger bestehende Förderungsmöglichkeiten: https://www.mkw.nrw/kultur/foerderungen)

    Mustergültig: Mönchengladbach
    https://corona.kreativ-mg.de/

  • Horst Hohmeier

    Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe dann ggfls. zurückgezahlt werden?
    Der Antragsteller versichert im Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsge­treu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistung führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Der Antragsteller ist gehalten, den Zuschuss in seiner Steuererklärung für 2020 aufzunehmen. Da dem Antrag die Steuernummer bzw. die Steuer-ID beizufügen ist, hat das Finanzamt die Möglichkeit, die Plausibilität der Inanspruchnahme im Nachhinein zu überprüfen.

    Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistungen oder andere Fördermaßnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden. Stellt sich am Ende der Bezugszeit von drei Monaten heraus, dass der Antragsberechtigte mehr erhalten hat, als sein Schaden war, ist er gehalten, das überschüssige Geld zurück zu zahlen. Hierauf wird noch einmal seperat im Bescheid hingewiesen.​

    So steht es auf der NRW Seite, und das ist ja wohl eindeutig.

  • Norbert Hermann

    Horst Hohmeier hat den Punkt getroffen
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    Gefahren lungern hier allenthalben. Gut auch dass er das Thema überhaupt hoch gebracht hat. Für gutgläubige und ahnungslose Menschen ist das die perfekte Falle. Vielleicht könnte der ganze Beitrag dann noch mal nach oben geholt werden?
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    Eine Anfrage: „Ich bin gar nicht selbständig, ich bin Freiberufler“. Eine Unterscheidung, die fälschlicherweise auch von Ämtern gemacht wird. „Selbständig“ ist der Oberbegriff, unterschieden wird dann zwischen „gewerbetreibend“ und „freiberuflich“. Freiberuflich meint, dass eine sehr persönliche individuelle Leistung erbracht wird, z.B. von Arzt/Ärztin. Die Unterscheidung ist oftmals nicht sachgerecht, historisch bedingt und umstritten. So gilt Coachen und Statikberechnung als Gewerbe, machen die gleichen Menschen aber Therapie und Architektur so ist es freiberuflich. Freiberufler*innen zahlen (noch) keine Gewerbesteuer und kommen in den Genuss einer erleichterten Form der Gewinnermittlung (EÜR nach 4/3 EStG unabhängig von der Umsatzgrösse).
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    Das Begehren von Horst Hohmeier, die Förderungsbedingungen zu ändern, halte ich für müssig. Deutlichere Klarstellung scheint allerdings nötig. Hartz IV ist hier eine gute Möglichkeit mit günstigen Bedingungen. Eventuell kann es Sinn machen, Hartz IV erst im Mai zu beantragen, wenn im April die Liquiditätsförderung fliesst. Sie kann dann nicht mehr als Zufluss angerechnet werden, wenn doch – entgegen aller Ansagen – nach Abschluss des Hartz IV-Bewilligungszeitraumes (i.d.R. bei Selbständigen sechs Monate) eine rückwirkende „EKS“ (Einkommensermittlung Selbständige) verlangt wird. Dort müsste es als „sonstige betriebliche Einnahme“ angegeben werden.
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    Ein Hartz IV-Forum speziell auch für Selbständige gibt es hier:
    https://www.alg-ratgeber.de/
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    Das Berliner „Helikoptergeld“ ist jetzt aufgebraucht:
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    „Wie soll überprüft werden, ob alle Corona-Zuschüsse gerechtfertigt waren?“
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    “ … Die IBB hat vielen Firmen mit schnellen Zuschüssen geholfen. Ob jeder Antrag berechtigt war oder wie das im Nachgang kontrolliert werden soll, bleibt unklar.
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    … die Kompensation von Umsatz- und Honorarausfällen für persönliche Lebenshaltungskosten und Krankenkassenbeiträge dürfen beispielsweise nicht mit den Corona-Zuschüssen der IBB finanziert werden. … „Durch Finanzämter und Rechnungshöfe (Bund, Land, EU) erfolgen Nachprüfungen …
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    … Bislang hieß es von der IBB, etwaige Falschangaben würden spätestens bei der nächsten Steuererklärung auffliegen. Das liegt daran, dass die Corona-Soforthilfe eine steuerpflichtige Betriebseinnahme darstellt, die die Empfänger in der Gewinnermittlung für den Veranlagungszeitraum 2020 erfassen muss. Die Steuerpflichtigen haben diese in der Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen …“
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    https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/15-000-fuer-selbststaendige-und-kleinunternehmer-wie-soll-ueberprueft-werden-ob-alle-corona-zuschuesse-gerechtfertigt-waren/25726986.html
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    Ab 2021 (für 2020) funktioniert die elektronische Einkommensteuererklärung ELSTER nur noch online. Es ist vorstellbar dass dann auch eine Frage zum Bezug von Corona-Förderung aufgenommen wird.
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    Zu den erleichtern Hartz IV-Bedingungen ein Auszug aus „Soziale Sicherheit“ 4/2020:
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    „Sicherheit über bewilligte Leistung:
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    Das Arbeitslosengeld II wird einigen Betroffenen – insbesondere Selbstständige – bisher nur vorläufig bewilligt, da nicht klar ist, wie sich ihr Einkommen im (sechsmonatigen) Bewilligungszeitraum tatsächlich entwickelt. Abgerechnet wird dann erst später nach Ablauf des Bewilligungszeitraums und Vorliegen der Betriebsergebnisse. Dieses Verfahren wird nun nach § 67 Abs. 4 SGB II n. F. vorläufig (bis Ende Juni) ausgesetzt. Generell können sich nun auch Selbstständige darauf verlassen, dass die ihnen einmal bewilligte Leistung später nicht mehr gekürzt wird. Dabei soll »in Bezug auf die prognostizierten Verhältnisse eine vereinfachte Plausibilitätsprüfung erfolgen, um eine möglichst schnelle und unbürokratische Leistungsbewilligung zu gewährleisten«7. Hat sich die Einkommenslage im Bewilligungszeitraum schlechter als prognostiziert entwickelt, können die Betroffenen – auf Antrag und nach einer Prüfung – nachträglich eine höhere Grundsicherung bekommen.“ (S. 138)
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    „Soziale Sicherheit“, Hrsg. DGB, heute ausnahmsweise kostenfreier download:
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    https://bund-verlag.de/dam/jcr:b3cee38e-d046-4b23-9f4d-d9a4909b0fba/SoSi_4_2020.pdf

