Dienstag 11.04.23, 15:33 Uhr
Rede von Michael Post, NaturFreunde, auf der Ostermarschkundgebung am 9. April 2023 in Bochum

Der Klimawandel tötet schon jetzt


Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, vor einem Jahr wurde sehr schnell nach dem Kriegsbeginn verkündet, dass 100 Milliarden Euro für ein Zusatzrüstungsprogramm aufgebracht werden soll. (Zu schnell, als dass die Pläne nicht schon vorher in der Schublade lagen.) Dazu soll der deutsche Rüstungshaushalt insgesamt von 1,3 % auf 2%¹ des Bruttosozialprodukt steigen. Die USA haben beschlossen alleine für 2023 die Rüstungsausgaben von 740 Milliarden Dollar auf 858 Milliarden Dollar² zu steigern. Dieses Geld wird an anderen Stellen dringend benötigt. Der Weltklimarat hält das 1,5 Grad-Ziel für fast gescheitert.³ Die Einhaltung des Ziels ist aber wichtig, weil bei einer höheren Weltdurchschnittstemperatur Kipppunkte erreicht werden könnten, die Kettenreaktionen auslösen könnten.

So kann beispielsweise durch das Tauen des Permafrostbodens eine nicht genau bekannte Menge von Methan und Kohlendioxid frei werden. Das würde die Durchschnittstemperatur weit über die 2 oder 3 Grad anheben. Also kann jede weitere Erhöhung über das 1,5 Grad Ziel unabsehbare Folgen haben. Deshalb sind alle Anstrengungen notwendig, dass 1,5 Grad Ziel einzuhalten. Dafür sind große Investitionen notwendig. Hier ist das Geld besser aufgehoben, als in den Ausbau der Rüstung.

Der Klimawandel tötete schon jetzt: Allein 15.000 Hitzetote gab es 2022 in Europa.⁴ Wie viele Hitzetote gab es weltweit? Wir wissen es nicht. In Indien gab es letztes Jahr eine gewaltige Hitzewelle. Insgesamt gehen Forscher davon aus, dass es von 1990 bis 2020 mehr als 400.000 Tote durch den Klimawandel gab. 1,7 Milliarden Menschen waren in diesem Zeitraum von Katastrophen betroffen.⁵ Nur 42 Milliarden Euro würden laut dem Roten Kreuz den ärmsten 50 Entwicklungsländer helfen, ein brauchbares Frühwarnsystem einzurichten.⁶ Auch die Luftverschmutzung durch fossile Energieträger kostet nach WHO-Schätzung jährlich 7 Millionen Tote weltweit.⁷ Durch ein 100 Milliarden-Programm für Erneuerbare Energien könnten wir in Deutschland die Klimaneutralität eher erreichen und aus der Braunkohle so schnell wie möglich auszusteigen. Wir könnten damit unser Ziele einhalten und ein Vorbild für die Welt werden. Die Boston Consulting Gruppe schätzt, dass zum Umbau der Wirtschaft weltweit 90 – 210 Milliarden⁸ jährlich notwendig sind. Also ungefähr ein Viertel des Yankee- Rüstungshaushalts. Das Problem ist, dass die Rüstungsspirale dazu führt, dass der Egoismus der Nationen ansteigt und sie weniger in den Umbau der Wirtschaft investieren, sondern die

Rüstungsausgaben steigern werden.⁹ Die Aufrüstung rückt also das 1,5 Grad-Ziel weiter in Ferne. Das wird Millionen Menschen das Leben kosten. In den USA und auch in Deutschland wird über neue Munitionsfabriken nachgedacht.¹⁰ Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Die Euros, die für weitere Munition ausgegeben werden, können nicht für die Klimawende ausgegeben werden. Auch die Arbeitskräfte und Ingenieure, die in den Munitionsfabriken arbeiten, stehen für die Aufgaben der Klimawende nicht zur Verfügung. Statt Krieg und Aufrüstung müssen wir uns gemeinsam anstrengen, die Erde von den Folgen des Klimawandels zu retten. Dazu sind Verhandlungen notwendig. Der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Michael Müller ist Mitinitiator des Briefs „Frieden schaffen“ von Brandt und anderen. Ich zitiere: „Mehr als ein Jahr dauert bereits der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Jeder weitere Tag Krieg bedeutet für die betroffenen Menschen mehr Leid und Zerstörung, mehr Verwundete und Tote. Mit jedem Tag wächst die Gefahr der Ausweitung der Kampfhandlungen. Der Schatten eines Atomkrieges liegt über Europa. Aber die Welt darf nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern. Die Welt braucht Frieden. Das Wichtigste ist, alles für einen schnellen Waffenstillstand zu tun, den russischen

Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden.“¹¹ In dem Brief heißt es auch: „Unsere Welt ist auf Gegenseitigkeit angewiesen, nur so sind die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Entscheidend ist es, die Eskalation des Krieges zu stoppen. Wir ermutigen den Bundeskanzler, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen. Das wäre ein notwendiger Schritt, um das Töten zu beenden und Friedensmöglichkeiten auszuloten. Nur dann kann der Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitsordnung in Europa geebnet werden.“ So dass Schreiben an Herrn Scholz. Wir brauchen keine Aufrüstungsprogramme. Wir brauchen dringend Friedensverhandlungen! Internationale Kooperationen und Investitionen für eine Energiewende weltweit. Statt Russland weiter mit Atomwaffen zu bedrohen, sollten wir für eine atomwaffenfreie Zone Europa, vom Atlantik bis zum Ural kämpfen. Wir fordern, keine neuen Trägersysteme für Atomwaffen anzuschaffen und auf die Errichtung von Abschusseinrichtungen in Polen und der Ukraine zu verzichten.

1 https://www.rnd.de/politik/2-prozent-ziel-der-nato-kritik-an-scholz-weil-nach-zeitenwende-rede-keine-tatenfolgten-UIJL4MFWCRCRHKE64H37Y43FGY.html

2 https://www.n-tv.de/wirtschaft/US-Kongress-bewilligt-Haushalt-2023-article23804894.html

3 https://www1.wdr.de/nachrichten/weltklimarat-ipcc-synthesebericht-100.html

4 https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/who-hitzetote-europa-2022-100.html

5 https://www.wetter.de/cms/410-000-tote-klimawandel-verursacht-mehr-naturkatastrophen-4651414.html

6 ebenda.

7 https://globalmagazin.eu/themen/klima/who-zehntausende-tote-durch-klimawandel/

8 https://www.handelsblatt.com/technik/thespark/studie-die-welt-investiert-zu-wenig-in-klimaschutz-technologie/27601204.html

9 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausgaben-militaer-weltweit-ukraine-krieg-russland-100.html

10 https://www.spiegel.de/wirtschaft/rheinmetall-baut-munitionsfabriken-in-deutschland-aus-a-cdc0abb0-6160-4d5aa478-865b38b7e7be

11 https://www.fr.de/politik/frieden-schaffen-92185182.html