Sehr geehrte Anwesende,
ich möchte Ihnen den Brief vorlesen, der morgen, am Freitag, dem 6. Juni, versendet wird:
An Alexander Dobrindt, Bundesminister des Innern Deutschlands;
Maxime Prévot, Außenminister Belgiens;
Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister von Bochum;
An alle Belgische Bürgermeister, in derer Gemeinde ein Nacht- und Nebel Deportierter in Bochum Gefangener war;
An die Familienangehörigen und Hinterbliebenen der 154 Belgier, die in Bochum inhaftiert waren, die Vorhölle zu ihrer Hinrichtung durch Enthauptung.
Diese Rede vom 5. Juni erinnert an das Schicksal der 154 belgischen Nacht-und-Nebel-Gefangenen, die in Bochum inhaftiert waren und später hingerichtet wurden. Sie betont die Bedeutung des Gedenkens und der Erinnerung an diese Opfer des Nationalsozialismus.
32 wurden in Brandenburg hingerichtet, 37 in Köln, 52 in Dortmund, 27 in Wolfenbüttel und 5 an anderen Orten. 99 von ihnen waren zwischen 20 und 40 Jahre alt, 11 jünger als 20 und 28 älter als 40 Jahre. Aus der kleinen Gemeinde Lichtervelde in Belgien wurden zehn Bürger in Bochum eingesperrt, bevor sie in Wolfenbüttel enthauptet wurden. Zehn Gefangene stammten aus Tielt und wurden in Dortmund hingerichtet. Die Schüler können auch ihrer Leidensweg und ihrer letzte Worte, wie im Film “In Lieve, eurer Hilde’ nach gehen.
Ich bin einer der Glücklichen, die Alfons Zimmer bei einer Plakataktion in Papenburg getroffen haben. Auf Anfrage von Frau Dr. Wölk konnte ich damals eine Einführung über die Nacht-und-Nebel-Gefangenen in Deutschland anlässlich der Plakatausstellung von Alfons Zimmer in Bochum geben. Zusammen mit der PowerPoint-Präsentation meiner Rede ist die vollständige Ausstellung weiterhin über die Krümmede-Website zugänglich, wo auch die Broschüre von Alfons Zimmer und die heutigen Reden vom 5. Juni hinzugefügt werden.
Wie alle NN-Gefangenen wurden die Belgier von einem deutschen Gericht zum Tode verurteilt. Nur aufgegriffene Widerstandskämpfer in Belgien, die nicht innerhalb einer Woche von den Kriegstribunalen zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet werden konnten, wurden in ein deutsches Gefängnis transportiert, um dort verurteilt zu werden – mehrere durch Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofs, der auch die Mitglieder der Weißen Rose zum Tode verurteilte. Dies war das sogenannte Keitel- oder NN-Dekret, das vollständige Geheimhaltung garantierte, um den Widerstand abzuschrecken.
So erlitten 256 Belgier – davon waren 154 oder 60 Prozent in Bochum inhaftiert – neben 950 in Belgien selbst, innerhalb einer Woche dasselbe Schicksal. Weder in Belgien noch in Deutschland wird diesen Hingerichteten Aufmerksamkeit geschenkt. Auch wurde bisher keine Forschung zu den NN-Gefangenen betrieben. Darüber sollten Sie als Behörden einmal stolpern.
Wir haben den anwesenden Schülern das Buch überreicht, das den Weg aller in Deutschland hingerichteten NN-Gefangenen beschreibt, auf Französisch, sowie den zusammenfassenden Artikel der Autoren Jonca & Konieczy auf Deutsch. Diese basieren auf dem „Mordregister“ im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde, das auch von Ihnen eingesehen werden kann. Es enthält die Originalkarteikarten aller Hinrichtungen, die während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland stattfanden und die wir ebenfalls fotografiert haben.
Darüber sollten Sie als Behörden ebenfalls einmal stolpern, Initiativen ergreifen und Mittel bereitstellen für weitere Forschung, Aufklärung und Gedenken – sowohl in Belgien als auch in Deutschland.
Mit dieser Stolperschwelle wird der unausgesprochene und verschwundene Schmerz dieser Gefangenen als ein Herzensschrei ausgedrückt, der aus den Tiefen der Erde entweicht. Das Öffnen der Erde symbolisiert das Freimachen ihrer Stimmen, um Menschen über die unbequeme Idee kollektiver Schuld an Krieg und Zerstörung in der Vergangenheit und Gegenwart stolpern zu lassen. Jeder der über zehntausend Stolpersteine ist ein Schrei, den Krieg zu beenden und einen sofortigen Waffenstillstand und Frieden herbeizuführen, und dass kein Krieg kommt, der das Messing auf den Stolpersteine zum schmelzen dringt
Wir laden Sie alle ein, Bochum zu besuchen – 250 km von Brüssel, 500 km von Berlin – um den Einwohnern Ihrer Gemeinden an der Stolperschwelle am Gefängnis von Bochum, an dem alle Besucher und das Personal täglich vorbeigehen müssen, Ehre zu erweisen und dies in den Medien bekannt zu machen. Sie können jederzeit Alfons Zimmer und die Bürgerinitiative, die diese feierliche Platzierung organisiert hat, kontaktieren, damit sie jemanden bereitstellen können, der vor Ort eine Erläuterung geben kann.
Der Oberbürgermeister von Bochum kann ein Budget bereitstellen, um für alle 154 Hingerichteten, die in Bochum Gefangene waren, einen Stolperstein zu verlegen in ihrer Gemeinde in Belgien, und Kontakt herstellen zu können, wer vor Ort eine Erläuterung geben kann.
Der Oberbürgermeister von Bochum kann ein budget bereitstellen um für alle 154 Hingerichtete, die in Bochum Gefangene waren, einen Stolperstein zu verlegen in ihrer Gemeinde in Belgien, und Kontakt zu seinen Kollegen in Belgien aufnehmen, und diese könnten das auch mit dem Oberbürgermeister von Bochum tun.
Wir fügen diesem Brief auch eine Liste aller Belgier bei, die in Bochum Nacht-und-Nebel-Gefangene waren, auf dem Weg zu ihrem damals noch unbekannten Schicksal der Enthauptung, sowie aller anderen Belgier, die dasselbe Schicksal erlitten haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.