Der Neujahrsempfang des Friedensplenums erlebte mit der Rede von Sabine Reich, designierte Leiterin des Prinz-Regent-Theaters, einen Höhepunkt in der langen Reihe dieser Empfänge. Sabine Reich machte sich die Vielfach-Krisen zum Thema und macht sich Gedanken darüber, wie aus Sicht emanzipativen Bewegung eine Antwort darauf aussehen könnte und sagt am Ende der Rede: „Wir haben unsere Aufgabe darin gesehen, die Krise zu erklären. Wir haben sie analysiert und geglaubt, wenn alle sehen, was wir sehen, wenn alle verstehen, was wir erklären, wenn wir aufklären, aufdecken, entlarven, enthüllen, dann können wir das Problem wie eine mathematische Gleichung lösen.“ und kommt zu der Schlussfolgerung, dass wir unser Verhältnis zur Krise ändern sollten und führt am Ende unter der Überschrift „Gemeinsam glänzen“ aus: „Wenn autoritären Bewegungen die Krise brauchen, dann schaffen wir die Ruhe.
Wenn Destabilisierung gewollt ist, dann stabilisieren wir. Wenn Bindungen verloren gehen, verbinden wir uns neu. Wenn Verlassenheit und Isolation lähmen, dann lernen wir, uns aufeinander zu verlassen und zu vertrauen. Aus der Sprachlosigkeit heraus finden wir neue Kommunikationsformen. Wir nutzen die Krise und verwandeln sie in Leben, ein für besseres, solidarisches Leben.
Politisches Handeln ist dann nicht Kritik allein, sondern entwickelt ein positives Narrativ. Versteht sich als Prozess, als gelebte Praxis, die sich gemeinsam vollzieht. Politik ist dann nicht Vermittlung von Wissen, kein Akt der Aufklärung, kein als pädagogischer Vorgang, der sich erhebt über die zu Belehrenden, sondern entsteht lebendig in der Begegnung, im Miteinander.
Theater und Politik senden dann nicht, sondern hören zu. Stehen nicht auf der großen Bühne oder am erhobenen Rednerpult, sondern finden in vielfältigen Begegnungen, Gesprächen, Verbindungen und Aktionen statt.
Zukünftig gemeinsam Politik machen, bedeutet, vieles gleichzeitig anzuerkennen. Nur weil das eine falsch ist, ist das Gegenteil nicht richtig.
Jenseits der Krise arbeiten, heißt nicht, sich jenseits der Komplexität zu bewegen. Auch nicht, jenseits der Angst. Es heißt nur, nicht im Krisen-Modus zu handeln, es heißt Verbindungen zu schaffen, Räume zu ermöglichen, in den wir uns begegnen zu können.
Genau das wird dringender denn je, denn in die Zukunft zu schauen, heißt auch zu fragen, wie wir uns organisieren und begegnen können, wenn weiterhin Förderungen gestrichen werden, wenn Mittel noch weniger werden, wenn wir keine Anträge mehr stellen können.
Jenseits des Krisen-Modus zu handeln, heißt nicht, die Herausforderungen zu leugnen, sondern im Gegenteil: sie anzunehmen und resilient zu werden.
Wenn wir das tun, wird Begegnung, die reale und komplizierte, konfliktreiche Anwesenheit von Menschen in einem Raum, zur wichtigsten politischen Strategie. Denn, so noch einmal das unsichtbare Komitee:
„Die Krise ist nicht wirtschaftlicher, ökologischer oder politischer Natur, die Krise ist vor allem eine der Präsenz.“
Setzen wir also einer sich zunehmend auflösenden Gegenwart unsere Präsenz entgegen und bringen sie damit zum Glänzen – denn genau liegt unsere Kraft:
„Weil das Erlebte einen derartigen Glanz ausstrahlt, dass jene, die diese Erfahrung gemacht haben, sich schuldig sind, daran festzuhalten.“
Wir leben in finsteren Zeiten, aber ich bin mir sicher, wir bringen sie zum Glänzen. Genau dazu lade ich zukünftig mit dem Prinz Regent Theater ein – und das tun wir hier in Bochum alle gemeinsam.
