Mittwoch 04.12.13, 10:54 Uhr

Über ExtremistInnen bei Polizei, Hochschulleitung und Medien 1


Einer Gruppe von AntifaschistInnen ist es am Montag gelungen, einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, dass Michael Brück, einer der gefährlichsten Neonazis, der z. Z. auf freiem Fuß ist, von der Ruhr-Uni zum Juristen ausgebildet wird. Polizei, Ruhr-Uni und Medien ist es gleichzeitig gelungen, hieraus eine Links-Rechts-Extremismus-Geschichte zu konstruieren, die es wert ist, einmal näher betrachtet zu werden: Wer in Bochum am Dienstag die WAZ aus seinem Briefkasten nahm, erfuhr auf der Titelseite (Abbildung rechts) , dass ein „angeblicher Neo-Nazi“ geoutet wurde. Die WAZ-Redaktion weiß sehr genau, wer Michael Brück ist.  Er war einer der führenden Köpfe mehrerer inzwischen verbotenen Organisationen, war Bundestagskandidat der Partei „Die Rechten“ und ist stellvertretender Landesvorsitzender der Partei. So jemanden als „angeblichen Neonazi“ zu verharmlosen, gehört schon als Beschwerde vor den Presserat.
Der Artikel im Lokalteil der WAZ übernimmt völlig unkritisch die Sichtweise des Staatsschutzes der Polizei und gipfelt in einem unsäglichen Kommentar. Hier wird das Outen eines gefährlichen Nazis, der durch seine Funktionen eine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses ist, gleichgestellt mit: „Nazis haben einst die Hörsäle gestürmt und missliebige Professoren entfernen lassen.“ Das Outen eines brutalen Nazis wird hier verglichen mit der Denunziation von jüdischen HochschullehrerInnen, die anschließend von den geistigen Vorgängern von Brück ermordet wurden.
Auf der Webseite des WAZ-Konzerns erscheint am Dienstag um 13.35 Uhr dann ein Beitrag „Opfer an Ruhr-Uni Bochum angeblich mit Schlagstöcken verprügelt„.  In der Dramatisierung wird formuliert, hier zeichne »sich ein noch brutaleres Bild der Ereignisse. „Wir haben Zeugenaussagen, die besagen, dass einige der Maskierten Teleskopschlagstöcke dabei hatten und diese auch benutzten“, so ein Polizeisprecher gegenüber der WAZ.« Zwischenzeitlich tauchen mehrere Handyvideos im Internet auf, die dokumentieren, dass von den Antifa-AktivistInnen keine körperliche Gewalt begonnen wurde. Prof. Georg Borges ist eindeutig zu erkennen als jemand, der nicht auf die gerufene Polizei warten, sondern mit körperlicher Gewalt die Aktion beenden will und ein Handgemenge provoziert. Auf der WAZ-Webseite erscheint um 18.10 Uhr ein Artikel, der den vorhergehenden Beitrag überarbeitet und teilweise korrigiert hat, mit dem Titel: „Randale im Hörsaal – Antifa gibt Professor Schuld an Gewalt„. In der Printausgabe am Mittwoch erscheint nicht der korrigierte, sondern der ursprüngliche Agitationsartikel gegen die Antifas. Soweit die WAZ.
Der Staatsschutz der Polizei jubiliert förmlich, dass er endlich mal wieder eine Geschichte nach seinem Links-Rechts-Schema konstruieren kann. Mit keinem Wort wird auf die Gefährlichkeit von Michael Brück eingegangen. Gleichzeitig werden heftige Repressionsmaßnahmen gegen linke Verdächtige veranlasst.
Die Leitung der Ruhr-Uni definiert es als vorbildliche Zivilcourage, wenn einer ihrer Hochschullehrer der Rechtswissenschaften vor 200 Studierenden mal eben vorführt, dass er nicht daran denkt, auf das Eintreffen der Polizei zu warten, sondern selbst handgreiflich wird, um sein Hausrecht durchzusetzen. Dass ein besonnener Hochschullehrer ein geeigneteres Vorbild wäre, der Verständnis dafür hat, dass die Anwesenheit eines gefährlichen Nazis in seiner Vorlesung eine kurze Unterbrechung rechtfertigt, wird der Hochschulleitung wahrscheinlich nicht in den Sinn kommen. Originalton Uni: „Aufs Schärfste verurteilt das Rektorat der RUB den tätlichen Angriff auf den Juristen Prof. Dr. Georg Borges am 2.12. und das gezielte Anprangern eines Jura-Studenten“
Die Antifas erklärten in ihrer Stellungnahme nach der Aktion: „Mit diesem Verlauf der Ereignisse hatten wir nicht gerechnet.“ Hier muss dringend aufgearbeitet werden, wie zukünftig sorgfältig durchdacht wird, welche öffentliche Wirkung welche Aktion hat. Häufig reicht aber auch die gesammelte Fantasie aller Beteiligten nicht aus, um sich auszumalen, wie Polizei, Institutionen und Medien eine Geschichte verdrehen.


Ein Gedanke zu “Über ExtremistInnen bei Polizei, Hochschulleitung und Medien

  • Benni

    Dass Professoren an der RUB nach Belieben Studierende verprügeln dürfen und dafür von der Uni-Leitung auch noch gedeckt werden, sollte spätestens seid dem Jahre 2009 bekannt sein:

    Damals hatte Prof. Lucian Hölscher einem Studierenden ins Gesicht geschlagen, um ihn wenig später mit Unterstützung der Universitätsleitung unter Androhung von Strafanzeigen und internen Disziplinarverfahren (Exmatrikulation!) mundtot gemacht – der betroffene Student exmatrikulierte sich kurze Zeit später „freiwillig“. (Link: http://www.protestkomitee.de/index.php?option=com_content&task=view&id=861)

    Also liebe Studis: An der RUB wird noch auf Disziplin und Gehorsam Wert gelegt – und wer dem Prof widerspricht, den erwartet nach „guter deutscher Tradition“ die Prügelstrafe unter Zustimmung und Rückendeckung der Universitätsleitung – sowie Strafverfolgung durch präventive Gegenanzeigen und Exmatrikulation sollte man die Frechheit haben, dieses „Recht auf Schläge“ dieser „vorbildlichen Staatsbürger“ anzuzweifeln.

    Also gilt ab jetzt an der RUB wieder: Maul halten und dem Prof nicht widersprechen – wenn man nicht im Krankenhaus oder Knast landen will.

    Kein Wunder also, dass an einer solchen Uni die „Meinungsfreiheit“ von gewalttätigen Neonazis auch von ebenso gewaltbereiten Professoren „schlagkräftig“ verteidigt wird.

    Oder um es mit den Worten einer wenig bekannten deutschen Rap-Gruppe zu sagen: „1933 wären sie alle Nazis gewesen!“ (http://www.youtube.com/watch?v=3ZsK5WTAv_o)

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