Donnerstag 29.05.25, 13:02 Uhr

Stolperschwelle an der JVA „Krümmede“


Ort der Verlegung der Stolperschwelle

Am 5. Juni um 12.00 Uhr wird am Eingang der JVA Bochum, Krümmede 3, vom Künstler Gunter Demnig die vierte Bochumer STOLPERSCHWELLE verlegt. Sie erinnert an politische Häftlinge im Justizgefängnis Krümmede 1933-1945. (Bisherige Stolperschwellen stehen für Häftlinge des KZ-Außenlagers Buchenwald beim Bochumer Verein, deportierte Sinti und Roma und für verfolgte Homosexuelle).

Die Patenschaft übernimmt das „Bochumer Bündnis gegen Rechts“. Es wirkt mit das „Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte“.

Der Text der Stolperschwelle lautet:

KRÜMMEDE 1933 – 1945
MEHR ALS 2000 POLITISCH VERFOLGTE MENSCHEN INHAFTIERT
ANGEHÖRIGE DES WIDERSTANDES AUS FRANKREICH, BELGIEN UND ANDEREN BESETZTEN LÄNDERN WESTEUROPAS
MITGLIEDER VERBOTENER PARTEIEN – CHRISTLICHE REGIMEGEGNER – HOMOSEXUELLE – ZEUGEN JEHOVAS
VIELE VERSTERBEN AN DEN HAFTBEDINGUNGEN ODER WERDEN IN HINRICHTUNGSSTÄTTEN DER NS-JUSTIZ GETÖTET

Bei der Verlegung wirken neben dem Künstler Gunter Demnig mit: Uli Borchers vom Bochumer Bündnis gegen Rechts, Anstaltsleiterin Frau Karin Lammel, Alfons Zimmer als ehemaliger Gefängnisseelsorger und Schülerinnen und Schüler des Hildegardis-Gymnasiums, der Heinrich-Böll-Gesamtschule und des Klaus-Steilmann-Berufskollegs, sowie der belgische Soziologe und Aktivist Jan Hertogen.

KURZINFORMATION:

1. Zeitlich in den NS-Jahren nicht die erste, aber die größte Gruppe der politischen Häftlinge im Strafgefängnis Bochum waren die verfolgten Angehörigen des Widerstandes vor allem in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Sie wurden bald als „Nacht-und-Nebel“ (NN)-Gefangene bezeichnet, weil sie nach einem Erlass von Generalfeldmarschall Keitel nach Festnahme ohne Mitteilung an die Familien in Gefängnisse und Zuchthäuser zunächst im Westen des Reiches verbracht wurden. Häufige Haftgründe waren Verbreitung von antideutschen Schriften, Spionage, Sabotage. Im Mai 1943 zählte die Strafvollstreckungskammer an einem einzigen Stichtag in Bochum 1131 NN-Häftlinge. Von den in den Jahren 1942-1945 in der Krümmede an Krankheiten und Haftfolgen verstorbenen 312 Häftlingen waren 117 aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Viele in Bochum Inhaftierte erhielten von den Sondergerichten das Urteil Todesstrafe. Die wurde nicht in Bochum vollstreckt, sondern in den Gefängnissen Dortmund, Köln, Wolfenbüttel, Brandenburg-Görden und in anderen Richtstätten.

2. Unmittelbar nach Machtergreifung wurden oppositionelle Parteien verboten. So gerieten zahlreiche Anhänger kommunistischer Gruppierungen wegen Vorbereitung zum Hochverrat in Haft, auch Sozialdemokraten und vereinzelt Zentrumsanhänger. Als Haftgründe kamen dazu nach der Heimtückeverordnung die „Hetze“, d.h. jegliche öffentliche Kritik an Vertretern von Partei und Staat oder die Wehrkraftzersetzung bei kritischen Meinungsäußerungen zur Kriegslage oder zur Wehrmacht. Viele der Inhaftierten wurden nach regulärer Strafverbüßung in Schutzhaft genommen und in Konzentrationslager verbracht. Vor allem in den Kriegsjahren sind zahlreiche Gefangene an Folgen der Haft verstorben. Bei Entschädigungsanträgen nach 1945 war die Zahl der Antragsteller aus kommunistischen Parteiungen und Gewerkschaften hoch.

