Zur kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (die aus 551 Fragen besteht): „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“, in der Correctiv, Omas gegen Rechts, Campact, Attac, Amadeu Antonio Stiftung, Peta, Animal Rights Watch, Foodwatch, Dezernat Zukunft, Deutsche Umwelthilfe, Agora Agrar, Agora Energiewende, Greenpeace, BUND, Netzwerk Recherche, Neue Deutsche Medienmacher*innen, Deltal, Green Culture und Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit angegriffen werden, meldet sich der Bochumer Jugendring wie folgt zu Wort:
»Die Jugendringe kritisieren die aktuelle Debatte über die parteipolitische Neutralität von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als irreführend und gefährlich. Die Unterstellung, zivilgesellschaftliche Organisationen dürften sich nicht klar gegen Rechtsextremismus positionieren, ohne ihre Gemeinnützigkeit oder ihre Förderung zu riskieren, ist falsch.
Die Anfragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 24. Februar 2025 und der FDP-Fraktion im NRW-Landtag vom 17. Februar 2025 stellen die Förderungen für zivilgesellschaftliche Organisationen infrage, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren. Demokratisches Engagement wird so unter Generalverdacht gestellt.
Staatsorgane dürfen nicht zu Gunsten oder zu Lasten einer politischen Partei (sofern sie nicht verboten wurde) Position beziehen. Die übergreifende Geltung eines Neutralitätsgebotes für nicht-staatliche Akteure ist jedoch ein Mythos, der instrumentalisiert wird, um die Arbeit freier Träger einzuschränken.
Die Jugendverbände, die Jugendinitiativen und der Kinder- und Jugendring setzen sich seit vielen Jahren entschieden gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit ein und bieten Fortbildungen und Projekte zur politischen Jugendbildung an. Der Kinder- und Jugendring verleiht jährlich den Abraham-Pokal an eine Schule, organisiert die Gedenkveranstaltungen zum Tag der Befreiung am 08. Mai und zum Jahrestag der Reichspogromnacht am 09. November, setzt zusammen mit dem Kommunalen Integrationszentrum das Projekt „Farbe bekennen – Demokratie leben“ in Bochum um und organisiert regelmäßig die U 18-Wahlen. Diese Veranstaltungen und Aktionen tragen zum Schutz der Demokratie bei und sie sorgen dafür, dass die furchtbaren Verbrechen der Nationalsozialisten nicht in Vergessenheit geraten.
Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus sind Angriffe auf die demokratische Gesellschaft. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Ideologien ist eine wichtige Aufgabe für die Kinder- und Jugendarbeit und keine Frage der Neutralität. Organisationen, die sich gegen Demokratiefeinde stellen, als parteiisch zu diffamieren, ist besorgniserregend. Die Jugendverbände, die Jugendinitiativen und der Kinder- und Jugendring Bochum werden sich auch weiterhin für eine solidarische und offene Gesellschaft einsetzen.«
Hier geht es zur Anfrage, die von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt eingereicht wurde:
Das sogenannte Neutralitätsgebot ist ein Mythos.
Es gibt kein Gesetz oder Gebot über eine Neutralität (was immer das auch heißen mag) – selbst an Schulen nicht. In Bildungseinrichtungen beruft man sich z.B. auf den Beutelsbacher Konsens, eine Ende der 70er Jahre gefundene Ãœbereinkunft in einer nicht-verbindlichen pädagogischen Tagung. PädagogInnen sollen dem Beutelsbacher Konsens nach ihre SchülerInnen zum demokratischen und kritischen Denken erziehen, die SchülerInnen mit keinen Inhalten überfrachten/überformen und indoktrinieren, sie zu mündigen BürgerInnen und DemokratInnen erziehen. Dies war Ende der 70er Jahre ein Konsens nach einem langen pädagogischen Streit unter Fachkräften. Seitdem haben sich pädagogische Einrichtungen immer wieder darauf bezogen. Aber ein Gesetz oder Verordnung gibt es nicht. Und Neutralitätsgebot als Rechtsnorm ist eine Erfindung.
Nach diesem Beutelsbacher Konsens muss und soll eine Auseinandersetzung an Schulen, Universitäten eine faktenbasierte Auseinandersetzung mit allen gesellschaftlichen Phänomenen sein. Dabei ist man den Menschenrechten und dem Grundgesetz verpflichtet. In diesem Sinne kann man sich nicht nur, sondern muss man sich mit Menschenverachtung, Ausgrenzung, Autoritarismus, Rechtsextremismus und schließlich auch Parteien auseinandersetzen und Kritik üben.
Für Vereine außerhalb staatlicher Bildungshoheit gilt nicht einmal der Beutelsbacher Konsens. Lediglich Vereinsgesetze.
