Samstag 10.09.11, 08:00 Uhr

Der zweite Wurf 6


Matthias Schamp hat heute einen zweiten Wurf. Ein Kunstsammler war vorgestern über den Zaun des Situativen Brachland Museums gestiegen und hatte angefangen, das Museum zu plündern. Ein aufmerksamer Bürger hat ihn erwischt und fotografiert. Matthias Schamp drohte öffentlich mit Strafanzeige und der Dieb lieferte seine Beute daraufhin bei der Kunstakademie ab. Zu Beginn der heutigen Museumsführung – Beginn 15.00 Uhr – werden die Werke erneut über den Zaun geworfen. Vielleicht gelingt es dieses Mal das Kunstwerk von Matthias Beckmann zu vollenden. Sein Prozelan-Teller trägt die Inschrift „Werfen verwandelt die Dinge in Stücke vergangenen Glanzes“.  Bei der Eröffnung des Museums landete der Teller unbeschadet im Schlamm und die intendierte fragmentarische Gestalt wurde verfehlt.


6 Gedanken zu “Der zweite Wurf

  • ubu

    schade. bo-alternativ hat die ganze diskussion ins archiv versteckt. die ist aber doch ganz spannend.
    da weist yips auf konzeption, poesie in der ideensphäre hin. dort freilich kann sich alles reibungslos entfalten und jeder käfig wird durchlässig. in der eigenen phantasie wird uns wirkkräftig zugezwinkert, die banalität realen lebens wie lästige zäune überwunden, haben wir doch anteil am scheinen von genialität. genie darf alles.
    und schamp dankt für diese bestätigung. ach , hätte ihm doch die idee genügt! was tun die künstler ? freiwillig werfen sie ihre kunst hinter einen zaun. hinter dem zaun ist museum. was will ein künstler mehr ? hinter den zäunen, mauern, absperrungen, in vitrinen, hinter panzerglas , mit alarm-anlagen gesichert = in unseren museen angekommen, im paradies. das ist doch der wunschtraum aller künstler. es ist die ultimative anerkennung. und kein kustos, kein museumsdirektor , der beim brachlandmuseum sagen würde : du nicht. der schamp, die künstler entscheiden selbst. und wehe einer übersteigt den zaun und nimmt etwas aus dem musealen raum. wo kämen wir dahin ? kunstdiebstahl, egal ob rembrandt oder schamp ! kein unterschied ? und welchem unserer künstler der segen fehlte, der kriegt ihn nun: kunst, anteil am genialischen …
    die brachen der kindheit – freiheit, abenteuer, phantasie versus verbote, eingriffe der autoritäten – rinderzüchter und cowboys gegen siedler und ackerbauern . einige brachen wurden eingezäunt, andere bebaut und es entstanden durch abriss sogar neue. vagabunden finden sie.
    ein poetischer ? zufall liess mich gestern ein buch finden. beim spiel springt der ball des kleinen mädchens über den zaun. sie schlägt die warnungen der eltern in den wind, klettert hinüber und findet den ball und eine freundin fürs leben …
    ganz prosaisch geht iustitia damit um. wem gehört der ball, muss er herausgegeben werden ? wann ist da hausfriedensbruch, sachbeschädigung im spiel ?
    soviele gedanken ranken an zäunen und schranken …

  • Matthias Schamp

    Da mir bei obigen Gestammel der rote Faden fehlt, und ich nicht mehr darin zu erkennen vermag, als dass da jemand offenbar sehr neidisch ist, sehe ich mich diesmal leider außerstande, näher darauf einzugehen.
    Für Interessierte LeserInnen verweise ich auf meinen letzten Kommentar:
    https://www.bo-alternativ.de/2011/09/09/museumsfuehrung-immer-am-zaun-lang/
    Man kann sich auch allgemein über die Ausstellung informieren unter: http://www.brachland-museum.de
    Oder kommt doch einfach zur nächsten Führung am Sonntag, 18.9.2011, 15 Uhr, Einfahrt zur Riffhalle

    Aber vielleicht interessiert sich jemand dafür, was Künstler aus ganz Deutschland und anderen Ländern bewegt, ohne jede Vergütung an so einer Ausstellung teilzunehmen. Darum sei hier ein Brief wiedergegeben, den mir Wolfgang Müller zusammen mit seinem Beitrag schickte.
    U. a. als Mitglied der legendären Gruppe „Die tödiche Doris“ sowie als Herausgeber des Merve-Bandes „Geniale Dilettanten“ hat Wolfgang Müller die ästhetischen Diskussionen der 80er Jahre entscheidend geprägt. Ich halte ihn für einen der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Er schrieb:

