Wir freuen uns, für das Netzwerk Stadt für Alle, hier einen Redebeitrag halten zu können. Das Netzwerk Stadt für Alle setzt sich für eine solidarische und ökologische Stadtentwicklung ein und genau darum ist dies gerade ein besonders wichtiger Augenblick für uns, denn hier werden unsere beiden Forderungen verknüpft. Uns gibt es seit 2016, als wir die Gelegenheit hatten Refuge Strike zu unterstützen. Das war eine Gruppe von Geflüchteten, die gegen ihre katastrophale Unterbringungssituation in den Turnhallen der Stadt protestiert haben. Mit dabei war auch Hussam. Hussam hat uns auch noch ein Stück begleitet, als wir unsere Forderungen auf alle Menschen in Bochum ausgedehnt haben. Denn wir wollten und wollen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und künstliche Konkurrenzsituationen schaffen, ob es um Wohnraum, Kita Plätze oder andere begrenzte Ressourcen in der Stadt geht. Ein gutes Leben für Alle bedeutet, dass das was wir für uns fordern, fordern wir für Alle.
Eine unsere zentralen Forderungen ist ein Zugang zur städtischer Infrastruktur für Alle, die hier leben. Mobilität ist hierbei zentral.
Ein wichtiger Baustein ist der Radverkehr. In den letzten Monaten gab es allein zwei schwere Unfälle, die ich mit eigenen Augen miterlebt habe, einer war hier auf der Hans Böckler Straße und einer auf der Dorstener Straße. Das zeigt, wie gefährlich der Alltag mit dem Rad hier ist. Wir brauchen nicht nur sichere Radwege, wenn wir einen Sonntagsausflug an die Ruhr machen, sondern vor allem, wenn wir auf dem Weg zur Schule sind, auf dem Weg zur Arbeit oder zum Schwimmbad. Unermüdlich kämpft die Radwende hier in Bochum für bessere Radwege. Die Stadt hingegen setzt weiterhin auf Autoverkehr. In der Hochphase der Pandemie setzte die Stadt mit der Aktion „dein Ticket geht auf uns“ ein Sahnehäubchen auf alle, die mit dem Auto in die Innenstadt fuhren und so auf Parkgebühren verzichten konnten. Der von der Stadt mit fadenscheinigen Gründen abgelehnte Radentscheid, zeigt die Ignoranz, mit der hier demokratischen Initiativen und einer klimagerechten Stadt begegnet wird.
Fahrradfahren muss hier in Bochum auch für Menschen möglich sein, die kein olympiareifes Reaktionsvermögen haben.
Ein weiterer Baustein ist der ÖPNV
Mobilität mit dem Nahverkehr muss auch für Menschen möglich sein, die keinen Führerschein haben, ob sie Kinder sind, im Alter vernünftigerweise kein Auto mehr fahren, oder ob sie anstatt die Stadt mit Blech, Abgasen und betonierten Parkplatzflächen zu belasten, lieber in den Bus steigen. Besonders Menschen mit Beeinträchtigung sind auf den öffentlichen Verkehr angewiesen, sind angewiesen darauf, dass der Zugang dazu barrierefrei ist, wer hier schon einmal versucht hat, mit Kinderwagen oder Rolli die U-Bahn zu benutzen, weiß wovon die Rede ist.
Hinzu kommt, dass Menschen mit wenig Geld durch die immer teurer werdenden Mieten gezwungen sind, immer weiter aus der Innenstadt zu ziehen, gerade für sie ist ein gut ausgebauter und bezahlbarer Nahverkehr wichtig.
Das bedeutet zum einen, wir brauchen ein gut ausgebautes Verkehrsnetz und zwar in allen Stadtteilen, auch damit Oma Prutzke zum Senior*innenschwimmen kommt, Kerem zum Flötenunterricht und Flora auch nach 22.00 Uhr noch zu ihrer Freundin, wenn sie Liebeskummer hat. Denn Mobilität verbindet uns nicht nur mit unserer Arbeit oder der Schule, sondern auch zu den Orten, an denen wir uns begegnen und unsere Gesellschaft gestalten.
Darum müssen sich das auch alle leisten können. Politische Prioritäten liegen hier leider noch nicht. Schwarz fahren, ein Begriff, der aus dem Jiddischen kommt und „arm fahren“ bedeutet, wird noch noch immer sehr hart bestraft. Wer sich keine Fahrtkarte leisten kann, wird mit einer hohen Geldstrafe bestraft. Wer kein Geld hat, kann auch diese Strafe nicht bezahlen und muss die Strafe im Gefängnis absitzen. Das sind in Deutschland jedes Jahr im Durchschnitt 7000 Menschen. Allein in der JVA Dortmund sitzen 60 der 300 Gefangenen diese sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ab.