3. Zu den aus religiösen Gründen Verfolgten sind die Ernsten Bibelforscher, „Zeugen Jehovas“, zu zählen. Sie verweigerten den Eid auf Hitler und den Hitlergruß. Die 50 katholischen Priester, die von 1933-1945 in beiden Justizgefängnissen (Zentral- und Gerichtsgefängnis) inhaftiert waren, handelten aus religiös-kirchlicher Motivation, wiewohl ihre Urteile, teils vom Volksgerichtshof, meist auf Vorbereitung zum Hochverrat und Heimtücke lauteten. Einige sind in Bochum verstorben, viele in Anschlusshaft durch Hinrichtungen oder an Folgen der KZ-Haft.

Nicht alle Verfolgten lassen sich einordnen unter politisch und religiös verfolgt. Karl Klauke aus Lüdenscheid etwa, Bochumer Häftling, wollte aus Gewissensgründen nicht seinem jüdischen Mieter kündigen. Das war Grund der Anzeige gegen ihn, wiewohl er formell wegen Rundfunkverbrechens verurteilt wurde. Seine menschliche und freundschaftliche Entscheidung für den jüdischen Bekannten hatte Freiheitsentzug und gesundheitliche Schäden zur Folge.

Näheres vor allem zu einzelnen Biographien ist nachzulesen in der Broschüre „Schicksalsort Gefängnis in der NS-Zeit am Beispiel der Krümmede in Bochum“ (Alfons Zimmer, 2018). Das Heft wird bei der Stolperschwellenverlegung kostenlos verteilt, solange Exemplare vorhanden sind.

Die Broschüre kann auch digital abgerufen werden unter: https://gefaengnisseelsorge.net/stolperschwelle-an-der-justizvollzugsanstalt-kruemmede

Neben der Schwelle werden auch noch weitere Stolpersteine – allerdings ohne die Anwesenheit von Gunter Demnig – verlegt:

9.30 Uhr: Hattinger Straße 817-821

HIER WOHNTE OSCAR LIPPER JG. 1882 ´SCHUTZHAFT` 1938 KZ DACHAU FLUCHT SCHWEIZ ENGLAND USA
HIER WOHNTE ELISABETH LIPPER GEB. KOPPEL JG. 1887 FLUCHT SCHWEIZ ENGLAND USA
HIER WOHNTE MARTHA LIPPER GEB. 1915 FLUCHT SCHWEIZ
HIER WOHNTE HELMUTH LIPPER JG. 1916 FLUCHT 1936 SCHWEIZ USA

10 Uhr: Alsenstraße 47

HIER WOHNTE SIEGBERT VOLLMANN JG. 1882 VERHAFTET 1942 ZWANGSARBEIT MEHRERE LAGER ÜBERLEBT
HIER WOHNTE EMMY VOLLMANN GEB. HEITMANN JG. 1886 AUSGEGRENZT / DRANGSALIERT ÜBERLEBT
HIER WOHNTE GERT VOLLMANN JG. 1922 KINDERTRANSPORT 1939 HOLLAND ÜBERLEBT

(Siegbert Vollmann war nach dem Krieg Gründungsmitglied der VVN Bochum – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes)

10.30 Uhr: Diekampstraße 27

HIER WOHNTE DR. MAX WOLFRAM JG. 1874 ´SCHUTZHAFT` 1938 KZ SACHSENHAUSEN FLUCHT 1938 ENGLAND
HIER WOHNTE META WOLFRAM GEB. SOSTHEIM JG. 1898 FLUCHT 1938 ENGLAND
HIER WOHNTE WALTER WOLFRAM JG. 1922 KINDERTRANSPORT 1938 ENGLAND
HIER WOHNTE HUGO WOLFRAM JG. 1925 KINDERTRANSPORT 1938 ENGLAND

11 Uhr: Kanalstraße 9

HIER WOHNTE DR. BERTHOLD FRIEDRICH ´FRITZ` WEIL JG. 1891 FLUCHT 1936 USA

11.30 Uhr: Goethestraße 9

HIER WOHNTE OTTILIE SCHOENEWALD GEB. MENDEL JG. 1883 FLUCHT 1939 ENGLAND
HIER WOHNTE SIEGMUND SCHOENEWALD JG. 1872 ´SCHUTZHAFT` 1938 KZ SACHSENHAUSEN FLUCHT 1939 ENGLAND