    Lieber Matthias,

    mit Dank zurück erhältst Du deine vier Papierflugzeuge. Sie sind jetzt beladen für den Samentransport. Außerdem liegen drei Tüten mit den Samen des rotblättrigen Basilikums, von Steppensalbei und Großer Kapuzinerkresse anbei. All diese Pflanzen reiften an meinem Fenster in der Kreuzberger Waldemarstraße.
    Du kannst die Samen gern per Hand über den Zaun werfen. Die Samen des rotblättrigen Basilikums werden den Bochumer Winter möglicherweise nicht überstehen und auch die Große Kapuzinerkresse wird sich wohl schwer tun. Aber einen Versuch ist es wert. Denn ich habe schon erlebt, dass vom Vorjahr Kapuzinerkressesamen den Berliner Winter überlebten und zu ansehnlichen Pflanzen heranwuchsen. Wie die Steppensalbei, das heißt, wie ihre Samen auf den Winter reagieren, weiß ich nicht.
    Aber es müssen ja auch nicht die Samen der Pflanzen an meinem Fenster sein, die auf dem Brachgelände in Bochum keimen. Der Wind und das Gefieder der Vögel tragen sowieso die unterschiedlichsten Samen von überall her.
    In Westberlin ließ sich so ein Prozess besonders gut am Gleisdreieck beobachten. Das war ein sogenanntes Brachgelände, welches in Westberlin lag, rechtlich aber zu Ostberlin gehörte. Da die Westberliner Behörden das Areal weder bebauen noch bepflanzen durften, es entlang der ehemaligen Gleislinien lag, die Güter aus entferntesten Regionen in die Stadt transportierten, entwickelte sich dort seit 1945 eine derart spannende Fauna und Flora, dass das Gleisdreieck beliebtes Forschungsziel von Biologen wurde. In manchen Säcken, Verpackungen und Kisten kamen nämlich Pflanzensamen und Tiere aus entfernten Regionen als sogenannte blinde Passagiere in die Stadt. Sogar eine bislang unbekannte Spinnenart wurde auf dem Gelände entdeckt.
    Die Tödliche Doris drehte 1981-1982 auf dem Gleisdreieck und der Transitstrecke Westberlin-Helmstedt den Super-8-Film über einen nur dort vorkommenden Vogel, das Graupelbeerhuhn. Dort verschmolzen die
    romantisch-kämpferischen Slogans der jungen westdeutschen Ökobewegung im Sprecher mit der betulichen Moderation der Tiersendungen von Bernhard Grzimek. Das Graupelbeerhuhn existiert nur als gestaltgewordener Wunsch, in „verwildertem Gelände“ – was für eine abfällige Bezeichnung! – etwas zu entdecken, was bislang unbekannt war.
    Sollte wirklich alles durchgeplant, gestaltet, organisiert und
    reglementiert werden? Ich meine: Nein. Obwohl Künstler_Innen das Image tragen, kreativ zu formen und zu gestalten, könnten Sie verstärkt für Chaos und Anarchie kämpfen. Ist das etwa ein Plädoyer für Zerstörung? Absolut nicht! Denn was heute oft als Ordnung und Regelwerk präsentiert wird, ist bei näheren Hinsehen das tollste Wirrwarr, ein Chaos, hinter dem sich die Hierarchien und der größte Unsinn verbergen.
    Deshalb sind die vier Papierflugzeuge, die du gefaltet hast, technisch perfekte Meisterwerke zum Pflanzensamentransport. Sie verbrauchen kein Kerosin, nur ein bisschen Muskelkraft. Die Samen sind natürlich auch Meisterwerke. Das Chaos ist der Rest: der Wind, die Luft, der Schwung und alles, was als „Zufall“ bezeichnet wird.

    Also, gut Schwung!
    herzlichst, Wolfgang

  • ubu

    Sehr daneben, matthias.
    du hattest sonst schon etliche besser durchdachte witzige aktionen. aber diese ist das nicht.
    es hiess doch ständig, die umzäunung sei schlecht.
    ich finde für den zaun auch kein anderes argument, als dass der eigentümer der brache , die stadt, dafür haftet, wenn auf ihrem gelände jemand zu schaden kommt, deshalb zaun.
    deine aktion negiert nicht die umzäunung sondern bestätigt sie. auch deine reaktion auf den diebstahl zeigt sehr deutlich, dass es keineswegs um die abschaffung der zäune geht. im gegenteil, die ganze aktion bestätigt die notwendigkeit von umzäunung : Nur innerhalb des Zauns ist Museum, und so wie überall auf der welt darf aus museen nichts geklaut werden. fehlt nur noch ein wachmann und ein kassenhäuschen.

