Freitag 01.11.19, 21:03 Uhr
Redebeitrag auf der Demo Solidarität mit Rojava am 1. 11. 2019

Heval Botan


Als am 27. Mai 1960 die Regierung Menderes mit ihrer programmatischen islamistischen Ausrichtung zwecks Aufrechterhaltung des Laizismus durch die damalige türkische Militärjunta unter General Gürsel und Alparslan Türkes/ MHP – Graue Wölfe, gestürzt und später hingerichtet wurde, begaben sich viele Kurden in die Diasporra und Arbeitsmigration, auch in die BRD. In der Türkei als BergtürkInnen diffamiert, hier als sog. Gastarbeiter kaum wahrgenommen. Heute leben fast 700.000 KurdInnen unter uns, betreiben Restaurants, Obst/Gemüseläden, Döner bzw. Veggie-Lokale oder Autowerkstätten, sind ArbeitskollegInnen in der Fabrik oder in pädagogischen Berufen.
Nachdem die Repressionen gegen KurdInnen ausgangs der 70 Jahre in der Türkei immer intensiver wurden,gründete sich die ArbeiterInnenpartei Kurdistans, die bis heute in der BRD. verboten ist. In Belgien und Skandinavien war das lange Zeit jedoch nicht der Fall, da es sich um keine „Terrororganisation“ handele. Mittlerweile ist die gesamte EU auf Linie gebracht. Treibende Kräfte: USA und BRD.
Dem Kuschelkurs der aktuellen CDU/CSU-Regierung und allen anderen Parteien, außer der Linken, folgend, zeigen geo-politische Interessen auf, da Deutschland wieder richtig mitmischen will. NATO-Stützpunkt Incirlik einerseits, aber insbesondere als Sprachrohr Erdoganscher Hetzrhetorik gegen KurdInnen und Linke. Welches Geistes Kind Erdogan und seine kriminalisierende Masche jedoch ist, hat die Kurdistanfrage mit andauernden Militäreinsätzen mit low-intensity warefare-Strategie, ausgestattet mit deutschen Waffen, in den kurdischen Siedlungsgebieten oder die Niederschlagung des Gezi-Park Uprisings in Istanbul mit eiserner Faust gezeigt. Über diese bekannten Fakten setzt sich die Bundesregierung kontinuierlich hinweg. Menschenrechte, Selbstbestimmung, vielfache Dorfzerstörungen,Vertreibung, Flucht und die Politik verbrannter Erde insgesamt scheinen keine Gewichtung mehr zu haben. Nein, der deutsche Nato-Partner, der ganz vorne in der Hierarchie ( siehe KK) ankommen will, handelt nach dem Vogel Strauß-Prinzip: zunächst nix sehen, hören und bloß nicht Klartext sprechen. Damit wird Erdogan freie Hand gelassen und somit die Tür, unter Mithilfe der USA, für einen völkerrechtswidrigen Überfall auf die autonome kurdische Region Rojava, in Nordsyrien, geöffnet. Einhergehend durch die Drohung der AK-Partisi die Geflüchtetencamps zu öffnen, um die Menschen gen Europa ziehen zu lassen.
Dieses ist ein zutiefst charakterloses Beispiel Erdoganscher Politik, da er mit dem Leid und Elend Geflüchteter seinen Herrschaftsanspruch mittels Umsiedlungen zementieren und ausweiten will. Träumt er wie viele vor ihm von einem Großtürkischen Reich, indem AraberInnen und Türkeitreue, aber keine KurdInnen Platz finden sollen? Sprungbrett für diesen Hintergrund ist die ewig alte Kurdophobie und Nationalismus. Bedingt durch den türkischen Angriff auf die kurdische Region Rojava haben hunderte IS-Kämpfer aus ihren Haftcamps fliehen können.
Wie bekannt, sind in den letzten Tagen Al Bagdadi und A-Muhadschir, beide IS-Führungskräfte, unweit der türkischen Grenze in Nordkurdistan bei einer US-Kommando-Aktion, getötet worden. Die unmittelbare Nähe zur Türkei verdichtet Informationen, dass die Türkei als Schleusungsland für den radikal-Islamischen IS fungiert hat. Hunderte internationaler Kämpfer des Daesh sollen über Büros in Istanbul und Ankara nach Syrien oder Irak weiter geleitet und betreut worden sein. Hat die Bundesregierung davon Kenntnis genommen? Welches Verhältnis hat sie dazu? Insbesondere jetzt nach der Flucht militanter IslamistInnen. Der nächste Anschlag in Europa wird kommen. Kader können getötet werden, eine menschenverachtende Ideologie aber nicht.
Erdogan versucht mit dieser Offensive zwei Fliegen mit einem Schlag zu erwischen: Besetzung kurdischer Regionen und Säuberungsaktionen gegen Oppositionelle, freie Presse und Linke im eigenen Land. Im größtenteils chauvinistischen Kriegstaumel gehen diese Angriffe völlig unter.
Kurdische JPG/YPJ Einheiten haben bis dato eine hohe Zahl an Verlusten zu verzeichnen, bis sie den IS in Syrien zerschlagen konnten. Auch waren sie es, die die Jezidi im Sincar-Gebirge auf der Flucht vor dem IS befreiten. Sind das also TerroristInnen? Hier kann nur mit großem Respekt von KämpferInnen die Rede sein, die mutig das eigene Leben für Menschlichkeit und Würde, Solidarität, Emanzipation, Räte-Model und freiheitlichen Sozialismus hergegeben haben.
In Anbetracht dieser menschlichen Werte hat die kurdische Region Rojava mit der Stadt Kobani eine erhebliche Bedeutung, nicht nur dort, sondern weltweit. In der Tat: ein soziales Experiment mit Ecken und Kanten, aber erfolgreich und unbedingt fortführbar.

Deshalb rufen wir Erdogan und Nato-Kriegern heute und morgen und übermorgen zu:
Hände weg von Rojava, türkische Armee raus aus Kurdistan.Wir wollen euren schmutzigen Krieg nicht.
Solidarität ist aller Menschen Stärke.
Einreise- und Bleiberecht für Geflüchtete aus Kurdistan und anderswo.
Kampf dem Faschismus! Es lebe Widerstand und Internationalismus !

Heval Berwedane