Merry crisis und happy New Year.“
Hier die ganze Rede zum Nachlesen.
Natürlich aber gab es für die über 70 Teilnehmenden neben der Rede auch das traditionelle reichhaltige Buffet und den Jahresrückblick der Redaktion von bo-alternativ. Hier einige Eindrücke von der Veranstaltung









guten tag,
für mich war die rede von frau sabine reich nichtssagend.
eine klare sprache, klare hinweise wie „die krise“ (ich glaube in keiner anderen rede habe ich so oft das wort „krise“ gehört. waren es 100 mal?) aus ihrer sicht angegangen werden könnte (falls dies überhaupt gehen sollte) .?
kurz: verschriftlicht mag sie für den einen oder anderen interessant sein. nur, ich fand, bei dieser rede keine antworten.
joe coffee
Antworten, Lösungen: lieber Joe, die musst du dir schon selbst suchen, gemeinsam mit anderen. Nicht hinter Führer*innen herlaufen, die Krise brauchen, um ihr Ding durchzusetzen. Die uns mit „Krise, Krise, Krise“ so platt machen, dass wir keine Nachrichten mehr hören wollen oder nur noch ihre Fakes im Netz. „Gemeinsam glänzen“ ist so ähnlich wie „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber t u n.“
Es war eine ermutigende Rede „in finsteren Zeiten“.
und ich gab die Rede gleich schriftlich weiter , hey Joe, sooo gut fand ich sie, und ich mag halt Irmgard Keun immer noch sehr und auch das Komitee !
„Die Krise ist nicht wirtschaftlicher, ökologischer oder politischer Natur, die Krise ist vor allem eine der Präsenz.“
Na, wenn das nicht mal sogenannter „mindfuck“ ist. Da haben sich wohl die Damen und Herren des „Unsichtbaren Kommittees“ in einer Pariser Mansardenwohnung/Loft oder einem modernisierten bretonischen Bauernhaus zusammengefunden und über „Präsenz“ nachgedacht. Ich, als Anarchist, habe mich stets darüber gewundert, dass man diesen Erzählungen aus der Habituswelt der romantischen Revolutionsvorstellung, des französischen Insurrektionalismus und Situationismus Bedeutung zumaß. Vielleicht liegt es am schwülstigen, unkonkreten und wenig analysierenden Stil der SchreiberInnen. Interessant war es, dass diese Schrift vor allem beim linksliberalen Kunstmilieu und bei pseudo-neo Autonomen in Deutschland Anklang fand.
„Die Krise ist nicht wirtschaftlicher, ökologischer oder politischer Natur, die Krise ist vor allem eine der Präsenz.“
Der pakistanische Bauer wird sich über die Krise seines hinweggeschwämmten Landes Gedanken machen, wo er jetzt seine Familie nicht mehr ernähren kann und migrieren muss. Der westafrikanische Fischer über die Tonnen von europäischen Plastikmüll, den er statt der durch internationale Konzerne weggefangenen Fischen im Netz hat. Die Kinder aus einem chilenischen Slum, die die Berge nicht mehr sehen können, weil westlicher Konsummüll ihnen die Sicht versperrt. Die afrikanische Frau, wie sie ihren durch die EU finanzierten Folterern entwischen kann, usw. – Ãœber diese „Krisen“ werden sich diese Menschen Gedanken machen.
Na, und die die Herr- und Frauschaften des „Unsichtbaren Kommittees“ habe anscheinend ein ähnliches Problem, wie die Versammlung im Bahnhof Langendreer – ihre Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung.
Und wenn ich was über Krisen, ihre Synergien und Wirkungen lesen will, dann lese ich nichts aus dem romantischen Anarchismus, sondern was von Prof. Wilhelm Heitmeyer und Co.