Am Abend des 9.11.2023 nahmen an der Gedenkveranstaltung an der Harmoniestraße, Ecke Dr.-Ruer-Platz mehr als 1000 Mitbürger:innen teil. Dies ist die größte Teilnahmezahl seit Jahren.
Nach Grußworten durch Andres Bruckner, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde und Oberbürgermeister Eiskirch gestalteten Schüler*innen der der Willy-Brandt-Gesamtschule das weitere Programm u.a. durch unterschiedliche Musikbeiträge. In einer ausdrucksstarken Präsentation erinnerten sie an das Leben und das Leiden der jüdischen Familie Seidemann, die zuletzt im Judenhaus an der Franzstraße 11 ihr Leben fristeten, bevor sie 1942 nach Zamosc deportiert wurden. Ihre genauen Todesursachen wurden nie bekannt, aber es wird vermutet, dass sie bei einem der folgenden Weitertransporte nach Sobibor unter unwürdigsten und grausamsten Bedingungen zu Tode gekommen sind.
Den Abschluss fand das Gedenken mit dem Kaddisch (Totengebet) durch den Rabbiner Bruckner.
Die Redebeiträge der Schüler*innen nach den Bildern.
Informationen zu allen in Bochum verlegten Stolpersteinen und -schwellen findet man hier: https://www.bochum.de/Stadtarchiv/Projekt-Stolpersteine
Ganz Entscheidendes fehlt: Den Schüler*innen ging es auch über die perverserweise so genannte Wiedergutmachung. Die Überlebenden trafen dabei auf die Enteigner und Räuber von „gestern“, die nun als „Wiedergutmachungs“-Fachleute sich leider nicht an „gestern“ erinnerten. Hubert Schneider hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die gleichen Notare, Rechtsanwälte, Versteigerer, Finanzbeamten, städtische Verwalter usw., die vor 1943 vor allem an dem räuberischen Enteignungsprozess verdient hatten nun nach 1945 ein 2. Mal verdienten, in dem sie den Ärmsten der Armen die „Wiedergutmachung“ verweigerten. Erschüttern der von den Schüler*innen gegen Ende der Veranstaltung vorgelesene Brief eines Kindes, das um ein Bett für seine kranke Mutter bittet – und von den genannten Behörden abgelehnt wird.
… „nahmen an der Gedenkveranstaltung …mehr als 1000 Mitbürgerinnen statt. Dies ist die größte Teilnahmezahl seit Jahren.“
Das ist gut so, aber es wären noch mehr gewesen, wenn die Stadt Bochum mal über den Tellerrand hinaus sehen würde. Gerade in den heutigen Zeiten, wo wir alle gegen Antisemitismus zusammenstehen sollten.
– Bei den Menschen aus der Ukraine, die zu uns gekommen sind, sind etliche Jüdinnen und Juden, die nicht bei der jüdischen Gemeinde andocken. Es wäre ein Zeichen der Solidarität gewesen, diese Menschen über die beiden großen Telegram-Kanäle, mit denen man die Mehrheit dieser Menschen erreicht, auf ukrainisch und russisch einzuladen. Dies ist nicht geschehen.
– Bei einer Veranstaltung der jüdischen Gemeinde zu Antisemitismus in der Zanke war eine syrisch/kurdische Männergruppe (Männergruppe (!), nicht Gruppe von Männern), die, obwohl sie dem sehr akademischen Vortrag (ein typisch linkes Problem) nur teilweise folgen konnten, ihre Solidarität mit Jüdinnen und Juden zum Ausdruck bringen wollte. Ladet solche Leute gefälligst ein. Sie sind auch Mitbürgerinnen.
– Sowohl die alevitische Gemeinde und die ezidische Gemeinde in Bochum haben sich klar für Solidarität mit jüdischen Menschen ausgesprochen. Sie sind aber Teil der Bochumer Zivilgesellschaft. Explizit eingeladen waren sie nicht.
Die Bochumer Zivilgesellschaft ist größer und vielfältiger, als die Stadt denkt. Auch im Kampf gegen Antisemitismus!