Im Bochumer Friedensplenum gibt es ein paar recht Politik erfahrene Menschen. Angesichts der von SPD und Grünen geforderten und geförderten Kriegsbereitschaft machten sie sich Gedanken, ob Oberbürgermeister Thomas Eiskirch am 8. Juli wohl am Rathaus die Friedensfahne der Mayors for Peace hissen lassen würde. Mit diesem symbolischen Akt wird in mehr als 8.000 Städten weltweit ein Verbot und die Vernichtung der Atomwaffen gefordert. Das Friedensplenum befand, dass es besser sei, den OB mit einem Appell an den „Flaggentag“ zu erinnern.
Ein Appell, zusammen mit DFG-VK und IPPNW formuliert, und ein Buchgeschenk (Günter Verheugen, Petra Erler: Der lange Weg zum Krieg. Russland, die Ukraine und der Westen – Eskalation statt Entspannung) wurden der zuständigen Mitarbeiterin des OB überreicht. Sie kündigte an, dass die Fahne gehisst und eine Presseerklärung dazu veröffentlicht werde.
Ihrem Motto „sicher ist sicher“ folgend trafen sich Mitglieder des Friedensplenums, der DFG-VK und von IPPNW am Montag, den 8. Juli um 10 Uhr vor dem Rathaus, um zu überprüfen, ob die Friedensfahne am Rathaus flattert. Dort hingen völlig schlaff an den vier Fahnenmasten über dem Rathaus die Europa-, Deutschland- und NRW-Fahne. Ein Mast war nicht bestückt. Symbolträchtig war keine Friedensfahne in Sicht.
Auf drei Wegen wurde nun das Rathaus angegangen. Eine Gruppe fragte beim Infoschalter des Rathauses, wer für das Hissen von Fahnen verantwortlich sei. Die befragte Mitarbeiterin telefonierte und telefonierte. Vor dem Schalter bildete sich eine Schlange. Schließlich übergab sie eine Telefonnummer des Büros für Bürgerbeteiligung. Dass hier nicht das Kompetenzzentrum für das Fahnenhissen, sondern für Bürgerberuhigung anzutreffen ist, war klar und bestätigte sich auch.
Der zweite Anlauf scheiterte vollständig. Unter keiner der Telefonnummern in der Pressestelle meldete sich jemand. Auch die Telefonzentrale vermeldete schließlich: Die sind wohl alle in einem Meeting.
Der dritte Weg erwies sich als zielführend. Die für Internationales zuständige Mitarbeiterin des OB, die den Appell in Empfang genommen hatte, zeigte sich überrascht und klärte auf, dass offensichtlich eine Panne in der Haustechnik passiert sei und umgehend behoben werde. Tatsächlich: Um 10.30 Uhr wurden die drei beschriebenen Flaggen abgenommen und die Fahne der Mayors for Peace hing nun schlaff über dem Rathaus. Zu besseren Zeiten wurde ein Transparent am Balkon des Oberbürgermeisters gut sichtbar aufgehängt.

Die Friedensaktivist:innen konnten die Banner, die sie vorsorglich mitgebracht hatten einrollen. Auch die mitgebrachte Leiter, mit deren Hilfe die Glocke vor dem Rathaus geschmückt werden sollte, falls die Friedensfahne nicht über dem Rathaus weht, konnte abtransportiert werden.
Nun wurde gespannt gewartet, welche Panne es wohl bei der angekündigten Pressemitteilung geben wird. Sie kam tatsächlich erst nachmittags zu einer Zeit an, zu der die WAZ z. B. ihre Seitenplanung für den nächsten Tag schon abgeschlossen hat.
In der Presseerklärung wurde der Atomwaffenverbotsvertrag der UN, den die Bundesregierung nicht unterzeichnen will, nicht erwähnt. Der Bochumer Rat hatte 2019 in einer Resolution gefordert, dass Deutschland diesem Vertragswerk beitreten soll.
Der Schreiber dieser Zeilen beschloss, an diese Resolution zu erinnern und sie zu dokumentieren.
Die Stadt Bochum bietet ein Ratsinfosystem an, in dem alle öffentlichen Einladungen, Protokolle, Vorlagen, Beschlüsse und Termine der Ratsarbeit dokumentiert werden. Fast alle. Im Protokoll der Ratssitzung vom 11. 7. 2019 steht zwar, dass die Resolution beschlossen wurde, der Text der Resolution fehlte. Eine freundliche Mitarbeiterin der Pressestelle versprach, den Text zu suchen. Eine Stunde später meldete sie sich, um mitzuteilen, dass sie das Dokument nicht auftreiben konnte. Sie würde es heute sicherlich schicken.
Bereits um 8.15 Uhr kam heute ihre E-mail mit einem Resolutionsantrag. Es handelte sich allerdings um einen abgelehnten Antrag von CDU und UWG. Die Mitarbeiterin muss sehr neu in Bochum sein, sonst wüsste sie, dass CDU und UWG nie eine Mehrheit für eine Resolution bekommen hätten.
Ein erneuter Blick in das Archiv von bo-alternativ brachte das Dokument zum Vorschein. Gestern war übersehen worden, dass es nicht erst zur Ratssitzung sondern schon fünf Tage vorher dokumentiert worden ist.
In vier Wochen am 6. August ist der Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Dann werden Friedensplenum, DFG-VK und IPPNW mit einer Demonstration durch die Stadt ziehen und für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages werben. Das dürfte erheblich motivierender sein, als zuzusehen, wie ein Mayor for Peace eine Fahne hissen lässt, ohne selber Farbe zu bekennen.