Heute geht es aber nicht nur um die die Nutzer*innen des Nahverkehrs, sondern auch um die, die ihn am Laufen halten.
Während der Hochphase der Pandemie wurden sogenannte systemrelevante Berufe identifiziert. Dazu gehören auch die Beschäftigten im Nahverkehr. Also ihr die Beschäftigten der BOGESTRA. Ein so wichtiger Beruf wie Busfahrerin ist ein entscheidender Bestandteil einer funktionierenden Stadt. Ohne sie würden wir morgens nicht zur Arbeit kommen, abends in die Kneipe oder zu unserem Sportverein. Sie stehen nachts für uns auf, fahren tobende Schulkinder durch die Stadt und tragen unsere Rollatoren notfalls in den Bus.
Sie haben es verdient, gut bezahlt zu werden, genug Urlaub zu haben, um sich von dem Schichtdienst zu erholen, pünktlich Feierabend zu haben, um sich von dem stressigen Verkehr zu erholen.
Wenn wir in die Straßenbahn oder in den Bus steigen, sehen wir, dass die Beschäftigten der BOGESTRA ein Abbild unserer sehr diversen Stadtgesellschaft sind. Sie sind es, die die Stadt bewegen. Vor einigen Wochen habe ich nach langer Zeit Hussam wieder getroffen. Er fährt jetzt den Bus für die BOGESTRA, für uns. Und wieder geht es um ein gutes Leben für Alle in dieser Stadt, um Gerechtigkeit, um bessere Arbeitsbedingungen, um besseren Lohn.
Ein Streik bei Balz oder Eickhoff kann wirtschaftlichen Schaden anrichten und die Arbeitnehmer*innen unter Umständen in die Knie zwingen. Bei einem Streik in der öffentlichen Infrastruktur, die im Nahverkehr oder in der Pflege, wird geschimpft, dass nichts mehr funktioniert. Gerade hier muss doch dann deutlich werden, wie wichtig diese Arbeit ist, warum die Arbeit gut bezahlt und die Bedingungen gut sein müssen. Darum braucht es hier unsere besondere Solidarität und Unterstützung.
Darum bitte noch einmal ganz viele Applaus und noch viel mehr für alle Hussams, Martinas und Patriks von der BOGESTRA.
Es gibt ein großes Wehklagen über die vermeintliche Demokratiemüdigkeit, ein großes Wehklagen über den Rechtsruck in der Gesellschaft. Rassistische Hetze, die Instrumentalisierung von Armut und die Leugnung des Klimawandels sind wichtige Bausteine rechter Politik.
Ihr, die hier an dieser Demonstration teilnehmt, tut viel dafür, diese Stadt solidarisch, ökologisch und demokratisch zu gestalten.
Die politisch Verantwortlichen der Stadt haben nun die Gelegenheit, hier auf lokaler Ebene mit ihren Mitteln etwas für eine demokratische Gesellschaft zu tun und gegen rechte Politik aktiv zu werden, anstatt stumm daneben zu stehen, sozialpolitisches Engagement zu blockieren oder rechte Politik zu imitieren.
Unsere konkreten Forderungen an die Stadt lauten darum:
- ein sicherer Ausbau des Radwegenetzes
- ein Ausbau des Nahverkehrsnetzes, der alle Stadtteile anbindet, mit einer Taktung, die auch für Beschäftigte im Schichtdienst nutzbar ist, die auch für Menschen nutzbar ist, die Sorgearbeit verrichten oder Gemeinschaft suchen
- ein barrierefreier Zugang zu allen öffentlichen Verkehrsmitteln
- ein günstiges Ticket für Menschen, die wenig Geld haben, das Sozialticket in Bochum muss deutlich günstiger werden
- die Stadt Bochum muss sich im kommunalen Arbeitgeberverband auf die Forderung der BOGESTRA Beschäftigten und VERDI beziehen und dafür gerade stehen, dass Arbeitsbedingungen und Löhne der Arbeit angemessen sind
Ein gutes Leben für Alle im ernst bedeutet, gegen eine Stadt der Konkurrenz und des Wettbewerbs für eine soziale solidarische und klimagerechte Stadt.