Sonntag 21.05.23, 17:54 Uhr
Rede von Ralf Feldmann, Friedensplenum, auf der Kundgebung "Kein Platz für Nazis in Bochum - Nirgendwo" am 20. Mai 2023

„Es gibt Durchzug aus der Mitte der Gesellschaft nach Rechts durch die Löcher, die sie Brandmauer nennen.“


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter gegen Rechts,

„NRW erwacht“: mit dieser Naziparole laufen die heute hier auf. „Deutschland, erwache“ war der Aufruf im Sturmlied der Hitlerhorden auf dem Weg in die Vernichtung von Abermillionen Menschen und in den Weltkrieg, ein Vogelschiss unserer Geschichte, sagt der Ehrenvorsitzende der AfD. „Deutschland erwache“, das geistert durch ihre Köpfe. Die Hardcorenazis, die heute zu erwarten sind, haben das in Fleisch und Blut: den flammenden Antisemitismus des Nazisturmliedes, seine Menschenverachtung, seine Feindschaft gegen die Demokratie. Aber die Schwurbler, die Verschwörungswirrköpfe, die Querdenker, die sich ja „Denker“ nennen: Woran denken sie denn, wenn sie denn denken, mit der Parole „NRW erwacht“? An die Tradition der SA, in die sie sich ja einreihen? Da verbindet sich braune Jauche mit braunem Muckefuck zu einem ungenießbaren Gebräu.

Ihre sogenannte Kampagne – jeden Monat in einer anderen Stadt – hat bei uns keine Chance. Wir in Bochum sagen: Ihr müsst draußen bleiben! Kein Platz für Nazis! Nicht in Bochum! Nirgendwo!

Das Bochumer Friedensplenum und die DFG-VK Bochum/Herne demonstrieren gemeinsam mit antifaschistischen Organisationen – hier vor Ort, wo denn sonst? Das ist selbstverständlich. In unserem Demoaufruf heißt es:

„Nationalistisches Denken ist die Grundlage, um die Bevölkerung für Kriege zu gewinnen. Auch wenn es unter den verschiedenen rechten Gruppen Friedensfahnen gibt und Frieden auf ihren Flyern steht : Das hat nichts, aber auch gar nichts, mit den Einsichten der Friedensbewegung zu tun. Mit Nazis wird es keinen Frieden geben! Die Friedensbewegung lehnt Krieg und Militär grundsätzlich ab. Sie zeigt, dass es geostrategische und ökonomische Interessen sind, die zu Kriegen führen. Sie lehnt die Aufrüstung der Bundeswehr ab. Wir wollen keine High-Tech-Waffen bis hin zu Atomwaffen. Wir kritisieren die Waffenexporte aus unserem Land. Wir wollen keine militärisch schwer bewachten Grenzen der wohlhabenden Länder gegen Menschen auf der Flucht. Wir brauchen Solidarität gegen Verfolgung, Armut, Hunger und Not, wir brauchen ein Zusammenwirken aller Länder gegen die drohende ökologische Katastrophe.  Die Rüstungsindustrie erwirtschaftet enorme Gewinne, die Bedürfnisse der Menschen hier und im Globalen Süden aber werden missachtet.“

Deshalb: Frieden nicht mit Nazis! Frieden kann es nicht mit Nazis geben! Das ist unsere Botschaft heute.

Bochum steht gegen Rechts – löchrig. Denn Rechts beginnt mitten in unserer Gesellschaft, auch in unserer Stadtgesellschaft. Vor drei Jahren hatten CDU, FDP und AfD in Thüringen gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt, schlimm genug, aber nur für kurze Zeit, bis es Bodo Ramelow, der Linke, doch wieder schaffte. Christian Haardt, damals Vorsitzender der CDU Bochum und OB-Kandidat, nannte Ramelow in der WAZ einen „Sozialfaschisten“ und die Wahlgemeinschaft mit der AfD – dort, wo sie wie in Thüringen besonders extrem ist – sei kein Tabubruch. Wozu führte das? Haardt, der gutbürgerliche Rechtsanwalt, wurde in Stiepel, dort, wo sich die Stadtgesellschaft bisweilen sogar als bestens einschätzt, direkt in den Rat gewählt, die CDU hielt an ihm als Fraktionsvorsitzenden noch lange fest. Brandmauer nach rechts? Nein. Es gibt Durchzug aus der Mitte der Gesellschaft durch die Löcher, die sie Brandmauer nennen. In Bochum war es ein Team von Mitgliedern der Jungen Union und der CDU, das – lange vor der AfD – die Saat für rechte Hetze ausstreute: im Internet gegen „Multikulti-Ideologie“, „islamische Zuwanderung“ austeilte und gegen Migranten, die angeblich das Sozialsystem ausnutzten. CDU und CSU müssten Parteien des gesunden Patriotismus, des Nationalstolzes und der Werteorientierung bleiben, hieß es. Das vertrage sich nun mal nicht mit gesellschaftlichen Entartungserscheinungen wie der Schwulenehe und auch nicht mit Multikulti.

Ja, Maaßen wollen sie rausschmeißen – der CDU-Bundesvorstand. Weil er „eine Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ gebrauche. Nicht so Maaßens Kreisverband in Thüringen: Der befürchtet, mit seinem Ausschluss „ die Brücke zur bürgerlichen Mitte endgültig abzureißen“. Und in Brandenburg unterstützt die CDU in einer Landratsstichwahl nicht einmal den SPD-Bewerber gegen den AfD-Kandidaten. Das ging trotzdem gerade noch einmal gut: 52 zu 48.

Es gibt Durchzug aus der Mitte der Gesellschaft nach Rechts durch die Löcher, die sie als Brandmauer beschwören. Wie fühlen sie sich heute in diesem Durchzug auf dem Platz des Europäischen Versprechens, weit entfernt vom Ort des Geschehens hier am Bergbaumuseum: Grüne und SPD zum Beispiel? Warum nicht gemeinsam hier?

Hier muss ich von meinem Redemanuskript abweichen. Zahlreiche Grüne, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind nicht dort, sondern hier bei uns. Herzlich willkommen. Bochum steht gegen rechts: gemeinsam. Das muss so bleiben!

Kurt Tucholsky schrieb damals gegen die Nazis sein Gegengedicht „Deutschland, erwache!“. Es endet so: „Wir sehen. Wir hören. Wir fühlen den kommenden Krach. Wir sind wach.“ Deshalb sind wir heute hier.