Die Omas gegen Rechts Bochum & West gedachten am Freitag mit einer Kranzniederlegung der ukrainischen Zwangsarbeiter, die vier Tage nach der Befreiung Bochums vom Faschismus am 14.04.1945 an der ehemaligen Flussbadeanstalt an der Ruhrmühle in Bochum-Dahlhausen von Hitlerjungen ermordet wurden. Die Tat blieb ungesühnt. Die Omas gegen Rechts berichten: »Wir vergessen nicht und mahnen damit für ein friedliches Miteinander und die Beendigung des sinnlosen Mordens nicht nur in dem schrecklichen Krieg in der Ukraine. Anette Wichmann sagte dazu in ihrer bewegenden Ansprache: „Hier, an diesem Ort, erschossen heute vor exakt 78 Jahren, vier Tage nach der Befreiung der Stadt Bochum durch die Alliierten, ein paar Hitlerjungen drei ukrainische Zwangsarbeiter. Warum?
Eine Schilderung dieser entsetzlichen Situation können wir dem von Waltraud Jachnow u.a. herausgegebenen Buch „… und die Erinnerung tragen wir im Herzen – Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter – Bochum 1942 – 1945“ entnehmen. Ursprünglich wurden die Auszüge, aus denen ich zitieren werde, von unserer mittlerweile verstorbenen Mit-Oma Silke Brockmann zusammengestellt. Ich denke, es ist in ihrem Sinne, wenn ich ihre Vorarbeit heute für meine kleine Ansprache nutze. Am 22. Mai 1999 kam der ehemalige Zwangsarbeiter Ilja Pustylnik aus Donezk nach Bochum, um mit Mitgliedern der Gesellschaft Bochum-Donezk (u.a. mit Walter Gantenberg, der in der Geschichte der Zeche Dahlhauser Tiefbau bestens bewandert ist,) auf Spurensuche zu gehen. Vorher, im März des Jahres, schrieb er einen Brief an seine Gastgeber. Ich zitiere:
„Ich, Pustylnik, Ilja, wurde am 21.01.1926 im Dorf Potschipenzy, Bezirk Lysjansk, Gebiet Tscherkassk geboren. Im Juni 1942 verschleppte man mich nach Deutschland. Man brachte uns erst nach Erfurt. Ich arbeitete in einem Flugzeugwerk bis Dezember 1942. Am 25.12.1942 brachte man uns nach Bochum auf die Zeche Tiefbau. Dort arbeitete ich bis April 1945. Mit mir zusammen arbeitete der Vorarbeiter Wilhelm Tykla, ein Deutscher aus Bochum.
Es geschah bei uns etwas sehr Tragisches: Am 14. April 1945 kam ich aus der Schicht und erfuhr, dass in unserer Baracke drei von meinen Kameraden ermordet worden waren: Iwan Kriwouschko, Iwan Siwowolos und Prokoschka (an den Familiennamen erinnere ich mich nicht). Wir haben sie innerhalb des Lagers auf unbebautem Gelände beerdigt…“
(es handelte sich um das Lager am Horkenstein, hier in Bochum-Dahlhausen; vorher war hier ein Ausflugslokal)
Bei seinem Besuch 1999 existierte von der Zeche praktisch nichts mehr, aber Ilja Pustylnik konnte nach kurzer Orientierung den früheren Eingang zeigen, bestimmte Verläufe der Grubenbahn, Abkürzungen von der Zeche zum Lager am Horkenstein und – mit Blick auf das gegenüberliegende Ufer der Ruhr – verschiedene Gebäude benennen. Auf dem Horkenstein selber ging Herr Putylnik sehr zielgerichtet zu einer bestimmten Stelle und meinte mit großer Sicherheit, hier seien seine ermordeten Kameraden damals beerdigt worden. Folgendes war geschehen: Während er zur Frühschicht im Schacht war, genossen vier seiner Kollegen den freien Vormittag bei schönem Wetter in der Badeanstalt an der Ruhr unterhalb des Horkensteins. Plötzlich seien Hitlerjungen gekommen und hätten mit Pistolen auf die in der Badeanstalt liegenden jungen Zwangsarbeiter geschossen. Drei wurden getötet, der Vierte habe sich durch einen Sprung in die Ruhr gerettet. Er sei bis zur gegenüberliegenden kleinen Insel geschwommen. … Die Täter sind wohl nie zur Rechenschaft gezogen worden. .. Die Gräber der mit Sicherheit umgebetteten Toten konnten leider nicht ausfindig gemacht werden.
Wir wollen heute an diesem Platz, nunmehr zum vierten Male, nicht nur an die unmenschlichen Verbrechen der Vergangenheit erinnern, wir möchten – auch angesichts des schrecklichen Kriegs in der Ukraine – ein deutliches Zeichen setzen für ein friedliches Miteinander und gegen ein sinnloses Morden.
Wir wollen nicht schweigen, wenn heute wieder rechte Populisten, Nationalisten und Faschisten lautstark Hetze, Hass und Angstparolen auf der Straße, im Netz und in den Parlamenten verbreiten.
Wir setzen uns dafür ein, dass auch unsere Enkelinnen und Enkel in einer demokratischen, freien und menschenfreundlichen Gesellschaft leben können, in der rechte Hetzer keine Mehrheiten finden.
In diesem Sinne wollen wir niemals vergessen!«
Das Buch „… und die Erinnerung tragen wir im Herzen – Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter – Bochum 1942 – 1945“ ist hier online auf der Webseite des Bochumer Bündnisses gegen Rechts veröffentlicht.
Der erwähnte Bericht ist auf Seite 138 zu finden.