Mittwoch 29.02.12, 19:48 Uhr

Repressives Denken statt Hilfe


Norbert Hermann von Bochum prekär zur neuen Richtlinie der Stadt Bochum für die „Kosten der Unterkunft“ (KdU) für Hartz IV-EmpfängerInnen: “Ständiger systematischer Rechtsbruch durch ARGE, Rat, Sozialausschuss” klagten wir schon vor Jahren. Unwidersprochen. Jetzt hat die Stadt Bochum auf Druck des Sozialgerichts Dortmund und des Landessozialgerichts Essen die KdU-Richtlinie überarbeitet und klammheimlich ins Netz gestellt.
Das Nötigste ist dort der Rechtslage angepasst („Sofern der Richtwert nicht überschritten wird, kann die Wohnfläche nach oben oder unten abweichen.“). Auch müssen dann idR die gesamten Nebenkosten übernommen werden, ohne Abzug für den „überschießenden“ Wohnraum. An anderen Positionen bleibt jedoch die Rechtswidrigkeit bestehen. Insgesamt ist das Papier „mit heißer Nadel“ zusammen gestrickt, es kommt stellenweise zu redaktionellem Chaos, Hartz IV-Regelungen und Regelungen der Sozialhilfe werden munter durcheinandergebracht, teils sind widersprüchliche Aussagen enthalten.
Das macht deutlich, dass ein solches Verwaltungsvorgehen nicht den Anforderungen an „good practise“ entspricht und auch nicht den Anforderungen an moderne soziale Verantwortlichkeit einer Kommune. Diese für einen nicht geringen Teil der Bevölkerung existentielle Grundlage für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt muss professionell unter Beteiligung kompetenter und relevanter gesellschaftlicher Gruppen und Personen von Grund auf neu durchdacht werden. Geiz ist hier nicht angebracht: die Betroffenen liegen durch die methodisch stümperhafte und politische gedeckelte Regelsatzberechnung ohnehin unter dem Existenzminimum. Grundgesetzwidrig wird einer zunehmende Zahl auch der Regelsatz durch Strafmaßnahmen gekürzt. Vom Regelsatz noch einen Teil der Wohnungskosten bezahlen zu müssen, ist schlicht existenzgefährdend.
Im Einzelnen:
Das Landessozialgericht Essen hat dem Jobcenter Bochum und damit der hier zuständigen Kommunalverwaltung auferlegt, in nächster Zeit ein „schlüssiges Konzept“ zur Ermittlung der Mietobergrenzen (MOG) vorzulegen. Darüber verfügt die Stadt aber nicht, und seit der Abschaffung der Stabsstelle „Sozialplanung/ Sozialberichterstattung“ als Grundlage zur Steuerung kommunaler Ressourcen verfügt sie auch nicht mehr über die Kompetenz dazu. Ein Verweis auf einen (mehr oder weniger) qualifizierten Mietspiegel und die „Beobachtung des Wohnungsmarktes“ genügt nicht den erforderlichen wissenschaftlichen Kriterien. Eine Bearbeitung durch ideologisch schlecht motivierte Sozialamts-Koryphäen auch nicht.
Juristisch fällt nach kurzer Übersicht schnell auf, dass es sich hier um Regelungen handelt für Leistungsberechtigte der Sozialhilfe (SGB XII – Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung), die sich allerdings nicht so ohne Weiteres auf den Rechtskreis Hartz IV (SGB II) übertragen lassen. Andererseits werden Regelungen des SGB II übernommen, die für vom SGB XII Betroffene keine Gültigkeit haben. So gibt es im SGB XII anders als im SGB II keine Vorschrift, wonach bei einem nicht notwendigen Umzug für die neue Wohnung nicht die angemessene und tatsächlich zu zahlende Miete, sondern grundsätzlich nicht mehr als in der „alten“ Wohnung zu zahlen ist. Bei der Bemessung der angemessenen Wohnungsgröße ist selbstverständlich immer die Familiensituation, der Gesundheitszustand, die Personenzahl und die Anzahl der verfügbaren Zimmer zu berücksichtigen. Bei Vorliegen einer Behinderung kann ein zusätzlicher Raumbedarf nötig sein, ebenso für den Gemeinschaftsraum bei Alleinerziehenden. Vermieter_innen gehen zunehmend dazu über, drei Monatsmieten Kaution zu verlangen (statt wie früher zwei). Eine Beschränkung auf die darlehensweise Gestellung einer Kaution (oder einer Kautionsgarantiererklärung) auf nur zwei Monatsmieten wird zunehmend realitätsfremd. Für die Anrechnung von möglichen Nebenkostenrückerstattungen bestehen unterschiedliche Regelungen im SGB II und SGB XII. Notwendige Umzüge und Renovierungen sind zwar grundsätzlich in Eigenhilfe zu leisten, ist diese Möglichkeit aber eingeschränkt, so ist umfassend und zügig Hilfe zu organisieren.
Insgesamt ist auch diese Neuauflage einer schlechten Richtlinie wieder nicht vom Hilfegedanken sondern von repressivem Denken geprägt. Die hier zuständigen gesellschaftlichen Gruppen (Parteien, Gewerkschaften, Interessen-, Sozial- und Wohlfahrtsverbände …) sind aufgerufen, sich zusammen zu schließen um dem Einhalt zu gebieten.