  • Matthias Schamp

    Nur zur Richtigstellung:
    Eines der Anliegen des Situativen Brachland Museums ist es, dieses Gelände, das von der Stadt unsinniger Weise abgesperrt wurde, im öffentlichen Bewusstsein zu erhalten. Wie auch ganz allgemein, im Umgang mit städtischen Räumen einen Bewusstseinswandel herbeizuführen.
    Das Museum arbeitet weder mit Kassenhäuschen noch mit Wachmann. Warum dieses Schwadronieren mit unsinnigen Behauptungen?
    Es ist auch nicht mal beabsichtigt, das Museum dauerhaft auf dieser speziellen Brache zu installieren. Das Situative Brachland Museum ist ein nomadisierendes Projekt. Es ist heute hier, morgen kann es schon ganz woanders sein. In einer anderen Stadt oder einem anderen Land. Dabei wird es sich eventuell auch mal wieder innerhalb einer Umzäunung niederlassen – dies wird aber ganz sicher nicht der Regelfall sein.
    Im übrigen bin ich generell gegen Eintrittspreise in Museen. Für mich sind Museen Bestandteile des öffentlichen Raums, zu denen jeder unentgeltlich Zutritt haben sollte.
    Ich bin auch gegen Diebstähle in Museen – ob es sich im Großen vollzieht, wie bei der Plünderung des Nationalmuseums im Irak, oder im Kleinen.
    Was die Diebstähle im Brachland Museum angeht, die leider jetzt erneut stattgefunden haben, kann ich nur wiederholen, was ich schon mal geschrieben hatte:

    „Die Werke sind von den Künstlern teils mit hohem Aufwand, intensiven Überlegungen und Kosten extra für diese Gelegenheit hergestellt wurden (und dies unentgeltlich!). Jemand hat versucht, die Ausstellung systematisch abzuräumen, um sie zu zerstören – offenbar weil er sich davon provoziert fühlte. Ich hätte es vorher nicht für möglich gehalten, aber der Kommentar lässt es ja auch durchschimmern: Es gibt Menschen die sich dadurch provoziert fühlen, das Künstler unentgeltlich und uneigennützig zur Freude etlicher Mitmenschen eine höchst ungewöhnliche Ausstellung in die Welt setzen – und dies auf einem Gelände, das nicht genutzt wird, womit also niemand auch nur die mindeste Einschränkung erfährt. Erstaunlich!“

    Im ersten Fall habe ich mich noch davon überzeugen können, dass dem Vorfall offenbar ein tragisches Missverständnis zugrunde lag. Wir – d. h. ich und der Entwender – haben uns die Hand gegeben und die Sache ist erledigt.
    In diesem neuerlichen Fall sieht die Sache allerdings definitiv anders aus.
    Natürlich werde ich nun Anzeige gegen den Dieb erstatten (wie ich es auch gegen die Stadt erstattet hätte, wenn diese die Werke abgeräumt und entsorgt hätte). Es ist das Allerletzte, Leute, die mit zu den Ärmsten in unserer Gesellschaft gehören, aber trotzdem aus einem sozialen Gefühl heraus an der Verbesserung unserer Welt arbeiten, zu bestehlen – sei es aus Neid, Zerstörungswillen oder aus Bereicherungsabsicht.
    Das bin ich den Ausstellungs-Teilnehmern ja einfach schuldig: Schon allein um zu unterstreichen, dass die Künstler ihre Arbeit zwar unentgeltlich gemacht haben – dass diese damit aber eben nicht wertlos ist.

