Mittwoch 16.10.24, 13:10 Uhr

Haftstrafe wegen Schwarzfahrens?


Am Donnerstag findet um 10 Uhr vor dem Landgericht ein bizarrer Strafprozess statt. Ein 22-jähriger Anarchist ist wegen Leistungserschleichung gem. § 265a StGB angeklagt. Er war 7 mal schwarzgefahren. Das Besondere daran: Er hatte ein Schild um den Hals getragen: „Ich fahre umsonst. Also ohne gültige Fahrkarte.“

klimakampfessen@riseup.net schreibt: »Damit befindet sich der Angeklagte in einer rechtlichen Grauzone, denn formell strafbar ist nicht das Fahren ohne Ticket selbst, sondern die “Erschleichung” der Leistung. Über die Frage, ob ein Hinweisschild wie es der Angeklagte getragen haben soll, ausreicht, um legal ohne Ticket Zugfahren zu können, wird das Urteil, das vorraussichtlich am kommenden Verhandlungstag am 17.10.2024 ab 10 Uhr in Saal A015 am Landgericht Bochum durch Richterin Katzer gesprochen wird, entscheiden.
Vor dem Amtsgericht Witten wurde der Angeklagte zu einer Gesamtstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, da sie der Meinung ist, dass aufgrund der gefestigten politischen Überzeugungen des Angeklagten keine positive Sozialprognose gestellt werden könne und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung daher eine Haftstrafe ohne Bewährung anstrebe. Auch der Angeklagte legte Berufung ein und fordert Freispruch.

Die Verhandlung wirft viele bisher nicht abschließend geklärte rechtliche Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft hat in der ersten Inztanz das besondere Öffentliche Interesse bestätigt.
Die Bundesregierung diskutiert in den letzten Jahren immer wieder über die ersatzlose Streichung des Straftatbestandes der Beförderungserschleichung oder die Herabstufung zu einer Ordnungswidirgkeit. Gleichzeitig scheint das Landgericht Bochum nach bisheriger Beweisaufnahme zu beabsichtigen, wie es die Berufung der Staatsanwaltschaft fordert, eine Haftstrafe ohne Bewährung wegen des Nichtentrichtens von Fahrpreisen in einer Höhe von jeweils 3 bis 10€ und einem Realschaden von 0€. Ist eine Haftstrafe wegen 7 mal Fahren ohne Ticket für einen 22 jährigen ohne Vorstrafen angemessen, nur weil dieser sich offen als Anarchist bekennt? Wurden Grundrechte wie Meinungsfreiheit ausreichend abgewägt?
Und: Darf ich ohne Ticket Zugafahren, wenn ich allen um mich herum offen zu erkennen gebe, dass ich keinen Fahrschein habe?

Die Verhandlung beginnt am 17.10.2024 um 10 Uhr in Saal A015 des Landgerichts Bochum. Eine Versammlung angesichts des Verfahrens ist vor dem Gebäude angemeldet. Aufgrund einer Frist zur Stellung von Beweisanträgen bis 12 Uhr wird davon ausgegegangen, dass ab 13 Uhr die Urteilsverkündung stattfinden könnte.

Weitere Informationen zu den sogenannten „Aktionsfreifahrten“ und den politischen Hintergründen: freifahren.noblogs.org«