Montag 27.02.23, 13:24 Uhr

Who cares? – Zum Equal Care Day am 1.3.23


Für die geschlechtshierarchische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft spielt die Zuweisung der reproduktiven Arbeiten an weiblich gelesene Menschen eine besondere Rolle. Trotz aller Kritik, die in den vergangenen 50 Jahren an diesen patriarchalischen und heterosexistischen Grundmustern geleistet worden ist, hat sich an dem Gender Care Gap bisher nicht viel geändert: Über 80% der beruflichen Care-Arbeit in Deutschland wird der Statistik nach von „Frauen“ geleistet. 34% aller berufstätigen weiblich gelesenen Menschen sind im Fürsorgebereich tätig, gegenüber 8% der männlich gelesenen.

Bei der Teilzeitarbeit ist die geschlechtshierarchische Verteilung noch ein bisschen krasser[1]. Hinzu kommt die Schattenwirtschaft, in der nicht angemeldete – zumeist migrantische – Putz-, Pflege- und Betreuungshilfen tätig sind (Global Care Chain)[2]. Manche von ihnen sind nur befristet im Land, manche tauchen in keiner Statistik auf und sind in ihren Rechten eingeschränkt. Das ist der Gender Care Gap in der Berufswelt – eine extreme Ungleichverteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern.

Ergänzend dazu wurde der Gender Care Gap in privaten Haushalten berechnet[3]: Im Gesamtdurchschnitt leisten weiblich gelesene Menschen 52,4 % mehr Familien- und Sorgearbeit als männlich gelesene. In Wirklichkeit ist das Missverhältnis größer, denn im Gesamtdurchschnitt werden auch Singlehaushalte etc. mit einberechnet. Bei weiterer Unterteilung der „häuslichen“ Tätigkeiten zeigt sich: „Je mehr Fürsorgearbeit zu leisten ist, je körpernäher diese Aufgaben sind, desto gravierender das Missverhältnis… Im Extremfall, in Familien mit kleinen Kindern, steigt die Diskrepanz im privaten Gender Care Gap auf über 110% oder alltäglich über zweieinhalb Stunden, die weiblich gelesene Menschen mehr Sorgearbeit leisten“[4].

Der Equal Care Day macht auf die mangelnde Wertschätzung und geschlechtshierarchische Verteilung von Fürsorgearbeit aufmerksam. Er wurde eigentlich auf den 29. Februar festgelegt und 2016 von Almut Schnerring und Sascha Verlan als Aktionstag ins Leben gerufen. Die Festlegung auf den 29. Februar, der als Schalttag nur alle 4 Jahre stattfindet, weist darauf hin, dass Care-Arbeit „unsichtbare“ und unbezahlte Arbeit ist. Das Anliegen der Initiative ist es, die Aufgaben der Fürsorge und Pflege gleichmäßiger auf beide Geschlechter zu verteilen, sie generell aufzuwerten und ihre arbeitsrechtlichen sowie gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Diesem Ziel diente auch das Equal Care Manifest. Es.wurde im Mai 2020 veröffentlicht und „verlangt die Anerkennung von Sorgearbeit als gesellschaftliches Grundfundament. Unter Mitwirkung von Berufsverbänden, Wissenschaftler:innen und Hilfsorganisationen wurden 18 Forderungen aufgestellt. Neben besserer Bezahlung in Care-Berufen und einer fairen Verteilung unbezahlter Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern wird auch die „Abbildung der Wertschöpfung durch unbezahlte Sorgearbeit in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und eine Übernahme von Care-Verantwortung durch privatwirtschaftliche Unternehmen“ gefordert.[5]

Blickt man auf den globalen Süden, dann stellt sich die Ungleichheit noch viel gravierender dar. „Männer arbeiten im weltweiten Durchschnitt 6 Stunden und 44 Minuten pro Tag und werden für 5 Stunden und 21 Minuten bezahlt – also für mehr als 80 Prozent ihrer Arbeitszeit. Frauen arbeiten hingegen durchschnittlich 7 Stunden und 28 Minuten am Tag, erhalten aber nur für 3 Stunden und 3 Minuten Lohn – also für rund 41 Prozent ihrer Arbeitszeit.“ Oxfam weist außerdem darauf hin, dass diese Ungleichheit dazu führt, dass Mädchen weniger Zugang zu Bildung haben, was sich negativ auf ihre berufliche Entwicklung auswirkt.


[1] Offizielle Zahlen der Agentur für Arbeit oder des Statistischen Bundesamtes

[2] In einem typischen transnationalen Care-Arrangement stellt eine wohlhabende Familie aus einem Industriestaat eine Migrantin ein, deren eigene Fürsorgearbeit zu Hause durch ärmere, ältere oder vom Land kommende Frauen übernommen wird. (https://www.boell.de/de/2014/03/03/das-care-chain-konzept-auf-dem-pruefstand)

[3] 2. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2017, berechnet auf Grundlage der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamtes

[4] https://equalcareday.de/equal-care-eine-bestandsaufnahme/

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Equal_Care_Day