Dienstag 10.07.18, 23:00 Uhr

Ulrich Schneider ist tot


Am 19. Juni 2018 ist Ulrich Schneider im Alter von 62 Jahren gestorben. Norbert Hermann erinnert an ihn: Ulrich Schneider ist seit Jahrzehnten in Bochum bekannt als gewerkschaftlicher Streiter für Arme und Erwerbslose. Neben seiner Funktion als Sprecher der IGM-Erwerbslosen und deren Berater war Ulrich federführend beteiligt an der Gründung der Erwerbsloseninitiative „Werkschlag“ in 2003 und der „Unabhängigen Sozialberatung“ zur Einführung von Hartz IV am 1. Januar 2005. In der bundesweiten „Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen“ (KOS) war Ulrich jahrelang als Revisor engagiert. Als „Traditionslinker“ der 68er Generation war Ulrich auch Mitglied im VVN/BDA.

Als gelernter technischer Zeichner und „frei“ beschäftigter Konstrukteur war Ulrich überzeugtes Mitglied der IG Metall. Schon in den 1990er Jahren fiel seine Arbeitsstelle dem spekulationsbedingten Zusammenbruch des Klöckner-Konzerns zum Opfer. Danach hat er nicht wieder eine reguläre Anstellung bekommen, wohl auch weil er gesundheitlich eingeschränkt war. Seine Energie steckte er in der Folgezeit in die gewerkschaftliche Erwerbslosenarbeit, und in ein Informatikstudium an der Fernuniversität Hagen. Dort war Ulrich lange Jahre für die „Linke Liste“ im Studierendenparlament und hatte den Vorsitz im Haushaltsausschuss inne. Für das Projekt „Arbeit und Leben“ von VHS und DGB organisierte Ulrich Bildungsveranstaltungen und kleine Reisen für Erwerbslose. Immer wieder unterstützte er die völlig unterbesetzte Evangelische Beratungsstelle für Erwerbslose.
In Bochum sind uns besonders in Erinnerung neben seinem Einsatz für die Kampagne „Reiches Land – arme Kinder“ (http://www.erwerbslos.de/archiv2/kinderkampagne und http://www.sozialforum-bochum.de/2007/04/27/reiches-land-arme-kinder/) sein (teils erfolgreicher) Kampf gegen die Hartz IV-Zwangsumzüge in 2006. Auf dem „Umzug gegen Zwangsumzug“ in Bochum im Mai 2006 hat Ulrich eine gute Rede gehalten (https://www.bo-alternativ.de/Ulrich-Schneider.htm). Auf seine Initiative hin hat die „MetallZeitung“ der IGM einen langen Bericht dazu veröffentlicht: (www.bo-alternativ.de/metall-mai-06.pdf). Schon lange bevor das Wort „Sozialticket“ aufkam hat Ulrich sich für ein „Joblessticket“ eingesetzt. Ulrich wird uns sehr fehlen!

Berichte und Bilder zum „Umzug gegen Zwangsumzug“ finden sich bei www.bo-alternativ.de:
1. https://www.bo-alternativ.de/alte-Neuigkeiten-05-06.htm
(Die Hälfte der Seite runterscrollen bis zum 16. Mai 2006 – vier Beiträge, und dort viele Bilder)
2. https://www.bo-alternativ.de/aktuelles-bilder/18-05-06/index.htm

Ulrich hat eine gute Rede dort gehalten: https://www.bo-alternativ.de/Ulrich-Schneider.htm

Die (uralte) Webseite der »Arbeitsloseninitiative WERKSCHLAG« in Bochum, mit einigen alten Bildern von den Anfängen in 2003 in der Galerie:
https://342207.forumromanum.com/member/forum/forum.php?USER=user_342207&onsearch=1

Zur Geschichte von „Werkschlag“: https://www.bo-alternativ.de/werkschlag/

Auszug aus dem Bericht der IG Metall-Zeitung zu Zwangsumzügen:
Ulrich Schneider, Sprecher des Bochumer Arbeitskreises »Erwerbslose in der IG Metall«
metall: Lassen sich angedrohte Zwangsumzüge verhindern?
Schneider: Wir versuchen es. Beispielsweise haben wir es geschafft, dass Ältere, Behinderte und Arbeitslosengeld II-Bezieher mit kleinen Kindern ihre Wohnung behalten können – obwohl die Miete den Behörden zu hoch ist.
metall: Hatte die »Arge« Mitleid?
Schneider: Nein, wir haben zusammen mit der IG Metall Druck gemacht, klassische Gewerkschaftsarbeit ist das. Das hat immerhin bewirkt, dass die KdU-Richtlinie (Kosten der Unterkunft) der Stadt angepasst wurde und deutlich weniger Bescheide verschickt wurden.
metall: Dennoch sollen allein in Bochum über 1400 Erwerbslose umziehen …
Schneider: . . . dass viele Kollegen nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auch noch ihre Wohnung verlieren sollen, ist entwürdigend. Die Umzugsdrohungen müssen vom Tisch, diese Behandlung hat kein Erwerbsloser verdient.
metall: Erwerbslose beklagen die fehlende Beratung der »Arge«. Zu Recht?
Schneider: Ja, die wollen nur Kosten senken. Betroffene sollten sich von der IG Metall oder Leuten, die Ahnung haben, beraten lassen. Die Bescheide ergehen häufig ohne Rechtsgrundlage, daher sollte unbedingt Widerspruch eingelegt werden.