  • ubu

    diese ganze kunstaktion ist schlecht konzipiert. die aktion erklärt sich nicht umittelbar selbst. sie wird interpretiert und zwar sehr unterschiedlich und abweichend von deiner ursprünglich bestimmt guten absicht. deine pressearbeit zu der aktion war grottenschlecht. – Für das „Situative Brachland-Museum“ werfen Künstler ihre Werke absichtlich weg – hiess es im westen, Bochum, 04.09.2011, Tom Thelen.
    ich nehme an und hoffe, dass du den beteiligten künstlern vor der aktion klar gemacht hast, was mit ihren arbeiten geschehen kann. zb dass die stadt alle fremdkörper auf der brache einsammeln könnte, im schlimmsten fall entsorgt oder aber informiert, dass die eigentümer ihre sachen wann und wo abholen können, und dass du für die entrümpelung eine rechnung bekommst. vielleicht hättest du doch ein grundstück mit wachmann auswählen müssen, wenn es so wichtig ist, dass da keineswegs sachen weggeworfen wurden und es wichtig ist, dass nix davon wegkommt. dein umgang mit dem ersten diebstahl war völlig daneben. wieder führe ich die presse an. ganz harmlos war bei bo-alternativ zu lesen : „Die Ausstellung hat sogar schon einen Kunstdieb motiviert, über den Zaun zu klettern und Werke aus dem Museum zu stehlen. Unklar ist, ob diese Aktion zum Ausstellungskonzept gehört. Schließlich ist es das Ziel, den Zaun zu überwinden.“ gleichzeitig war in der waz zu lesen, dass du dem bürger dankst, der den dieb auf frischer tat fotografiert hat, und du drohst dem dieb mit anzeige. und der gipfel : die ruhrnachrichten bringen das betreffende foto. interessanterweise wurde dieser heftige umgang mit dem „kunsträuber“ auf bo-alternativ erst durch meinen leserbrief mitgeteilt. du dachtest wohl, ein solcher umgang mit dem dieb mache sich nicht so gut bei den linken. aber in der bürgerlichen presse haust du voll auf die kacke.
    ich weiss nicht, was jetzt wieder geschehen ist, du schreibst es nicht. die geschichte ist ganz schön verkorkst. du bist kein kind mehr, das seinen ball beim spielen unabsichtlich auf ein nachbargrundstück beförderte und das nun anspruch auf herausgabe des balls hat, auch wenn deine aktionen gern an eine kindliche herangehensweise anknüpfen.

  • Matthias Schamp

    Es ist ein wesentliches Merkmal von Kunst, dass sie Spielraum für unterschiedliche Interpretationen lässt. Gäbe es nur eine mögliche Interpretation, sollte man besser die Interpretation an die Stelle des Kunstwerks setzen, (das sich damit erübrigt hätte).

    Was die Pressearbeit anbelangt – ich gucke mir natürlich immer gern von einem gewieften Medienprofi was ab. Allerdings fand ich die Pressearbeit für das Brachland-Museum gewiss nicht „grottenschlecht“. Für ein No-Budget-Projekt, (das also auch ohne Etat für Werbemittel auskommen musste und bei dem es insofern nur für ein paar Flugblätter und Aufkleber langte), das zudem bei hohem zeitlichem Aufwand ehrenamtlich organisiert wurde und das außerdem noch unter der (jede Öffentlichkeitsarbeit sehr erschwerenden) Bedingung der Geheimhaltung vorbereitet wurde, ist die Wirkung meiner Ansicht nach enorm. Und sie hält immer noch an. Es wird in Zukunft weitere Berichte – auch überregional – in diversen Medien geben. Ich kenne eigentlich wenige vergleichbare Projekte, die unter diesen Bedingungen eine solche Wirkung entfalten.

    Dass es im Zusammenhang mit dem Projekt auch zu Missverständnissen kommen kann, ist normal. Das ist bei dessen Komplexität einfach unumgänglich. Meine Aufgabe als Ausstellungsmacher ist es z. B. auch, diese Missverständnisse geduldig auszuräumen.
    Ich stelle dabei aber auch fest, dass es offenbar Leute gibt, die missverstehen WOLLEN, und die sich – ohne sich erstmal ein bisschen kundig zu machen – sogleich in Vorwürfen ergehen, (Und die dabei sogar permanent ihre Positionen wechseln, also gar nicht aus einer Position heraus argumentieren, sondern offenbar nur durch das Angriffsziel motiviert sind.)

    Man sollte seine Mitmenschen – und also auch Künstler – nicht samt und sonders für blöd halten. Natürlich wurden die Teilnehmer auf das Risiko hingewiesen, dass ihre Werke im Verlauf der Ausstellung abhanden kommen könnten. Aber selbst wenn es nicht ausdrücklich so im Einladungsschreiben gestanden hätte, wäre darauf auch jeder der teilnehmenden Künstler selber gekommen. Die sind nämlich NICHT blöd!
    Einige der eingeladenen Künstler (z. B. Birgit Anna Schumacher und Carsten Gliese) reflektieren dies sogar ausdrücklich in ihren Werken. Wer sich die Ausstellung einmal anschaut, erkennt das schnell. Aber nicht jeder, der seine Stimme gegen die Ausstellung erhebt, schaut sich diese offenbar an. Im Netz wird jedes einzelne Werk vorgestellt unter: http://www.brachland-museum.de

    Dabei ist die Lösung, zu der die Künstler kommen, nicht immer gleich: Nol Hennissen beispielsweise produzierte Ringe aus Eis, die am Ende im Gelände versickern, also gar nicht geklaut werden können. Auch dies macht die Ausstellung so komplex – dass sich 48 Künstler nicht einfach auf eine einzige Haltung reduzieren lassen.

