Freitag 17.02.12, 07:10 Uhr
Ein Jugendschöffengericht fällt ein fragwürdiges Urteil:

Besoffener Rassismus ist nicht so schlimm 2


Sechs Stunden beriet gestern ein Jugendschöffengericht des Bochumer Amtsgericht über einen Überfall von vier jungen Männern, deren Familien aus Deutschland stammen auf drei junge Männer, deren Familien aus der Türkei stammen. Die Täter schlugen ihre Opfer teilweise krankenhausreif, riefen dabei „Heil Hitler“, zeigten den Hitlergruß, beschimpften die Opfer als Kanaken und lästerten über den Koran.  Zwei Zwillingsbrüder unter den Tätern standen zur Tatzeit unter Bewährungsvorbehalt und wiesen in ihren Vorstrafenregister 22 bzw 16 Eintragungen auf. Das Gericht attestierte den vier Rüpeln zur Überraschung der meisten ProzessbeobachterInnen, dass keine Fremdenfeindlichkeit zu der Tat geführt habe. Die Zwillinge erhielten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, sie müssen 150 Sozialstunden ableisten. Ein dritter geständiger Erwachsener erhielt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Der angeklagte Jugendliche muss für drei Wochen in den Dauerarrest. Das Gericht begründete die milden Strafen damit, dass die Täter stark alkoholisiert gewesen seien.
Damit ging die Prozessstrategie der vier Täter vollständig auf. Sie erklärten zu Beginn des Prozesses, dass sie bei der Tat so betrunken gewesen seien, dass sie sich an absolut nichts erinnern könnten. Der Anwalt eines Angeklagten kündigte im Prozessverlauf dann allerdings eine Erklärung mit einem Geständnis an. Das Verfahren wurde daraufhin ausgegliedert. Nach der Schilderung der Opfer und der Bestätigung in dem Geständnis war folgendes passiert: Die Opfer waren bei Burger-King an der Dorstener Straße gewesen und fuhren mit ihrem PKW aus der Parklücke. Die vier Täter stellten sich ihnen dann in den Weg, zündeten einen Feuerwerkskörper und warfen ihn auf die Windschutzscheibe des Wagens. Als der Fahrer des Wagens ausstieg, wurde er bedroht und beschimpft. Er erhielt Faustschläge ins Gesicht. Das Opfer auf dem Beifahrersitz wurde von mehren Tätern getreten. Schließlich gelang es dem Fahrer mit dem Wagen und den beiden Beifahrern zu Fuß zu flüchten. Die Täter verfolgten sie und riefen dabei ihre rassistischen und nationalsozialistischen Sprüche mit den dazugehörigen Gesten. Drei Jugendliche, die den Vorgang beobachteten und die Polizei riefen, wurden dabei ebenfalls bedroht und angegriffen. Die beiden Opfer, die zu Fuß flüchteten, schafften es schließlich in den Realmarkt zu gelangen und sich damit in Sicherheit zu bringen. Während des gesamten Überfalls versuchte die Freundin eines der Schläger vergeblich die vier von ihrem Tun abzubringen.
Die Täter zeigten keinerlei Reue, sie entschuldigten sich nicht bei ihren Opfern. Lediglich der Angeklagte, der das Geständnis ablegte, deutete ein wenig an, dass sein Verhalten wohl nicht richtig gewesen sei.
Die Opfer machten während der Verhandlung den Eindruck, dass sie sich immer noch bedroht fühlten. Auf dem Gerichtsflur nach der Vernehmung darauf angesprochen, ob sie auch zivilrechtlich gegen die Täter vorgehen und z. B. auf Schmerzengeld klagen wollen, war die klare Antwort: Nein, wir wollen das nur vergessen.


2 Gedanken zu “Besoffener Rassismus ist nicht so schlimm

  • martina multhaupt

    Bis zum 01.01.2002 wurde im StGB die bis dahin landläufig übliche, juristisch akzeptierte strafmindernde Wirkung eines Vollrausches praktiziert.
    Oft zum Leidwesen der Opfer.
    Dieses Gesetz wurde zum 01.01.2002 gegen §323a StGB ausgetauscht.
    Die juristische Möglickeit gab es schon lange; allerdings wurde von ihr selten Gebrauch gemacht.
    Die Einführung von §323a als allgemeinen Usus emfpand ich als Vorteil, denn mittlerweile ist die Suchtforschung zu dem Ergebnis gekommen, daß jedem Rauschmittel“abusus“, nicht aber Abhängigkeit, eine vorhergehende bewußte Entscheidung zugrunde liegt.
    Gemäß dem Motto:
    Wir werden heute trinken.

    Es ist davon auszugehen, daß in diesm Falle der Konsum von Alkohol eine bestimmte politisch-psychologische Tendenz verstärken und Hemmschwellen abbauen sollte.
    Dafür spricht das Verhalten der Freundin, die, eigenen Angaben gemäß, zumindest einen der Täter von seinem Verhalten abbringen wollte.

    Ich finde das Urteil fatal und gefährlich für die Zukunft.

    Bitte, steht alle auf und lasst keinen Rückfall zu in die Zeit, als jedes Opfer „Opfer“ wurde, weil „er/sie so aussah“ oder „weil er/sie sich so kleidete.“
    Für die Demokratie.
    Für uns Alle.

  • martina multhaupt

    Zusatz:
    Der vorsätzliche Konsum von Drogen jedweder Art soll in keinem Falle zur Strafmilderung führen!
    Wobei die Frage des Vorsatzes in einer psychiatrischen Klink sehr schnell geklärt werden wird (ca. fünf – zehn Tage).

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