Guten Abend, liebe Mitmenschen.
Wir haben uns hier um die Friedensrune versammelt aus Entsetzen über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, einem Krieg mitten in Europa. Wir haben uns versammelt aus Angst vor der Eskalation dieses Krieges zu einem Atomkrieg.
Seit 1947 stellen Wissenschaftler einmal im Jahr die Zeiger der Weltuntergangsuhr – der doomsday – clock. In diesem Jahr rückten sie die Zeiger auf 1 ½ Minuten vor 12 – noch nie waren wir der atomaren Vernichtung so nah wie heute.
Ich stehe hier als Vertreterin der friedenspolitischen Organisation IPPNW- Internationale ÄrztInnen für die Verhütung des Atomkrieges. 1981entstand die weltweite IPPNW aus einer Initiative US- amerikanischer und sowjetischer Ärzte, die gemeinsam erkannt hatten, dass in einem Atomkrieg ärztliche Hilfe nicht mehr geleistet werden kann.
Schutz bietet allein die Verhütung eines Atomkrieges.
1985 wurde uns der Friedensnobelpreis verliehen.
Das Nobelkomitee lobte die Arbeit der Ärzte in der IPPNW, die breiten Widerstand gegen die atomare Vernichtung mobilisierten, um diese neue Losung unter den Menschen zu verbreiten:
Menschen aller Länder, die ihr überleben wollt, vereinigt euch.
Heute, fast 40 Jahre später, finden wir uns wieder in einer Welt bedroht von atomarer Vernichtung.
Weltweit gibt es heute Atomwaffen mit einer Sprengkraft von mehr als 130 000 Hiroshima-Bomben. Würden nur 3% dieser Bomben in einem Krieg eingesetzt, würde es rund 150 Millionen unmittelbare Tote geben.
Eine Aschewolke mit 47 Millionen Tonnen Ruß würde sich über die Erde legen , diese Asche ist das, was Atombomben von unserer Zivilisation übriglassen. Die Wolke würde das Sonnenlicht auf Jahre verdunkeln und die globale Temperatur um 6.5 Grad senken. Während der letzten Eiszeit war es etwa 6 Grad kälter als heute. Eine unvorstellbare Hungersnot würde jeden 3. Menschen auf der Welt töten.
Ist das die Welt, die wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen?
Schließlich haben wir „die Erde nur von unseren Kindern geborgt“, wie es die Grünen vor Jahren so treffend gesagt haben.
Sind wir semidebile Traumtänzer, wenn wir angesichts drohender atomarer Vernichtung Verhandlungen und Waffenstillstand fordern?
Nein, wir wollen leben.
Albert Einstein schrieb vor 70 Jahren über die Zukunft der Menschheit im Atomzeitalter: „Wir werden einen neuen Denkansatz brauchen, wenn die Menschheit überleben soll“.
Ein Denken, dass staatlich organisierten Massenmord , Krieg, für ein absolut ungeeignetes, ja absurdes Mittel zur Konfliktlösung hält. So absurd wie rituelle Menschenopfer.
Ein Denken, dass sich klar für Verhandeln und nicht für Vernichten entscheidet.
Menschen aller Länder, die ihr überleben wollt, vereinigt euch.