Donnerstag 02.05.24, 21:41 Uhr

Demonstrative Behinderungen


Die traditionell am 30. April stattfindende „revolutionäre Vorabenddemonstration“ in Bochum begann mit einer Panne und endete mit der vorzeitigen Auflösung. Das anfängliche Missgeschick äußerte sich in einer Serie von lauten Knallgeräuschen. Mehr gab der nagelneue Stromgenerator nicht von sich. Die Akku betriebene Ersatzanlage erwies sich als etwas schwach für die etwa 2.000 angereisten Teilnehmenden.

Die Bochumer Initiative Polizeibeobachtung (BIP) war ziemlich besorgt, weil niemand von der Bochumer Polizeiführung anwesend war. Eine Bereitschaftshundertschaft aus Gelsenkirchen begleitete die Demonstration und stellte die Ansprechpartner für die Demonstrationsleitung. Die BIP-Erfahrung der vergangenen Jahre ist, dass solche Konstellationen sehr häufig zu Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstrant:innen führen.

Die Auftaktkundgebung begann mit einer recht ungewöhnlichen Rede des Bochumer Antifatreffs (BAT). Die Sprecherin regte zur Selbstkritik der Antifa-Szene an, benannte problematische Umgangsformen und hinterfragte Ziele und Methoden der politischen Arbeit. Die Demo startete mit mehr als einer halben Stunden Verspätung und wurde schon nach zweihundert Metern von der Polizei gestoppt. Sie wollte z. B. Auflagen zum Halten von Transparenten durchsetzen und kritisierte Verstöße gegen das Vermummungsverbot. In der Tat hatten einige Teilnehmende Mundschutz-Masken mitgebracht. Vor zwei Jahren war es schließlich verboten, ohne Mundschutz an Demonstrationen teilzunehmen. Der äußerst erfahrende Versammlungsleiter versuchte, die Polizei daran zu erinnern, was ein angemessenes und verhältnismäßiges Polizeihandeln bedeutet.

Das Verhalten der Polizeiführung war so konfrontativ, wie von den Polizeibeobachter:innen befürchtet. Die BIP nahm Kontakt mit dem Bochumer Polizeipräsidium auf, um ihre Befürchtungen in Bezug auf den weiteren Demo-Verlauf zu schildern. Im Polizeipräsidium wurde keinerlei Notwendigkeit für ein Gespräch gesehen.

Die Demonstrant:innen folgten weitgehend der Aufforderung zur Demaskierung und der Demozug zog weiter zum Rathausvorplatz.

In einigen Internetmedien war angekündigt worden, dass eine Gruppe von etwa 100 Palästina- und Hamas-Unterstützer:innen für ihre Position mit Fahnen und Megafon werben wollte, aber die Gruppe wurde – wie von den Demo-Veranstalter:innen vorher angekündigt – von der Demo ausgeschlossen. Sie zog als Spontan-Demo Richtung Bahnhof zurück.

Vor dem Rathaus erinnerte die Rednerin der Seebrücke an die rassistische Entwicklung in Deutschland, an den Ausbau der Festung Europa und an die menschenverachtende Asylpolitik der Bundesregierung und der EU. (Die Rede im Wortlaut)

In einem Beitrag der Antifaschistischen Linken Bochum wurde anschließend angeprangert, wie dramatisch die Rechtsentwicklung in den übrigen Politikbereichen aussieht.

Die Demonstration wurde fortgesetzt über den Ring zur Herner Straße und dann über die Hans-Böckler-Straße wieder zum Rathaus. Sie kam dann aber nicht weit. Auf der Viktoriastraße wurden zwei Böller in der Demonstration gezündet. Die Polizei stoppte die Demo. Es kam dabei zu einem kleinen Gerangel zwischen Fronttransparent-Träger:innen und der Polizeikette, die rückwärts laufend vor der Demo herging.

Die Polizei zog sich dann ca. 15 Meter zurück, setzte Helme auf und erhielt Anweisungen für das weitere Vorgehen. Ein älteres Mitglied der BIP stand inzwischen vor der Demonstration. Als die aufgerüstete Polizeikette wieder auf die Demonstration zukam, versuchte ein Polizeiführer den Mann wegzudrängen, er störe die Polizeiarbeit. Der Polizeibeobachter argumentierte, dass der Polizeipräsident der BIP zugesagt habe, dass sich die BIP-Mitglieder frei bewegen können. Die Polizeibeobachtung wurde zur Seite geschoben. Als der Polizeiführer verschwunden war, stellte sich das BIP-Mitglied wieder zwischen Polizeikette und Demonstration, um die Situation optimal übersehen zu können.

Zur gleichen Zeit verhandelte der Versammlungsleiter mit der Polizei darüber, wie die Demo weitergehen soll. Die Polizei verlangte u. a., dass keine Transparente mehr hoch gehalten werden und drohte an, die Versammlung gewaltsam aufzulösen.

Im Demozug kam immer mehr Unruhe auf. Als das Mitglied der BIP, das zwischen Polizeikette und Polizei stand, von mehreren Polizisten abgeführt wurde, kochte die Gerüchteküche. Es wurde aber lediglich ein Platzverweis ausgesprochen. Der wortführende Polizist konnte sich weder ausweisen noch eine konkrete Begründung der Maßnahme nennen. Außer: Der Mann habe die Polizeiarbeit behindert.

Die Versammlungsleitung entschloss sich, die Demonstration für aufgelöst zu erklären. Angesichts der Aggressivität der Polizei wollte sie die Teilnehmenden nicht gefährden.