Freitag 01.05.15, 15:48 Uhr

OB Scholz fordert eine
noch schärfere Abschiebepraxis 2


In einem jetzt bekannt gewordenen Brief an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) die Abschaffung von Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen bei besonders diskriminierten Minderheiten, Alten und Kranken. Außerdem sollen Flüchtlinge auch dann abgeschoben werden, wenn dadurch Familien auseinandergerissen werden, heißt es in dem von Scholz zusammen mit anderen OberbürgermeisterInnen und Landräten unterzeichneten Schreiben. Darauf macht die Linksfraktion in einer Mitteilung aufmerksam. Weiter heißt es: »„Die Forderungen von Ottilie Scholz sind unmenschlich und ein absoluter Tiefpunkt ihrer Amtszeit“, sagt Horst Hohmeier, Ratsmitglied der Linken. „Sie sind außerdem ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich hier in Bochum für Flüchtlinge und gegen die brutale Abschiebepolitik engagieren. Wer so tut, als ließen sich politische Probleme durch eine noch rücksichtslosere Abschiebung von besonders diskriminierten Flüchtlingen lösen, bedient eine rechtspopulistische Das-Boot-ist-voll-Logik.“
Weniger Einzelfallprüfungen vor Abschiebungen?
In dem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert Ottilie Scholz unter anderem, dass die Landesregierung einen Erlass vom 22.12.2014 zurücknimmt. In ihm hat das Land geregelt, dass vor Abschiebungen in einige Länder „bei besonders schutzbedürftigen Personen – den Familien und Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, allein reisenden Frauen, alten Menschen über 65 Jahre, Kranken und Pflegebedürftigen“ eine „sorgfältige Einzelfallprüfung“ vorgenommen werden muss. Damit sollen „objektiv unzumutbare Härten“ vermieden werden, heißt es in der Verordnung. Eine andere Verordnung, deren Abschaffung Ottilie Scholz fordert, schreibt Einzelfallprüfungen bei bestimmten besonders stark verfolgten Minderheiten vor, und zwar insbesondere für „alte Menschen über 65 Jahre, Kranke, Pflegebedürftige, alleinerziehende Mütter, Familien mit Kindern oder alleinreisende Frauen“. In dem von Ottilie Scholz unterzeichneten Schreiben heißt es: Statt den Einzelfallprüfungen sei die Unterstützung der Landesregierung bei Abschiebungen notwendig, „um die notwendigen Plätze für um ihr Leben fürchtende Flüchtlinge freizuziehen“.
„Das ist einfach zynisch“, sagt Gültaze Aksevi, Ratsmitglied und Vertreterin der Linksfraktion im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. „Die Stadt Bochum hält ihre eigenen Standards für menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen nicht ein – und Ottilie Scholz fordert eine noch unmenschlichere Politik. Auch mit den gültigen Regeln werden Menschen abgeschoben, die um ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten. Wir brauchen ein Ende dieser Politik, nicht eine weitere Verschärfung.“
Forderungen der Linksfraktion
Die Linksfraktion fordert grundsätzlich ein Ende der Abschiebepolitik, die in Bochum in einigen Punkten sogar brutaler ist als anderswo. Flüchtlingsinitiativen kritisieren, dass Bochum anders als einige andere Städte Abschiebungen in der Regel unangekündigt durchführt und die Betroffenen zumeist überfallartig mitten in der Nacht aus den Flüchtlingsunterkünften reißt. Das führt in den Unterkünften zu einem ständigen Gefühl der Bedrohung und bei den Betroffenen zu Retraumatisierungen. Von Ottilie Scholz fordert die Linksfraktion eine Distanzierung von den inhumanen Forderungen und eine Entschuldigung bei den Betroffenen. Um eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Bochum zumindest mittelfristig möglich zu machen, ist nach Ansicht der Linksfraktion außerdem ein kommunales Wohnungsbauprogramm notwendig.
Weitere Informationen:
1.)   Die beiden Verordnungen, deren Abschaffung Ottilie Scholz in dem Brief an Hannelore Kraft fordert, finden Sie hier:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&bes_id=29144
http://linksfraktionbochum.de/wp-content/uploads/2015/04/IMNRW21092010.pdf
2.)   Das von Ottilie Scholz und anderen OberbürgermeisterInnen und Landräten unterzeichnete Schreiben dokumentieren wir hier:http://linksfraktionbochum.de/wp-content/uploads/2015/04/HVBanMP.pdf«


2 Gedanken zu “OB Scholz fordert eine
noch schärfere Abschiebepraxis

  • Norbert Hermann

    Das ist ja krass!
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    Das ist ja krass! Sie stehen für eine Minute auf, um der Ertrunkenen im Mittelmeer zu „gedenken“, um im nächsten Augenblick selbst aktiv Flüchtlinge in Verfolgung und Tod zurückzuschicken.
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    In der Sitzung der Bezirksvertretung Ost am 28.4. erklärte die Sozialdezernentin Frau Anger gar die Flüchtlingsunterkunft in der Krachtsstrasse zum „Problemstandort“, in deren Bewohnerschaft „mehr Bewegung“ gebracht werden solle (1). „Problematisch“ ist dort wohl vor allem, dass dem Vernehmen nach eine grosse Bochumer Wohnungsbaugesellschaft schon lange scharf ist auf das Gelände und intern wohl auch schon vor Jahren eine Zusage erhalten hat. Das können sie sich allerdings von der Backe putzen, die Häuser werden dringend gebraucht (und es könnte zusätzlich gebaut werden, weil eine Häuserzeile bereits voreilig abgerissen wurde).
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    Die Häuser in der Krachtsstr. 19 – 27 sind zwar ziemlich heruntergekommen, jahrelang ist nichts daran getan worden, und sie sind völlig überbelegt. Sie bieten aber dort lebenden Familien einen guten sozialen Zusammenhalt.
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    Das zweite „Problem“ wird wohl darin bestehen, dass die gewünschte „Bewegung“ wie auch die von den Oberbürgermeister_innen und Landräten geforderte Verschärfung der Abschiebung vor allem wieder die Gruppe der nicht angemessen gewürdigten Roma treffen wird.

    1) http://www.derwesten.de/staedte/bochum/langendreer/bochumer-osten-nimmt-185-weitere-fluechtlinge-auf-id10616501.html

  • 1. Mai Besucher

    Vor diesem Hintergrund ist es besonders unerträglich dass OB Scholz heute beim 1. Mai des DGB sprechen konnte. In ihrer Rede hat sie paradoxerweise Stolz dafür bekundet, „dass es in unserer Stadt eine breites Bündnis von Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie Organisationen gibt, die immer wieder bereit sind, dagegen Flagge zu zeigen, wenn die Ewiggestrigen ihre Hassparolen verbreiten“. Zugleich stellte sie sich gegen rassisitische Aufmärsche.
    Das ist der Zynismus und bürgerliche Salonrassismus für den die SPD seit steht. Scholz voraussichtlicher OB-Nachfolger Eiskirch, der selbstverständlich ebenfalls bei der DGB Veranstaltung anwesend war um den historisch längst überholten Schulterschluss mit den Gewerkschaften zu suchen wird diese Politik fortsetzen.

    Die IGM Jugend fordert gleichzeitig „Refugees welcome!“ auf einem Transparent… Leider wurde der OB nicht wahrnehmbar widersprochen.

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