Samstag 20.07.24, 14:26 Uhr
Kundgebung am 18.7.24 in Bochum Gegen Gewalt an wohnungslosen Menschen

Redebeitrag von einigen Sozialarbeiter:innen aus Bochum


Wir sind Sozialarbeitende und arbeiten unter anderem mit einigen derzeitigen und ehemaligen Wohnungs – und/oder Obdachlosen. Wir freuen uns sehr, dass diese Kundgebung auf die Beine gestellt wurde, da die Lebensrealität von Wohnungs- und Obdachlosen zu oft übersehen und ignoriert wird. So viele Menschen haben Meinungen über Betroffene, ohne sich jemals wirklich mit dem Thema auseinander gesetzt zu haben. Ihnen werden Attribute wie Faulheit zugesprochen und Hartnäckig halten sich Glaubenssätze wie „In deutschland muss niemand wohnungslos sein“, welche den Eindruck vermitteln, Wohnungslosigkeit sei eine Entscheidung oder ein Zustand, aus dem man leicht her rauskäme. Beides ist nicht der Fall.

Wenn es um Gewalt gegenüber Wohnungs- und/oder Obdachlosen geht, wurde uns am meisten von der verbalen Gewalt erzählt, die ihnen entgegengebracht wird. Tägliche Microaggressionen und das offen erniedrigende Verhalten von Passant:innen bringt viele an ihre Grenzen. In gut besuchten Gegenden ist man, zumindest tagsüber, vor tätlichen Angriffen geschützter als an abgelegenen Plätzen. Außerdem ist in der Innenstadt die Chance am höchsten, Geld oder andere Spenden von Passant:innen zu bekommen. Doch gerade das Existieren von Wohnungs und/oder Obdachlosen in der Innenstadt scheint vielen ein Dorn im Auge. Diese Ablehnung und Abwertung zeigt sich auch in den tragischen Todesfällen aus Dortmund und Bochum.

Auch in Krankenhäusern werden Wohnungs und/oder Obdachlose oftmals stigmatisiert und schlechter behandelt als andere Patient*innen. Häufig hören wir Geschichten darüber, dass die Menschen weggeschickt werden, obwohl sich nichts an ihrem Zustand verbessert hat oder sie abschätzig behandelt werden. Leider kommt dies doch so häufig vor, dass wir es hier erwähnen wollen. Diese Diskriminierungserfahrungen können zu Angst führen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, welches zu einem immer schlechter werdenden Gesundheitszustand führen kann.

Neben den stigmatisierungs- und Diskriminierungserfahrung die alle obdach- und/ oder wohnungslosen Menschen vermutlich erleben, müssen an dieser Stelle auch die strukturellen Probleme in dieser Stadt benannt werden. Es gibt immer noch nicht genug Möglichkeiten, dass diese Menschen kostenlos Essen und Trinken bekommen. Auch sich zu Duschen und ihre Wäsche zu waschen ist nicht immer kostenlos möglich und wird, aufgrund von sozialen Kürzungen, leider nur zu bestimmten Zeiten oder Tagen angeboten. Es gibt diversen Einrichtungen, die sich um Obdach- und/ oder Wohnungslose kümmern und diese Menschen machen einen großartigen Job, dennoch fehlt es an flächendeckenden Angeboten und deutlich niedrigschwelligeren Ansätzen.

Die Notunterkünfte, als Beispiel, sind in der Regel so überfüllt, dass 3-4 Personen in einem engen Zimmer zusammen leben und schlafen müssen. Häufig geht es ihnen körperlich und/oder psychisch schlecht. Es sollte völlig selbstverständlich sein, dass es diesen Menschen nicht immer möglich ist mit zwei oder drei anderen Menschen in einem engen Raum auf unbestimmte Zeit zusammenzuleben. Außerdem haben die Menschen oft noch nicht mal die Möglichkeit ihr eigenes Hab und Gut sicher abzuschließen. Besonders diejenigen, die mit ihrem Geld, ihrem Essen, ihrem Trinken oder anderen Gütern haushalten können, werden beklaut. Diese und weitere Gründe führen dazu, dass es manchE Obdach- und/ oder Wohnungslose gibt die die Schlafangebote in dieser Stadt nicht annehmen KÖNNEN. Betrachtet man all dies vor dem Hintergrund, dass es immer noch unbesetzte Häuser und ungenutzte Flächen der Stadt gibt, dann ist es ein Skandal, dass diese den Menschen nicht zur Verfügung gestellt werden und Wohnraum dazu noch immer unbezahlbarer wird.

Wenn ihr Betroffene unterstützen wollt, dann fragt diese, was sie wirklich brauchen. Essensspenden sind bestimmt oft gewünscht, manchmal brauchen Betroffene aber auch etwas anderes dringender. Habt die Augen und Ohren offen und solidarisiert euch mit Betroffenen, wenn ihr Gewalt gegen diese beobachtet.

Denn eine Stadt ist für alle da!

Danke.