    Die Tatsache, dass die Künstler das Risiko kannten, ihre Werke zu verlieren, legitimiert aber längst nicht ihren Diebstahl. Wenn jemand versucht, eine Schlägerei zu schlichten, geht er auch das Risiko ein, plötzlich einbezogen zu werden. Was ist das für eine merkwürdige Haltung, die dann sagt: „Selber schuld!“

    Der Zaun markiert nicht nur eine Grenze im physischen Raum, indem er bestimmte Körper am Betreten eines Geländes hindert. Sondern er markiert zugleich einen Rechtsraum, für den bestimmte Regeln zu gelten, bzw. nicht zu gelten haben.
    Mit der Ausstellung „Kunstwerke-Werfen“ wurde nicht einfach nur diese physische Grenze thematisiert, indem plötzlich Gegenstände über den Zaun flogen.
    Sondern die Ausstellung thematisiert zugleich auch eben diese eigentlich immaterielle Regel-Grenze. Fragen nach öffentlichen Raum, Privatgelände, Unbetretbarkeit, Exklusion und Eigentum werden gleichermaßen aufgeworfen.

    Kunstwerke-Werfen wirft also Fragen auf, die etwas komplexer sind, als es obiger Kommentator sich offenbar vorstellen kann: z. B. geht ein auf einem Privatgelände geparktes Auto nicht automatisch in das Eigentum des Privatgelände-Besitzers über.
    Und es gibt im Grundgesetz den Artikel 5, Absatz 3, der nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern auch die Verbreitung von Kunstwerken schützt.
    Warum nicht diese rechtlichen Fragen einfach mal durchdeklinieren, indem Anzeige erstattet wird gegen einen Dieb, der versucht hat, die komplette Ausstellung abzuräumen? Es geht hier ja nicht um den Liebhaber eines bestimmten Stückes, der vielleicht gar nichts von dessen Existenz in einem Ausstellungskontext ahnte.
    Sondern die Tatsache, dass gezielt die ganze Ausstellung abzuräumen versucht wurde, lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu:

    Entweder handelt es sich um einen sehr neidischen Zeitgenossen, der aus puren Hass auf die Ausstellung in eindeutiger Zerstörungsabsicht zu Werke ging. (Zum Glück ist die Ausstellung an sich aber unzerstörbar.) In diesem Fall gilt, was ich schon in einem anderen Kommentar schrieb:
    „Ich hätte es vorher nicht für möglich gehalten, aber der Kommentar lässt es ja auch durchschimmern: Es gibt Menschen die sich dadurch provoziert fühlen, das Künstler unentgeltlich und uneigennützig zur Freude etlicher Mitmenschen eine höchst ungewöhnliche Ausstellung in die Welt setzen – und dies auf einem Gelände, das nicht genutzt wird, womit also niemand auch nur die mindeste Einschränkung erfährt. Erstaunlich!“

    Oder es handelt sich um jemanden, der eine Bereicherungsabsicht hat. Auch dann stellt sich die Frage, warum man so jemanden einfach damit durchkommen lassen soll? Warum sollte es ihm ermöglicht werden, in naher Zukunft Werke von Künstlern zu veräußern, die diese ohne jeden Entgelt unter Einsatz von Zeit, Energie, Ideenkraft und Kosten geschaffen haben? Das Mindeste ist doch, dass diese Werke in der Kartei der gestohlenen Kunstwerke erfasst werden, und somit ihre Veräußerung unmöglich gemacht wird.

    Als Fazit nochmal eine Bemerkung, die ich bereits einmal gemacht habe: „Das bin ich den Ausstellungs-Teilnehmern ja einfach schuldig: Schon allein um zu unterstreichen, dass die Künstler ihre Arbeit zwar unentgeltlich gemacht haben – dass diese damit aber eben nicht wertlos ist.“
    Also wird natürlich Anzeige erstattet. Dies hätte ich ja auch getan, wenn die Stadt die Ausstellung abgeräumt und vernichtet hätte. Und dies ist ganz gewiss nichts, was ich vor irgendwelchen Linken geheim halten will. Das die Anzeige nicht bereits erstattet wurde, liegt einzig und allein daran, dass ich vorher ausschließen wollte, dass die Objekte innerhalb des Geländes lediglich verschoben wurden. Dies ist leider nicht der Fall.

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