Der Haushaltsplanentwurf 2025 der Landesregierung in NRW sieht die weitgehende Zerschlagung des Förderprogramms „Soziale Beratung von Geflüchteten“ vor. Alle 77 Stellen der Beratung für das Asylverfahren in den Landesunterkünften, alle 14 Stellen der Beratung für unbegleitete minderjährige Geflüchtete sowie mindestens 6 Stellen für die fachliche Begleitung und Qualifizierung sollen gestrichen werden.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe schreibt dazu: »Gerade in diesen Zeiten brauchen wir mehr Sozialarbeit und nicht weniger! Die Landesregierung versucht diesen Kahlschlag zu vertuschen, vor allem mit 2 Nebelkerzen:
- „Der Bund ist für diese Beratung zuständig und es gab dafür im letzten Jahr auch Mittel, die aber nicht abgerufen wurden.“
Das ist eine ziemlich dreiste Täuschung! Ja, der Bund ist zuständig, aber das Förderprogramm ist schlecht und die Mittel sind begrenzt. Und die Mittel wurden abgerufen, nur mehr in anderen Bundesländern, als zunächst vorgesehen. Wenn diese Mittel nächstes Jahr nach NRW fließen, fehlen sie woanders. Und diese Mittel reichen gerade mal für 20 Unterkünfte. 55 Unterkünfte mit oft vielen hundert Bewohner*innen hätten keine Beratung mehr.
Und für die Beratung für minderjährige Geflüchtete gibt überhaupt keine Alternative. Hier verweist die Regierung auf eine Förderung des Bundes, die im letzten Jahr bereits komplett für die Beratung besonders Schutzbedürftiger ausgeschöpft war. - „Knapper Haushalt, wir müssen an allen Stellen sparen.“
Das gestrichene Programm umfasst nur knapp 7 Millionen Euro. Gleichzeitig werden zusätzlich 12 Millionen Euro für die Umsetzung der Bezahlkarte und 300 Millionen Euro für den Ausbau der Unterbringungskapazitäten in den Haushalt eingestellt. Das Geld ist also da, aber die Prioritäten liegen auf Abschreckung und längerer Unterbringung in Lagern, nicht auf guter Versorgung und einem fairen Verfahren.
In unserem Therapiezentrum für Überlebende von Folter und Krieg in Bochum betreuen wir jährlich knapp 500 besonders schutzbedürftige Klient*innen, die z.B. auf Grund von Folter, Menschenhandel und anderer schwerer Menschenrechtsverbrechen stark psychisch belastet sind. Unsere Klient*innen kommen aus einem Einzugsgebiet von Bochum über Essen bis Mülheim und von Haltern im Norden bis Breckerfeld im Süden.
Als Psychosoziales Zentrum sind wir im nächsten Jahr auch noch mit der Halbierung der Fördermittel des Bundes konfrontiert, auch dort soll gespart werden.
Und wir sind Träger einer der Stellen für die Beratung von minderjährigen Geflüchteten, die jetzt vor der Streichung steht. Dabei übersteigt der Bedarf auch jetzt unsere Kapazitäten schon um ein Vielfaches. Behörden, Ehrenamtliche, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken verweisen an und verlassen sich auf uns für die psychosoziale Versorgung Geflüchteter. Wenn die Kürzungen so verabschiedet werden, werden wir ab 2025 deutlich mehr Menschen abweisen müssen. In den meisten Fällen haben die Betroffenen keine alternative Versorgungsmöglichkeit.
Als Psychotherapeut schaue ich mit großer Sorge auf das kommende Jahr! Viele Folterüberlebende, die ich in den letzten 10 Jahren behandelt habe, hätten ohne eine qualifizierte Beratung im Asylverfahren keine Chance auf eine Stabilisierung gehabt. Wir reden hier beispielsweise von minderjährigen Geflüchteten, die auf dem Weg durch Libyen sexualisierte Gewalt und Folter erlebt haben, bevor sie auf einem wackligen Boot das Mittelmeer überquert haben. Wo finden sie nächstes Jahr Unterstützung? Ist uns dieses Leid mittlerweile egal?«
Dazu:
Wichtig zu ergänzen ist noch, dass die geplanten Kürzungen im Etat eines grün geführten Ministeriums stattfinden. Die Grünen strengen sich mächtig an, Söder zu überzeugen, dass sie auch in einer Unions-geführten Bundesregierung Minister:innen stellen dürfen. Sie stören.nachweislich nicht.