  • Rainer

    Lieber Norbert Hermann, ich finde es falsch kleine Soloselbstständige gegen Hartz IV Bezieher*innen auszuspielen und sie als verachtenswertes Grünen-Klientel zu diffamieren. Ist es nicht erstaunlich dass in dieser Krise eben nicht nur die Exportindustrie staatlich gestützt wird sondern sehr schnell und unbürokratisch auch Menschen in diskontinuierlichen Einkommensverhältnissen. Schon mit Beginn der Krise tauchte die Frage auf was sie für die Leute z.B. im Kulturbereich bedeutet und richtete den Scheinwerfer auf genau diese prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse für die sich sonst Niemand interessiert. Ich finde diese Diskursverschiebung schon sehr überraschend und sehe hier eine Chance sie in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen zu verlängern.

    Zur einer späteren Prüfung der „Bedürftigkeit“ der Soforthilfen durch die Finanzbehörden denke ich, das sie selbst noch nicht wissen wie sie das genau machen wollen. Auftragseinbrüche oder Einnahmenausfälle treten auch mit zeitlicher Verzögerung ein, also eine Fokusierung auf die Bewertung von 3 Monaten ist absurd. Die Einkommen von vielen Selbständigen sind diskontinuierlich und großen Schwankungen unterworfen. Ein Vergleichszeitraum des Vorjahres zur Bewertung heranzuziehen macht also keinen Sinn. Alles das wissen auch die Behörden. Ich denke dass es, wenn überhaupt, auf einen Vergleich des Jahreseinkommens im Mittel der letzten 3 Jahre hinausläuft. So macht das jedenfalls die Künstlersozialkasse bei Prüfungen.