In den 90er Jahren nannte die extreme Rechte ihren Feind noch die „Political Correctness“ der DemokratInnen, die es zu überwinden gelte. Strategie war es mit Tabubrüchen alles sag- und damit machbar zu machen. Nachdem schon so vieles wieder sag- und machbar geworden ist, heißt es heutzutage die DemokratInnen seien Zensoren, Propagandisten und Antidemokraten. Die Strategie hat sich etwas verändert, das Ziel ist das gleiche geblieben. Schmähung demokratischer Werte, Zurückdrängung demokratischer Haltung und Einfluss, Raum- und Machtgewinn der Anti-DemokratInnen und ihrer Auffassung von Gesellschaft. Die Strategie ist die Diskreditierung von Personen, Vereinen und Institutionen, Schaffung von Verunsicherung, Ängsten und einem Bodensatz zur Entrechtung. Das seit Jahren eingesetzte Instrument ist dabei das angebliche Neutralitätsgebot, eine Neutralität/Toleranz/Nichteinmischung die man Angesichts rechtextremer Propaganda und Taten einzunehmen hätte. Aus Annahmen, Interpretationen und Zuschreibungen hat so seit Jahren ein rechter Medien- und Politikerverbund ein Gebot, bzw. Gesetz fabuliert, einen Mythos geschaffen und zum politischen Werkzeug erhoben. Sie wollen Durchmarschieren und alle zur Neutralität bei ihrem Durchmarsch verpflichten.
Je mehr die Rechten mit solchen Narrativen und Strategien sich durchsetzen, umso mehr wird die Demokratie und natürlich all diejenigen geschädigt, die erstes DemokratInnen sind und zweitens diejenigen, die denen ihr Rechte genommen werden sollen: MigrantInnen, Behinderte, Wohnungs- und Erwerbslose, Homosexuelle, Frauen, prekär Arbeitende. Das Ziel eine autoritäre, nationalistische Gesellschaft.
Das jetzt eine, sich selbst als demokratisch bezeichnende Partei nach einem Wahlsieg hingeht und die Kritik an ihr, sie würde mit Antidemokraten gemeinsame Sache machen, abstrafen will zeigt auf, dass ihr Flirt mit den Rechtsextremen kein Ausrutscher war, jetzt wird daraus eine Liaison um in eine Ehe überzugehen.
Ich stimme Heike zu und empfehle das das Bucg „Machtübernahme“ von Arne Semsrott (https://www.droemer-knaur.de/buch/arne-semsrott-machtuebernahme-9783426659847) in dem dias Vorgehen der AfD im Falle eine (noch) fiktiven Machtübernahme beschreibt. Hier gibt es eine Buchbesprechung im Deutschlandfunk dazu (https://www.deutschlandfunkkultur.de/arne-semsrott-machtuebernahme-afd-rechtsextremismus-rezension-100.html).
Arme Semsrott beschreibt darin auf die aktuellen Angriffe auf NGOs
Dass allerdings die CDU/CSU dieses Spiel betreiben, und nicht die AfD hat er dann doch nicht gedacht.
Es ist übrigens nicht nur die CSU/CSU, die diese Strategie vorantreiben. In NRW ist dies auch die FDP vorne mit dabei.
Die FDP im Landtag NRW spielt das gleiche Orbanistenspiel mit der Anfrage „Finanzielle Förderung politisch aktiver sogenannter Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) durch die Landesregierung …“
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-12881.pdf
Nützliche links:
Die 551 Fragen der Union: Ganz normal oder Einschüchterung?
https://www.ardmediathek.de/video/panorama/die-551-fragen-der-union-ganz-normal-oder-einschuechterung/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS8xOTMyY2M0Zi00ZWQ2LTQzM2QtYjg5ZS1jNGNmMTZmYWFmNjM?fbclid=IwY2xjawIuw0RleHRuA2FlbQIxMQABHWGfrETUw3e4MUlUcQGZxhESRPGL1ZhV_RxgUKJw2RzEhJijR4yZnUTJpA_aem_dQzYzyGhgfnUqCIGxeoe2Q
How to Zivilgesellschaft: Dürfen Vereine sich politisch engagieren?
https://www.youtube.com/watch?v=xC0sbqaxe0w
Wie politisch dürfen wir sein – Non Profits im Zwiespalt
https://www.youtube.com/watch?v=rJO08Xib1_I&t=1770s
https://freiheitsrechte.org/gemeinnuetzigkeit-infomaterial
Mythos Neutralitätsgebot (Deutscher Bundesjugendring)
https://www.dbjr.de/artikel/handreichung-zum-mythos-neutralitaetsgebot-veroeffentlicht
Rechtsgutachten von Prof. Hufen
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2024/08/2024-07-25-Rechtsgutachten-zum-Neutralitaetsgebot-Prof.-Dr.-Hufen-Endfassung-signiert.pdf