  • Norbert Hermann

    Lieber Rainer,
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    die Einschätzung zum speziellen und Nur-Berliner „Helikoptergeld“ habe ich von Berliner Kolleg*innen übernommen. Sie scheint mir auch zutreffend angesichts des Imagefaktors den die Kreativszene dort für „arm-aber-sexy“-Berlin darstellt und in Anbetracht der Wahlanalysen. Berlin ist andererseits extrem hart gegenüber Hartz IV-Abhängigen und insbesondere auch gegenüber vieltausendfach obdachlosen Zugewanderten aus Südosteuropa. Ein „Bundesprogramm“ oder sonst was für jetzt sehr belastete arme Leute, für gedrängt in Flüchtlingsunterkünften und Knästen lebende Menschen gibt es gar nicht, interessiert noch viel weniger. Kleine Selbständige haben eine Lobby, ganz arme Leute nicht.
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    Kleine Solo-Selbständige (etwa die Hälfte aller Selbständigen) und darin auch Kreative und Künstler*innen, die es umsatzmässig nicht mal in die Künstlersozialkasse schaffen (und damit auch die Liquiditätshilfen nicht erhalten) sind durch meine langjährige Tätigkeit in der Existenzgründungsberatung seit 15 Jahren der Schwerpunkt in meiner bundesweiten Hartz IV-Beratung. Sie haben zunächst einmal meine volle Sympathie. Sie haben i.d.R. aus guten Gründen ihre prekäre Lage selbst gewählt, dem zolle ich viel Respekt und Anerkennung. Sie sind natürlich genau so „systemrelevant“ wie jeder andere Mensch auch. Aber auch nicht mehr.
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    Auftrags- oder Umsatzminderung sind nur zwei von vier möglichen Voraussetzungen für den Bezug der Soforthilfe und möglicherweise kaum nachweisbar. Würde auch ggf. nicht genügen. Es muss jedenfalls immer in Folge der Corona-Krise ein massiver Engpass entstanden sein, weil die Einnahmen im Bewilligungszeitraum nicht ausreichen die Kosten zu decken. Eine Umsatzminderung auch noch so grosser Höhe reicht nicht aus, sofern nicht die Liquidität (im Sinne des vorhergehenden Satzes) gefährdet ist. Es handelt sich um eine Liquiditätshilfe um eine Insolvenz zu verhindern, nicht um einen allgemeinen Ausgleich für verlorene Einnahmen. In vielen Fällen wird es sich aber um reine Insolvenzverschleppung handeln.
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    Jedenfalls müssen die Kosten nachgewiesen werden die in dem Zeitraum entstehen und in dem Zeitraum nicht durch Einnahmen gedeckt sind. Es wird zunächst der volle Satz gezahlt, abgerechnet wird nachträglich.
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    Bedingungsloses Grundeinkommen wird ja eh kommen – nach der nächsten Eiszeit. Wer die Illusion nährt das sei – auskömmlich und bedingungslos – mit Kapitalismus vereinbar mag Kapitalismus zu sehr.
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    Antragsverfahren und Auszahlung sind ja derzeit wegen der Betrugsfälle gestoppt. Dem vernehmen nach sollen ALLE bisher Bedachten eine mail erhalten mit der Aufforderung, ihre Angaben zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Auch eine Rücknahme des Antrags und ggf. eine Rückzahlung der erhaltenen Gelder Ist möglich. Für manche mag das sinnvoll sein.

  • Norbert Hermann

    Lederer, Kultursenator von Berlin, bemüht sich um weitere Zuschüsse für den Kulturbetrieb:
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    „Für viele Kulturbetriebe sind Kredite jedoch als Lösung untauglich, weil sie zwar das Liquiditätsproblem kurzfristig lösen könnten, aber unmittelbar zur kaum wieder loszuwerdenden Verschuldung führen. … Damit stehen sie vor dem Problem der Insolvenz, wenn es nicht schnell zu wirksamen Hilfen kommt.“
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    https://www.berlin.de/sen/kulteu/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.916721.php
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    Fachverlag Haufe zur steuerlichen Behandlung der Corona Zuschüsse:
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    https://www.haufe.de/steuern/kanzlei-co/steuerliche-behandlung-von-corona-soforthilfen_170_513808.html

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